Auch der Personalabbau der Polizei sollte eigentlich Thema sein im Wahlkampf und ist es auch - bei den Oppositionsparteien. Die Regierungskoalition hat auf Schönwetter-Wahlkampf geschaltet. Am Freitag, 22. August, rief sogar die Gewerkschaft der Polizei zu einer Pressekonferenz, um auf die Personalprobleme der Polizei aufmerksam zu machen. Und SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig fühlte sich einmal mehr bestätigt. Von wegen "Polizeistaat".

Das Wort hatte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) benutzt im Kandidatenduell mit dem Spitzenkandidaten der Linkspartei, Rico Gebhardt, und damit seine Forderung nach dem Ende des Personalabbaus bei der Polizei vom Tisch gewischt.

Doch die Polizei in Sachsen ächzt schon jetzt unter den ihr aufgebürdeten Aufgaben. Das war das Thema der Pressekonferenz der Gewerkschaft am Freitag. Und auch Martin Dulig, der Spitzenkandidat der SPD, sieht die Kritik seiner Partei am Kürzungsprogramm “Polizeireform 2020” bestätigt.

“Einmal mehr ist offensichtlich geworden, dass es bei der sächsischen Polizei eine Vielzahl von Problemen gibt”, stellte Martin Dulig nach der Pressekonferenz der GdP fest. “Das fängt bei A wie Altersstruktur an und hört bei auf Z wie zukünftiger Stellenausstattung auf. Dazwischen liegen weitere Probleme wie etwa immer längere Interventionszeiten, Revierschließungen, hohe Krankenstände bei den Polizeibediensteten sowie sinkende und im Vergleich der Flächenländer niedrige Aufklärungsquoten bei der polizeilichen Strafverfolgung.”

Normalerweise haben Flächenländer eine höhere Aufklärungsquote, weil sich viele Delikte in den eher unübersichtlichen Großstädten konzentrieren. Niedersachsen hat zum Beispiel eine Aufklärungsquote von 61 Prozent, Bayern von 64 Prozent. Selbst Thüringen schafft 64 Prozent. Doch schon in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die sächsische Polizeistruktur auf Kante genäht ist. Die eh schon bescheidene Aufklärungsquote von 55,4 Prozent ist 2013 auf 54,8 Prozent gesunken.Mit der Häufigkeitszahl von registrierten Straftaten je 100.000 Einwohner liegt Sachsen eher im Hinterfeld der Flächenländer. Während Bayern und Baden-Württemberg auf Werte von 5.000 und 5.400 kommen, kam Sachsen im letzten Jahr auf 7.716. Selbst wenn die Ursachen in der Grenznähe zu Polen und der Tschechischen Republik und in der hohen Armutsquote in den Großstädten liegen, würde das bei realistischer Betrachtung trotzdem bedeuten, dass genug Polizisten vorgehalten werden müssen, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Doch durch den von CDU und FDP weiter forcierten Stellenabbau gibt es immer weniger Polizistinnen und Polizisten im Freistaat. Mit der 2012 begonnenen Polizeistrukturreform und den damit zusammenhängenden Revierschließungen zieht sich die Polizei aus der Fläche zurück. Und da auch in den “oberen Etagen” heftig gekürzt wird, wird auch der kriminalpolizeiliche Dienst beschnitten. Ergebnis sind die niedrigen Aufklärungsraten im Freistaat. Unter den Bundesländer landet Sachsen mit seiner Aufklärungsrate nur auf Rang 9. Und dahinter rangieren neben den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen nur noch Brandenburg, NRW, das Saarland und Schleswig-Holstein.

“Anstatt aber zu den hausgemachten Problemen Stellung zu nehmen, bügelt der Ministerpräsident den Personalabbau bei der Polizei mit dem Argument ab, dass niemand einen ‘Polizeistaat’ wolle. Mit dieser politischen Nebelkerze versucht er von den drückenden Problemen abzulenken”, kritisiert Martin Dulig das Ausweichmanöver Stanislaw Tillichs. “Die Sachsen wissen aber sehr wohl zu unterscheiden zwischen einem Polizeistaat und einem Staat, der ihre Sicherheitsbedürfnisse ignoriert”, betont Dulig und nennt bei drei Punkten dringenden Änderungsbedarf: “Wir Sozialdemokraten wollen den Stellenabbau bei der sächsischen Polizei stoppen, die Arbeitsbedingungen verbessern und den Bereich der Prävention ausbauen. Schließlich leisten die Polizistinnen und Polizisten Tag für Tag bemerkenswerte Arbeit – sie verdienen eine höhere Wertschätzung als bei schwarzgelb”.

Die “Polizeiliche Kriminalstatistik 2013” des Bundesministeriums des Inneren (die Aufklärungsraten der Länder findet man auf Seite 21): www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2014/06/PKS2013.pdf?__blob=publicationFile

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