Dass die letzte sächsische Regierung von Naturschutz nicht allzu viel gehalten hat, das zeigte sich nicht nur am "Baum-ab-Gesetz" und im "Tornado-Erlass" des Umweltministers. Es macht sich auch am finanziellen Ausbluten der Naturschutzstationen fest. Nicht nur die Auwaldstation in Leipzig-Lützschena hat zu kämpfen. Andere Stationen mussten schon aufgeben.

Das würde natürlich medial kaum eine Schlagzeile ergeben, denn die Staatsregierung interessiert das Thema augenscheinlich nicht. So sagt es auch Umweltminister Frank Kupfer (CDU) in seiner Antwort an die Grünen-Abgeordnete Gisela Kallenbach. Denn eine Aufgabe der Landesregierung sei das nicht, darum würden sich Kommunen, Vereine und private Akteure kümmern. Und weil das keine Landesaufgabe sei, habe man auch keine Zahlen. Oder doch? Die Antwort von Frank Kupfer ist in sich widersprüchlich, denn eine Liste der noch existierenden Naturschutzstationen und ihrer Träger kann der Minister der Abgeordneten dann doch geben. Es ist eine Art Rote Liste. Denn in den meisten sächsischen Landkreisen gibt es keine Naturschutzstationen mehr.

Grund genug für die Abgeordnete Gisela Kallenbach, vor einem schleichenden Sterben der Naturschutzstationen in Sachsen zu warnen.

“Die derzeitige Ausstattung Sachsens mit Naturschutzstationen ist sehr unterschiedlich. Von den 16 sachsenweit noch existierenden Naturschutzstationen liegen die meisten im Landkreis Mittelsachsen (vier Stationen) und jeweils drei in den Landkreisen Leipzig und Bautzen. In den Landkreisen Vogtland, Meißen, Görlitz und Sächsische Schweiz/Osterzgebirge gibt es keine Naturschutzstationen mehr”, stellt sie fest. “Mit dem Erzgebirgskreis sieht sich nur noch ein einziger Landkreis in der Pflicht, ein Naturschutzzentrum zu unterhalten. Darüber hinaus existieren noch 15 vergleichbare Einrichtungen in Trägerschaft von Vereinen. Die Naturschutzstation Herrenhaide ist nach einer Brandstiftung derzeit zerstört. Allen gemeinsam ist der Kampf ums wirtschaftliche Überleben, bei dem wichtige Naturschutzaufgaben auf der Strecke bleiben.”

In Leipzig gibt es (noch) zwei Naturschutzstationen – zum einen die vom Zweckverband Parthenaue betriebene Naturschutzstation Plaußig und zum anderen die vom Förderverein Auwaldstation und Schlosspark Lützschena e.V. betriebene Auwaldstation in Lützschena.

“Ich bedauere, dass die sächsische Staatsregierung keine Förderung für die weitere Arbeitsfähigkeit der Naturschutzstationen plant. Der künftige Umweltminister muss die noch existierenden Naturschutzstationen in Sachsen erhalten und ausbauen”, mahnte die scheidende Abgeordnete aus Leipzig. “In den anstehenden Haushaltsverhandlungen sollte er oder sie sich für eine Personalmindestausstattung von drei Stellen pro Station einsetzen. Denn ohne eine Mindestinfrastruktur können die Naturschützer ihre Aufgaben nicht absichern.”

Mittelfristig wäre aus Sicht der Grünen ein System von landesweit 40 Naturschutzstationen mitsamt Personal und zuverlässiger Finanzierung notwendig. In jedem Landkreis sollte es als Richtwert mindestens drei gut ausgestattete Naturschutzstationen mitsamt fest angestelltem Personal und konkreten Aufgaben geben.

“Viele Naturschutzstationen wurden mittlerweile von ihren einstigen Trägern, den Landkreisen, aufgegeben”, benennt Gisela Kallenbach das Dilemma, das natürlich ein finanzielles ist. Wenn Kommunen nur noch mit aller Not ihre Haushalte zusammenbekommen, bleiben Bildungsangebote wie solche Naturschutzstationen sehr schnell auf der Strecke. “Beispielhaft genannt seien das ‘Zentrum für Landeskultur und Naturschutz’ in Dippoldiswalde (Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge) und die Teichmühle Großhartmannsdorf im Landkreis Mittelsachsen. Die landesweiten Umweltverbände stoßen bei ihren Versuchen, diese Trägerschaft zu übernehmen, seit Langem an ihre Kapazitätsgrenzen. Eine Möglichkeit ist die Trägerschaft durch den Freistaat. Vorbild könnte hier die Trägerschaft des Staatsbetriebs Sachsenforst für drei Waldschulheime sein. Sinnvoller wäre jedoch die Gründung einer finanziell abgesicherten unabhängigen Trägerstiftung. Die einmalige Bereitstellung von Stiftungskapital wäre eine langfristige Zukunftssicherung. Den Naturschutzstationen könnten bei ausreichender personeller Ausstattung neben der Biotoppflegeorganisation wichtige Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit und der Umweltbildung übertragen werden sowie Kontrollfunktionen, die die personell ausgezehrten Naturschutzbehörden seit langem nicht mehr wahrnehmen können”, erklärt Kallenbach.
Die Finanznot hat ja längst auch die Behörden erreicht. Mit dem Ergebnis, dass auch auf kommunaler Ebene die Zahl der Ansprechpartner für den Naturschutz gesunken ist.

“Durch wiederholte Strukturreformen und daraus folgende Personalkürzungen einerseits sowie die Zunahme verwaltungsbürokratischer Aufgaben andererseits sind heute die meisten Naturschutzbehörden nicht mehr in der Lage, allen Aufgaben nachzukommen. Das betrifft insbesondere die Unteren Naturschutzbehörden der Landratsämter”, stellt Gisela Kallenbach fest. “Die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten und -helfer können diese Lücke nicht schließen. Im Gegenteil: Sie sind heute überwiegend im Rentenalter. Entgegen aller Lippenbekenntnisse und Symbolaktionen zeigt die sächsische Regierung keine Initiative, den ehrenamtlichen Naturschutz zu stärken. Die noch vorhandenen Naturschutzstationen und kleinen Trägervereine zehren seit längerem von der Substanz. Sie kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, reduzieren ihre Aktivitäten, notgedrungen bei der Biotoppflege. Selbst sehr wertvolle Flächen werden ‘abgegeben’, fallen brach oder werden nur noch suboptimal mit nicht angepasster Technik landwirtschaftlich genutzt.”

Mit dem Verlust der Bildungsstrukturen für den Umwelt- und Naturschutz – man denke auch nur an die leidigen Leipziger Eiertänze um das Naturkundemuseum – geht natürlich auch das öffentliche Verständnis für eine intakte Natur und lebendige Ökosysteme verloren. Und damit auch der Nachwuchs, der im Naturschutz sein Betätigungsfeld finden könnte.

“Wenn die Staatsregierung jetzt nicht eingreift, ist eine Wende des ‘Naturschützersterbens’ nicht abzusehen”, stellt Kallenbach fest. “Nachdem praktischer Naturschutz und Landschaftspflege mindestens seit zehn Jahren auf Verschleiß gefahren wurden, ist inzwischen unübersehbar, wie das Fundament wegbricht: ein hoffnungslos überalterter ehrenamtlicher Naturschutzdienst, zusammengestutzte und überforderte Naturschutzbehörden, um die Existenz ringende Naturschutzstationen und -vereine, frustrierte Einzelkämpfer.”

Die Bedeutung der Naturschutzstationen in Sachsen und ihr schleichender Niedergang ist ausführlich dokumentiert in “Sachsens Natur bewahren! Eine Biodiversitätskonzeption – 2012-2014 erarbeitet von 65 Naturschutzpraktikern” (März 2014) der Grünen-Landtagsfraktion:

www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Broschuere/Biodiv-Broschuere2014.pdf

Naturschutzstation Plaußig: www.zv-parthenaue.de/1_0/1-6-1_zweck-station.html

Auwaldstation Lützschena:
www.auwaldstation.de

Die Kleine Anfrage “Situation der Naturschutzstationen in Sachsen” als PDF zum Download.

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