Da stimmt was nicht. Auch Silvaine Reiche, Leiterin des Auswahlteams des Präsidiums der Sächsischen Bereitschaftspolizei, rieb sich die Augen. Sollte das, was offiziell Innenminister Markus Ulbig (CDU) dem neugierigen Grünen-Abgeordneten Valentin Lippmann geantworet hatte, stimmen, dann hätte 2014 kein einziger sächsischer Polizeibewerber das Auswahlverfahren für die Polizeiausbildung bestanden. Natürlich hat nicht Markus Ulbig selbst die Antwort geschrieben.

Irgendwo in seinem Ministerium ist jemandem der Lapsus durchgerutscht. Und so schlimm steht es weder um die Polizei noch um ihren Nachwuchs, um den seit 2014 mit ganz anderen Bandagen gekämpft wird. “Wir haben hier sehr wohl mitbekommen, dass wir mehr tun müssen, um guten Nachwuchs zu kriegen”, sagt Silvaine Reiche. “Das, was uns 2014 passiert ist, darf nicht wieder passieren.”

Was war passiert? – Natürlich nicht das, was die Auskunft an Lippmann suggerierte. Danach wären sämtliche 2.906 Bewerber für die mittlere Polizeilaufbahn durchgerasselt (was sich die L-IZ wohlweislich verkniffen hat so zu schreiben) und auch sämtliche 1.656 Bewerber für den gehobenen Dienst.

Eines, was die Zahlen zeigen, stimme natürlich, bestätigt Silvaine Reiche: Der Wettstreit um den geeigneten Nachwuchs ist schärfer geworden. Nicht nur in Konkurrenz zur freien Wirtschaft, sondern auch zu anderen Ausbildungsangeboten der Polizei in den anderen Bundesländern und auch bei der Bundespolizei. “Viele Bewerber haben sich parallel bei mehreren Behörden beworben”, so Reiche. Sachsen hatte da oft genug das Nachsehen. Auch was zwei simple organisatorische Gründe hatte.

“Das haben wir jetzt geändert”, sagt Reiche. Das eine war der Studienbeginn für den gehobenen Dienst, der bislang immer im April lag. Für viele Bewerber war das natürlich unattraktiv, wenn sie gleich nach Abitur, Zivil- oder Wehrdienst im Herbst ein Anschlussstudium wollten. Damit verbunden war eine Verkürzung der Studiendauer von 3 1/2 auf 3 Jahre.

Wobei, betont die Team-Leiterin auch, bei den Bewerbungen für den gehobenen Dienst bislang noch keine Engpässe auftauchten. Hier stellt Sachsen jedes Jahr zwischen 75 und 80 junge Leute ein, eine Zahl, die auch 2014 problemlos abgesichert werden konnte. Immerhin hatten 120 Bewerberinnen und Bewerber das Auswahlverfahren bestanden. Eine Zahl, die in der Auskunft an Valentin Lippmann fehlte.

Die Zahlen, die sie noch einmal sortiert hat, zeigen natürlich, dass Sachsens Polizei längst mittendrin ist im Wettstreit um die jungen Leute, die klugen – und das betont auch Silvaine Reiche – die fitten. Wer körperlich nicht auf der Höhe ist, hat keine Chancen, das Auswahlverfahren bei der Polizei zu bestehen.

Beworben hatten sich für den gehobenen Dienst 1.656 junge Leute. “Wobei ich betonen muss, dass es bei uns nur das Online-Bewerbungsverfahren gibt”, sagt Reiche. “Das macht es leichter, eine Bewerbung zu schicken.” Das sorgt aber auch dafür, dass viele Bewerber dann trotzdem nicht zum Auswahlverfahren erscheinen, weil sie eben oft mehrere (Online)Bewerbungen gestartet haben. Viele sagen auch nicht einmal ab, wenn sie dann eingeladen werden. Von den 1.656 Bewerbern zum gehobenen Dienst erschienen 758 nicht zum Auswahlverfahren. 159 wurden nicht eingeladen, weil ihre persönlichen Voraussetzungen nicht stimmten (Alter, Größe, Schulabschluss usw.)

Blieben noch über 700, die sich ins Auswahlverfahren für den gehobenen Dienst wagten. 166 von ihnen sagten während des Auswahlverfahrens noch ab. Tatsächlich nicht bestanden haben am Ende 449, bestanden rund 120. Was genug waren, um die notwendigen Neueinstellungen von 80 abzusichern. Wer nicht gleich unter den 80 war, kam auf eine Nachrückerliste. Die Besten auf dieser Liste werden angesprochen, wenn doch noch ein Platz an der Polizeihochschule frei bleibt.

Etwas prekärer lief das Verfahren 2014 freilich bei den Bewerbern für den mittleren Dienst. Da wollte der Freistaat 2014 immerhin 250 junge Leute einstellen. Nicht irgendwelche. Auch für den mittleren Dienst sind die Ansprüche an schulische Leistungen und körperliche Fitness hoch.

Die große Werbe-Kampagne “Verdächtig gute Jobs” wurde erst danach gestartet. Aber das Ergebnis des Auswahlverfahrens 2014 war einer der wesentlichen Gründe für die große Kampagne. Denn 2013/2014  hatten sich zwar 2.906 Personen für die Laufbahngruppe 1.2 (gehobener Dienst) online beworben. Aber hier hatten schon 974 nicht die nötigen persönlichen Voraussetzungen. 699 erschienen dann ohne Angabe von Gründen nicht zum Auswahlverfahren.

Von den rund 1.200, die dann noch übrig blieben, haben 196 noch während des Auswahlverfahrens abgesagt. 796 haben das Auswahlverfahren nicht bestanden. Was schon heftig ist und was die Ausbilder sehr ins Nachdenken brachte über den nötigen Nachwuchs. Denn 250 Einstellungen im Jahr, das wusste man ja längst, waren auf Dauer viel zu wenig, um die Arbeitsfähigkeit der sächsischen Polizei zu erhalten. Ab 2015 steigt der Einstellungskorridor für den Mittleen Dienst ja deswegen von 250 auf 325.

Und da tat sich die Lücke auf. Denn 2014 war es zum ersten Mal nicht gelungen, die volle Anzahl von 250 Bewerbern in die Polizeiausbildung für den mittleren Dienst aufzunehmen. “241 waren es am Ende, die eine Ausbildung aufgenommen haben”, sagt Reiche. Das waren neun zu wenig.

Logisch, dass an diesem Punkt etwas getan werden musste, um für das Bewerberjahr 2014/2015 vorzusorgen. Deshalb gab es dann im Sommer die direkt für junge, polizeiaffine Menschen zugeschnittene Werbe-Kampagne “Verdächtig gute Jobs”. “Und die ist voll eingeschlagen”, sagt Silvaine Reiche. “Wir konnten unsere Bewerberzahlen um 91 Prozent steigern.”

Ob das am Ende reicht, um statt 250 dann 325 geeignete Bewerberinnen und Bewerber für die Laufbahngruppe 1.2 zu finden, wird nun das Auswahlverfahren zeigen.

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