Sie ist ein Unding aus dem Jahr 1939: die so genannte Stellplatzpflicht. Wer seitdem Wohnungen baut, muss auch Stellplätze für Autos nachweisen und bauen. Wenn das nicht möglich ist, muss der Bauherr eine Stellplatzablösegebühr an die Stadt zahlen. Die davon gern und groß neue Parkhäuser baut. Ein Unding in Zeiten der von Pkw überquellenden Städte - finden nicht nur die Grünen.

Dieser Zwang, Stellplätze zu finanzieren, macht Bauen unnötig teuer. Und es zwingt Bauherren geradezu dazu, wertvollen Stadtraum für Parkflächen zu opfern und echte Lebens- und Wohnalternativen überhaupt anzudenken. An dem Dilemma scheitern in Leipzig auch regelmäßig Visionen, autofreie Wohnquartiere zu schaffen.

Aber selbst in der sächsischen Regierung hat man mittlerweile eingesehen, dass dieses Gesetz aus dem Jahr 1939 überfällig ist.

“Aus dem Innenministerium und der CDU-Fraktion wurde schon in der letzten Wahlperiode signalisiert, dass auch sie die landesweite Stellplatzpflicht abschaffen wollen. Doch trotz dieser Ankündigung hat Innenminister Markus Ulbig bisher keine Novelle der Bauordnung vorgelegt”, erklärt dazu Eva Jähnigen, kommunalpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. “Wegen der langen Übergangszeit – die Kommunen müssen ja Satzungen erlassen können – darf diese Reform aber nicht auf die lange Bank geschoben werden.”

Dabei haben die anderen Bundesländer dieses teure und überflüssige Gesetz längst entsorgt. Manche haben den Kommunen frei gestellt, so eine Gebühr zu erheben. Aber Sachsen kleckert auch bei diesem Thema hinterher. Also hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt einen Gesetzesentwurf zur Aufhebung der landesweiten Stellplatzpflicht vorgelegt.

“Wir wollen die generelle Pflicht der Bauherren zur Schaffung von Stellplätzen für Autos abschaffen. Dieser noch aus der ‘Reichsgaragenordnung’ von 1939 stammende Zwang wird der Situation in den sächsischen Städten und Gemeinden nicht mehr gerecht”, kommentiert Jähnigen den Gesetzentwurf zur Änderung der sächsischen Bauordnung. Sachsen ist das letzte Bundesland mit landesweiter Stellplatzpflicht. “Wir wollen die Kosten beim Wohnungsbau so deutlich senken. Der aktuelle Zwang zum Tiefgaragenbau bzw. zur Zahlung der Ablösegebühr treibt die Baukosten und damit auch die Mieten in die Höhe. Besonders in innerstädtischen Quartieren ist die Stellplatzverordnung ein Kostentreiber. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet dort je nach Bodenbeschaffenheit und Zufahrtsmöglichkeiten ca. 15.000 bis 30.000 Euro, bis zu 10.000 Euro kostet die Ablösegebühr. Diese Kosten können die Mietkosten bis zu 100 Euro pro Monat und Wohnung erhöhen.”

Und das Uralt-Gesetz aus einer Zeit, als die private Motorisierung noch in den Kinderschuhen steckte, behindert mittlerweile gerade die Entwicklung in den Großstädten, wo sich die verschiedensten Verkehrsarten auf engstem Straßenraum drängen. Laut Sächsischer Bauordnung müssen nach wie vor Stellplätze auf dem eigenen Grundstück oder auf einem privaten Grundstück in der näheren Umgebung geschaffen werden. Was im ländlichen Raum aufgrund der günstigeren Platzverhältnisse in der Regel problemlos realisierbar ist, kann in Städten zu einem Problem werden. Zum Teil können die Stellplätze gar nicht oder nur mit hohem Aufwand auf dem Grundstück geschaffen werden, weil der Platz nicht ausreicht. Oft ist die Herstellung wirtschaftlich nicht zumutbar oder das Grundstück könnte durch die Parkplätze nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Fälle wurde die Möglichkeit der sogenannten Stellplatzablöse geschaffen. Danach wird für jeden Stellplatz, der nicht eingerichtet werden kann, ein Geldbetrag (Ablösebetrag) an die Gemeinde gezahlt. Die Höhe der Ablösebeträge richtet sich nach Art der Nutzung und Lage des Gebäudes und darf maximal 10.000 Euro betragen.

“Dabei brauchen viele Menschen gerade in Leipzig oder Dresden keine privaten Autoparkplätze mehr, dafür aber bezahlbaren Wohnraum”, benennt Jähnigen die eigentlichen Prioritäten der Gegenwart. “Es ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, Menschen zum Nachweis einzelner Autostellplätze zu zwingen, wenn sie Fahrrad, öffentlichen Verkehr oder Carsharing nutzen wollen.”

Nach dem Gesetzentwurf der Grünen soll die Möglichkeit, selbst differenzierte Vorschriften zu Stellplatzpflichten für Autos und Fahrräder in ihrem Gebiet oder Gebietsteilen als Satzung zu erlassen, vom Freistaat auf die Städte und Gemeinden übergehen.

“Wo Bedarf an Stellplätzen für Autos und Räder oder Ablösemaßnahmen besteht, weiß man vor Ort am besten. Das stärkt die gemeindliche Selbstverwaltung und macht die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Stadt- und Verkehrsplanung attraktiv”, merkt die Grünen-Abgeordnete an und benennt auch das immer wichtiger werdenden Thema der Wohn- und Lebensqualität in den Städten. “Wenn weniger Flächen versiegelt werden müssen, verbessert sich aber auch die Aufenthaltsqualität auf Straßen, Plätzen und Höfen. Dass sich der Verkehrsanteil in den sächsischen Großstädten zugunsten des ÖPNV und des Radverkehrs entwickelt hat, muss sich auch darin niederschlagen, dass weniger Flächen für PKW-Stellplätze verbraucht werden.”

Die Parksituation für Fahrräder und Kraftfahrzeuge sei eben in großen und kleinen Gemeinden sehr verschieden. Wohnprojekte könnten künftig auch ohne den Zwang zur Schaffung von Stellplätzen oder einer Stellplatzablöseabgabe realisiert werden. Jähnigen: “Autoarmes oder autofreies Wohnen wird möglich und Kosten werden gespart.”

Der Gesetzentwurf zur Aufhebung der Stellplatzpflicht wird am Donnerstag, 30. April, in den Landtag eingebracht. Die Intention einer gesetzlichen Neuregelung in Sachsen wird vom Sächsischen Landkreistag, dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag und der sächsischen Wohnungswirtschaft geteilt.

Gesetzentwurf der Grünen zur Aufhebung der Stellplatzpflicht (Drs 6/1392).

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