Mindestens 650.000 Flüchtlinge kündigt die Bundesregierung für 2015 an, wahrscheinlich werden es sogar 750.000. Im Ankündigen ist sie gut. Aber wie steht es mit dem Geld? Ist die Bundesrepublik, ist Sachsen überhaupt gewappnet für das, was da an Aufgaben auf die Kommunen zukommt? Jeder Blick in TV und Zeitungen zeigt: Nein. Man ist nicht gewappnet. Selbst Leipzigs OBM Burkhard Jung platzt so langsam die Hutschnur.

„Wir brauchen bessere Abstimmungen und einen kürzeren Informationsaustausch, um die Unterbringung der tausenden von Menschen, die bei uns Zuflucht und Schutz suchen, zu verbessern“, sagte er am Mittwoch, 19. August. Seit Tagen beschäftigt die in aller Eile organisierte Unterbringung von Flüchtlingen in der Ernst-Grube-Halle die Stadt. Neu ist die völlig unangemeldete Nutzung der Sporthalle der HTWK als Flüchtlingsunterkunft, nachdem das Zeltlager in Chemnitz in aller Eile aufgelöst wurde.

Und Burkhard Jung wurde für seine Verhältnisse sehr deutlich, was die Abstimmung betrifft: Vor allem aber brauche es Ehrlichkeit und Verlässlichkeit in der Abstimmung. „Was in gemeinsamen Gremien besprochen wird, muss gelten, und was dort nicht besprochen wird, kann hinterher nicht aus dem Hut gezaubert werden.“ Es bedürfe zwingend des regelmäßigen und verbindlichen Gesprächs zwischen den Verantwortlichen des Freistaats und den Kommunen vor Ort, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Das ist – mit sehr viel Zurückhaltung formuliert – eine sehr deutlich Kritik am Agieren der Landesbehörden.

Dabei klang das am 17. August geradezu wie eine Geldschwemme für die Kommunen, die am Ende die steigende Zahl von Asylsuchenden unterbringen müssen. “Landkreise und Kreisfreie Städte erhalten zusätzlich 3 Millionen Euro für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen”, meldete die Landesdirektion Sachsen. “Die Landesdirektion Sachsen hat den zehn Landkreisen und drei Kreisfreien Städten im Freistaat insgesamt 3,0 Millionen Euro für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen bewilligt. Diese Mittel werden den genannten Kommunen zusätzlich zur regulären Kostenerstattung in Höhe von 7.600 Euro je Person und Jahr im Rahmen einer Bedarfszuweisung zur Verfügung gestellt.”

Für Leipzig bedeutet das zusätzlich 392.908 Euro. “Die Bedarfszuweisung geht auf die vom Sächsischen Landtag am 29. April 2015 beschlossene Änderung des Sächsischen Finanzausgleichsgesetzes zurück. Ziel ist es, die Landkreise und Kreisfreien Städte bei den Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen finanziell zu entlasten”, hatte die Landesdirektion noch betont.

Nicht mal 400.000 Euro für Leipzig? Das fängt die jetzt nötigen Finanzierungen nicht ansatzweise auf. Denn man kann die zusätzlich zur Unterbringung nach Leipzig gekommenen Menschen nicht einfach in Zelten unterbringen. Mit 1.250 Zuweisungen hatte Leipzig ursprünglich gerechnet. 3.000 werden es am Ende  – mindestens.

Eine Unterbringung von mehr als 400 Menschen in der Ernst-Grube-Halle halte er für eine absolute Notlösung. „Hier kann der Freistaat besser sein“, sagte Jung. Die Stadt Leipzig wolle so lange wie irgend möglich darauf verzichten, Flüchtlinge in Turnhallen unterzubringen. Und auch das Land habe in Leipzig geeignete Liegenschaften, wie beispielsweise das ehemalige Kinderkrankenhaus in der Oststraße, die sich deutlich besser zur Unterbringung von Flüchtlingen eigneten. Durch den räumlichen Zuschnitt sei die Klinik geradezu ideal, um Privatsphäre und die Versorgung zu gewährleisten.

Und flankiert wird das Engagement der Kommune in Leipzig durch eine Welle der Hilfsbereitschaft und des freiwilligen Engagements. Nur scheinen die zuständigen Instanzen des Landes völlig überfordert damit, jetzt die nötigen Schritte zu unternehmen. Am Geld kann es nicht liegen. Sachsen ist eines der Bundesländer, die genug Geld im Sparstrumpf haben, in so einer Situation wirklich energisch in die Schaffung menschenwürdiger Unterkünfte zu investieren.

Aber dazu sind 3 Millionen Euro fürs ganze Land viel zu wenig. Darauf wies auch Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew am Dienstag, 18. August, in der LVZ hin. Mit Kosten von 33 Millionen Euro rechnet er in diesem Jahr. 2014 waren es noch 17,7 Millionen Euro gewesen. 21,8 Millionen kämen von Land und Bund. Aber den Rest der Summe muss die Kommune selbst aufbringen. Also 11 Millionen Euro in diesem Jahr, im nächsten rechnet Bonew mit 15 Millionen.

Und das Geld fließt nicht nur in die Betreuung der Asylsuchenden, es muss auch verstärkt in die Schaffung neuer Unterkünfte investiert werden. Ein Thema, bei dem Land und Kommunen sogar Hand in Hand arbeiten müssten. Aber da mangelt es auffällig. Die Idee, in Dresden und Chemnitz Zeltstädte zu errichten, war nicht mal eine Notlösung, eher Zeichen dafür, dass es an einer professionellen Steuerung im zuständigen Ministerium völlig fehlt.

Das hatten auch die Grünen kritisiert: “Obwohl die nun eingetretene Situation absehbar war, gab es erneut keine ausreichende Kommunikation mit den Kommunen, den Hilfsorganisationen und den Betroffenen. Die überstürzte abendliche Evakuierung spricht gegen ein planvolles Vorgehen und legt das Versagen der Staatsregierung und des zuständigen Ministeriums offen”, erklärte am Mittwoch der Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek. “Seit geraumer Zeit entsteht der Eindruck, dass die Staatsregierung die Situation nicht mehr im Griff hat. Weder ist sie in der Lage, Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen, noch deren Sicherheit zu garantieren oder durch gezielte Kommunikation die Helfer zu unterstützen.”

Aber so langsam kommt die Dramatik wenigstens bei der mitregierenden SPD an: Die trifft sich am heutigen Donnerstag, 20. August, um 14 Uhr zur Sondersitzung zum Thema Asyl.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Es gibt 6 Kommentare

Und das kann man nicht nur mit Überbelegung rechtfertigen. Torleranz gegenüber Andersgläubigen ist in manchen Kulturkreisen gleich Null. Es kann aber nicht sein, dass wir nur tolerant sein sollen. Es gehören immer 2 Seiten zu einer Medaille.

Wenn es daran scheitert, weil nationale Egoismen und Ressentiments eine gemeinschaftliche, gerechte und solidarische Lösung verhindern, ist das noch schlimmer als das Versagen bei der Bewältigung der Euro-/Griechenlandkrise…

Das sind sie, diese Sätze, die zwar menschlich verständliche sind, aber letztlich utopische Vorstellungen beinhalten. Die Umsetzung dieser Vorstellungen wird gnadenlos scheitern – am Geld. Die kommunalen Mittel sind begrenzt. In den meisten europäischen Länden knabbern die Kommunen am Hungertuch.

Die Unternehmen werden in Deutschland, Europa und den USA, welche der Hauptverursacher dieser Völkerbewegung ist, keinen Finger rühren, um diesbezüglich zusätzliches Geld in riesigen Größenordnungen bereit zu stellen. Billige gut ausgebildete Arbeitskräfte nehmen die natürlich gerne – aber nur die.

Mittlererweile werden 800.000 als zu erwartende Zahl für 2015 gehandelt. Bei 80 Mio Ew. in D kommen also auf 100 Ew. ein Flüchtling. Bei gleichmäßiger Verteilung kann L also ca. 5.400 Flüchtlinge erwarten…

Die Flüchtlingsfrage kann nicht länger auf kommunaler oder Landesebene gelöst werden. Selbst die nationale Ebene ist da nicht ausreichend. Europa muss einen Plan entwickeln, wie es mit den Millionen Flüchtlingen umgehen will, die – so oder so – auf den Kontinent drängen. Wenn es daran scheitert, weil nationale Egoismen und Ressentiments eine gemeinschaftliche, gerechte und solidarische Lösung verhindern, ist das noch schlimmer als das Versagen bei der Bewältigung der Euro-/Griechenlandkrise…

Eine sehr guter Beitrag, Er zeigt deutlich die “Wunde” auf, die mehr als schmerzlich ist. Bisher hat diese kleine Wunde scheinbar keinen interessiert, weil die humanitäre Brille alle Sinne vernebelt hat. Deutschland ist doch eines der reichsten Länder der Welt! Geld ist doch unendlich vorhanden. Aber beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.

Nun ist aus dieser Wunde eine knallhart vorhersehbare sehr ernste Verletzung entstanden. Wenn der soziale Frieden in Deutschland nicht gefährdet werden soll, dann muss schnellstens ein Umdenken erfolgen. Es werden beispielsweise in wenigen Wochen besonders hoch verschuldete Kommunen die weitere Aufnahmen von Flüchtlingen ablehnen, weil sie finanziell, materiell und personell ihre Grenzen erreicht haben, was längst der Fall ist.

Wer aus diesen wenigen Zeilen in mir einen Ausländerfeind erkennt, der sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob er sich nicht doch einmal einige Sitzungen einer psychotherapeutischen Behandlung gönnt, um nicht weiter in einer Traumwelt zu leben, die uns gegenwärtig von Medien und Politikern vorgegaukelt wird. Die Quittungen dafür werden u. a. bei den nächsten Wahlen ausgeschrieben.

Schreiben Sie einen Kommentar