Da dürfte sich der Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Gerd Lippold ein wenig wie seine Kollegen aus der Innenpolitik gefühlt haben: Gleich zwei Anfragen an die Sächsische Staatsregierung zu Sachsens Kohlekraftwerken bekam er im September nicht beantwortet. Und was ihn am meisten verblüfft haben dürfte: Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) macht es jetzt genauso wie Innenminister Markus Ulbig (CDU).

Statt die Fragen zu beantworten oder die Möglichkeiten der Regierung zu nutzen, die Antworten von den Kraftwerksbetreibern zu bekommen, serviert er dem neugierigen Abgeordneten den wohl mittlerweile standardisierten Sermon, in dem die Regierung erklärt, dass sie zu allem, was nicht ihre eigene Tätigkeit betrifft, keine Auskunft mehr gibt. Oder genauer, wie es auch in der Auskunft steht: “Gemäß Artikel 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.”

Also eigentlich nicht der der Regierung, sondern der des Landtages. Aber wie soll der seine Aufgaben erfüllen, wenn die Regierung mauert?

Ein Paragraph, den Duligs Amtsvorgänger Sven Morlok (FDP) noch ganz anders auslegte. Auch wenn auch er ein großer Verfechter der sächsischen Kohleverstromung war und ist, hat er es dennoch nicht abseits seiner Aufgabenerfüllung gesehen, über die Arbeit der sächsischen Tagebau- und Kraftwerksunternehmen auf dem Laufenden zu sein.

Mehrfach hat sich Martin Dulig in den letzten Monaten zum Thema Braunkohleverstromung und Braunkohletagebaue zu Wort gemeldet und den Erhalt der Braunkohleverstromung zur Sicherung der Grundversorgung als notwendig bezeichnet. Besonders deutlich hat er sich in der Debatte um die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagene “Klimaabgabe” zu Wort gemeldet. In einer gemeinsamen Pressemeldung der Energieminister aus Brandenburg und Sachsen hieß es dazu: “Beide Minister hoben hervor, dass sie sich weiterhin intensiv bemühen werden, Vattenfall beim Verkauf seiner Braunkohlesparte zu unterstützen und so den Menschen in der Region eine verlässliche Perspektive zu bieten.”

Am 26. Juni hatte er angekündigt, mit dem möglichen Käufer der Vattenfall-Braunkohlesparte so schnell wie möglich sprechen zu wollen. „Wir wollen dann mit dem neuen Eigentümer zügig über die Zukunft der Braunkohle in der Lausitz sprechen”, sagte er.

Aber wie will das ein Minister tun, der über Fördermengen in den Tagebauen Nochten, Reichwalde und Vereinigtes Schleenhain nichts weiß? Und auch nichts über die Kohlemengen, die in den Kraftwerken Boxberg, Lippendorf und dem Heizkraftwerk Nord in Chemnitz gebraucht und verbrannt werden?

Denn genau danach hatte Lippold gefragt, genauso, wie er ein Jahr zuvor den damaligen Wirtschaftsminister gefragt hatte.

Denn nur eine Regierung, die weiß, wieviel Kohlebedarf die heimischen Kraftwerke tatsächlich noch haben und wie hoch die aktuellen Fördermengen sind, kann überhaupt Aussagen treffen zu notwendigen Tagebauaufschlüssen. Auch das ein Thema, zu dem Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Albrecht Gerber und Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig am 8. Juli offiziell Stellung genommen haben. Gerber widersprach damals der Aussage der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die Braunkohlekraftwerke würden bis 2045 vom Netz gehen und neue Tagebauaufschlüsse gar nicht nötig sein. Er nannte keine Zahlen, begründete also seine Behauptung nicht weiter. Und Martin Dulig unterstellte der Bundesministerin einfach mal, sie würde die Braunkohlefrage wie eine Glaubensfrage behandeln: “Ob und wie lange wir die Braunkohle zur Energieerzeugung noch benötigen, war für Sachsen nie eine Glaubensfrage, sondern davon abhängig, ob und wie schnell wir alternative Energieformen grundlastfähig machen können. Beim Thema Braunkohle geht es um energiepolitische Vernunft. Glaubensäußerungen von Frau Hendricks zu Zeiten der Verkaufsgespräche von Vattenfall, sind für die Suche nach einem Käufer und für die betroffenen Menschen in der Lausitz wenig hilfreich und schwer vermittelbar.“

Auch er nannte keine Fakten.

Und seine Nicht-Antworten an Gerd Lippold deuten darauf hin, dass er auch keine hat, dass er die Interessen der sächsischen Kohleindustrie wie eine Black Box behandelt und sogar riskiert, von den Veränderungen überrollt zu werden. Denn in der Politik gilt nun einmal nicht: “Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.”

Das Gegenteil gilt: Wenn Sachsens Staatsregierung nichts über den Zustand der Kohlewirtschaft weiß, fährt sie nur noch auf Sicht und kann tatsächlich nicht für den Tag vorsorgen, an dem die Meiler ausgehen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind. Das steckt zum Beispiel auch in der Frage 4 von Dr. Gerd Lippold: “Welche elektrische Energie wurde im Zeitraum Oktober 2014 bis August 2015 erzeugt? Bitte monatlich für die einzelnen Kraftwerke aufschlüsseln.”

Denn wenn er das weiß, kann auch der Minister einschätzen, ob das Kraftwerk noch kostendeckend arbeitet und für die von ihm beschworene Grundlast notwendig ist oder nicht.

Aber lieber machte er dem Grünen-Abgeordneten klar, dass ihn seine Sichtweise auf Sachsens Kohle nicht interessiert. Das hat schon etwas Tragisches an sich.

Dasselbe trifft auf seine denkbar knappe Antwort zu Schadstoffen und Reststoffdeponien der Kohlekraftwerke zu: “Im Freistaat Sachsen werden keine Kraftwerksreststoffdeponien betrieben.” Vielleicht hätte er die Antwort doch lieber dem Umweltminister überlassen sollen, denn mit der Schadstoffbelastung der sächsischen Umwelt muss sich die Regierung ja doch beschäftigen. Und was nicht herausgefiltert wird, wird in die Luft geblasen.

Die nicht beantwortete Frage zu Kohleförderung und Kraftwerksbbedarf.

Die nicht beantwortete Frage zu Schadstoffdeponien.

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