Immer unsicherer wird, ob der Kohlekonzern Leag die Rekultivierung der Tagebaue in de Lausitz nach dem Ende des Kohleabbaus überhaupt bezahlen kann. Oder will. Das befürchtet zumindest Greenpeace, das den Konzernumbau innerhalb der Leag mit zunehmender Besorgnis beobachtet. Im Dezember 2024 hatte die Abgeordnete der Linken im Sächsischen Landtag, Luise Neuhaus-Wartenberg, deshalb schon einmal besorgt bei der Sächsischen Staatsregierung nachgefragt. Doch die hatte abgewiegelt und kein Problem sehen wollen.
„Die Sächsische Staatsregierung hat die Transformation der LEAG-Gruppe im Hinblick auf die damit verbundenen Auswirkungen zur Erfüllung der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen (Erhalt der Leistungsfähigkeit) im Jahr 2024 in Fachgesprächen begleitet“, teilte das Wirtschaftsministerium auf ihre Anfrage hin mit.
„Hierbei haben die LEAG und ihre Gesellschafter die Umstrukturierung mit dem Ziel der Entwicklung neuer Geschäftsfelder in ESG-konforme Unternehmenssäulen vorgestellt. Dabei wurde die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der LEAG-Gruppe unter dem Gesichtspunkt der Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen erörtert. Der Sächsischen Staatsregierung liegen zu Finanztransaktionen der EPH- und PPF-Gruppe keine Kenntnisse vor.“
ESG steht für Environmental Social Governance.
Aber wenn Sachsens Staatsregierung „keine Erkenntnisse vorliegen“, bedeutet das ja nicht, dass sie nicht gerade die Kontrolle über die Entwicklung im Bergbaugebiet verliert. Oder auch nie gehabt hat. Denn die Prozesse, die Greenpeace so argwöhnisch beobachtet, passieren innerhalb des Lausitzer Energiekonzerns Leag.
Wahrscheinliche Rekultivierungskosten: 5,4 Milliarden Euro
Und der aktuelle Konzernumbau verschiebe Milliardenrisiken aus dem Braunkohlegeschäft auf die Allgemeinheit, schätzt das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace und dem Umweltnetzwerk Grüne Liga in einer aktuellen Analyse ein. Die neu gegründete Lausitz Energie Verwaltungs GmbH (LE-V) soll demnach das künftig unrentable Braunkohlegeschäft übernehmen, um die Bilanzen der anderen Sparten zu entlasten. Doch der LE-V fehle die nötige Kapitaldecke, eine gesicherte Finanzarchitektur und die rechtlich gesicherte Haftung durch den tschechischen Mutterkonzern EPH im Insolvenzfall, so Greenpaece.
„Die Analyse belegt unsere Befürchtungen“, sagt René Schuster vom Umweltnetzwerk Grüne Liga: „Das Abspalten milliardenschwerer Vermögenswerte bei der Leag-Neustrukturierung hinterlässt eine Bad Bank – ohne ausreichende Absicherung für Rekultivierungskosten in Milliardenhöhe.“
Die FÖS-Analyse basiert auf einer Werthaltigkeitsbescheinigung der Leipziger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Flascha GmbH, die im Rahmen der geplanten Umstrukturierung beim Unternehmensregister einging. Bislang hielt die Leag die tatsächliche Höhe der kalkulierten Folgekosten für die Rekultivierung unter Verschluss. Die Werthaltigkeitsbescheinigung beziffert sie nun erstmals. Demnach fallen für die Leag zukünftig Kosten in Höhe von 5,4 Milliarden Euro an.
Wo ist der finanzielle Puffer?
Dass die Leag diese konservativ geschätzte Summe tatsächlich aufbringen könne, sei unwahrscheinlich, schätzt das Gutachten ein. Nach eingehender Prüfung der Wirtschaftsdaten schlussfolgert das FÖS, dass „[u]nsichere Einnahmen sehr hohen und langfristigen Kosten gegenüber [stehen], ohne ausreichenden finanziellen Puffer und ohne Haftung des Mutterkonzerns im Insolvenzfall“.
Zu den zentralen Risiken zählen: Ein Großteil der Kosten fällt erst nach 2050 und damit lange nach dem beschlossenen Kohleausstieg an. Auch die angenommene jährliche Preissteigerung von nur 1,62 % ist unrealistisch niedrig. Potenzielle Ewigkeitslasten seien kaum abschätzbar, und die pauschale Risikovorsorge von 282 Millionen Euro sei deutlich zu gering.
Im Zuge der Umstrukturierung hat die Leag ertragreiche Geschäftsfelder – insbesondere die der erneuerbaren Energien – in haftungsfreie Tochtergesellschaften ausgegliedert. Zurück bleibt ein Kohlekonzern mit drastisch reduziertem Eigenkapital: über 80 Prozent weniger bei der Lausitz Energie Bergbau AG, rund 50 Prozent weniger bei der Lausitz Energie Kraftwerke AG. Damit wachse die Gefahr einer Insolvenz, die dazu führt, dass nach dem Kohleausstieg die öffentlichen Kassen einspringen müssen – ganz entgegen dem Verursacherprinzip, befürchtet Greenpeace.
Ungedeckte Rekultivierungskosten von 5 bis 10 Milliarden
Die Umweltorganisation Greenpeace hat die Oberbergämter von Brandenburg und Sachsen, sowie die Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) im Juni über die Anwaltskanzlei Günther aufgefordert, bei der anstehenden Umstrukturierung der Leag-Gruppe Gläubigerschutz zu beantragen. Greenpeace-Schätzungen gehen eher von 10 Milliarden Euro Kosten und einem Rekultivierungszeitraum bis Mitte des 22. Jahrhunderts aus.
„Die Umstrukturierung der Leag ist ein Paradebeispiel, wie ein Unternehmen Profite privatisiert und Kosten sozialisiert“, sagt Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid. „Dietmar Woidke und Michael Kretschmer dürfen nicht zusehen, wie die Leag den Steuerzahlenden unbehelligt die Kosten ihrer schmutzigen Geschäfte übertragen.“
Das Sächsische Wirtschaftsministerium jedenfalls gab sich im Dezember noch verblüffend entspannt: „In den in der Antwort zu Frage 1 genannten Fachgesprächen haben die Unternehmen der LEAG-Gruppe und ihre Gesellschafter die Transformations- und Umstrukturierungspläne vorgestellt.
Diese Pläne bestätigen nach Aussage der Unternehmen der LEAG – Gruppe, dass die notwendige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Erfüllung der Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen weiterhin erhalten bleibt.
Unabhängig davon hat der Freistaat Sachsen bereits seit 2018 mit der LEAG eine Vorsorgevereinbarung zur Sicherung der Wiedernutzbarmachungs- sowie etwaiger Nachsorgeverpflichtungen für die Tagebaue Nochten und Reichwalde abgeschlossen, die auf eine ausreichende Vermögensausstattung und Liquidität im Hinblick auf die Erfüllung der Wiedernutzbarmachungs- sowie etwaiger Nachsorgeverpflichtungen abstellt.“
Doch dass das ausreichen wird, um Milliarden-Folgekosten für Sachsen zu vermeiden, bezweifelt Greeenpeace.
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