Im Grunde könnten wir über diese Geschichte wie schon 2012 schreiben: „Sächsischer Meldedatenhandel: Regierung hat nicht mal eine Übersicht über das Ausmaß." Damals antworteten viele Kommunen einfach auf die Nachfrage der Staatsregierung nicht, wie viel Geld sie mit dem Verkauf der Daten ihrer Bürger an diverse Parten, Privatfirmen und Rundfunkanstalten einnahmen. Rund 1 Million Euro nannte der Minister damals.

Zumindest war das die Summe aus den Antworten der Kommunen, die Angaben gemacht haben. Innenminister Markus Ulbig machte weder damals noch jetzt nach neuerlicher Anfrage des linken Landtagsabgeordneten André Schollbach Angaben dazu, welche Kommunen keine Antwort gegeben haben, ob etwa die Großstädte Dresden und Leipzig dabei waren – oder nicht. Wobei die Vermutung naheliegt, dass mindestens einer von beiden nicht mitgemacht hat. Denn im Leipziger Stadtrat gab es dazu seinerzeit die Auskunft, dass Leipzigs Meldebehörde eine runde halbe Million Euro jährlich erlöst mit dem Verkauf von Melderegistereinträgen. Das wäre schon die Hälfte der rund 960.000 Euro, die Markus Ulbig nun als Ergebnis der im Jahr 2015 erfolgten Verkäufe angibt.

Mit der deutlichen Einschränkung: „Die Antwort basiert auf Rückmeldungen von rund 90 Prozent der sächsischen Meldebehörden, von denen wiederum nicht alle die Frage vollständig, d. h. alle Fragegegenstände, beantwortet haben.“

Auch so kann man eine Nicht-Auskunft formulieren. Und natürlich so beiläufig formulieren, das Sachsens Meldebehörden zwar eifrig Daten verkaufen, wenn jemand anfragt, der Geld hinblättert, auf Regierungsanfragen aber zumeist mit Ausreden reagieren – etwa der fehlenden Erfassung dieser Vorgänge. Was schon 2012 ein Witz war, denn in jeder Kommune muss jede finanzielle Transaktion akribisch erfasst werden. Der zuständige Mitarbeiter würde wahrscheinlich nur eine halbe Stunde in der Registratur beschäftigt sein, um die Posten auszulesen.

Aber da das Innenministerium sichtlich keinen erhöhten Druck aufbaut und einmal eine Kompletterfassung dieser Vorgänge haben möchte, bleibt die Sache genau in dem Zustand, in dem sie deutsche Behörden wohl haben wollen: in einem nebulösen.

Und jetzt sind wir einfach mal frech und nehmen die Zahl, die für Leipzig 2012 genannt wurde, und rechnen sie auf die sächsische Bevölkerungszahl hoch in der Annahme, dass Datenkäufer an den Daten aller in Sachsen Lebenden gleichermaßen interessiert sind.

Für das Jahr 2011 hatte die Stadt seinerzeit eine Einnahme von 462.000 Euro aus dem Verkauf von Melderegisterdaten genannt. Die Zahl multiplizieren wir einfach mal mit 7,45 (so oft passt Leipzigs Bevölkerungszahl in die des Freistaats Sachsen) und kommen auf einen Wert von 3,44 Millionen Euro.

Was in der Konsequenz heißt: Viel wahrscheinlicher ist, dass Sachsens Kommunen mit dem Verkauf dieser Daten eher 3 Millionen Euro eingenommen haben als nur 1 Million, in Wahljahren vielleicht etwas mehr, in den Jahren dazwischen etwas weniger. Nur reden wollen sie darüber ungern. Es muss ihnen doch irgendwie peinlich sein.

Die Anfrage von André Schollbach zu den Einnahmen sächsischer Kommunen aus Melderegisterauskünften.

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