Es klingt ja ganz lustig, wenn der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, den sächsischen Innenminister mal nach Fremdsprachenkenntnissen fragt. Nicht unbedingt seinen eigenen, sondern denen der 180 Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz. Aber die Nachfrage war durchaus ernst gemeint. Denn da war doch was mit „Islamismus und Ausländerextremismus“?

Die Definitionen, mit denen das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz arbeitet, sind freilich hahnebüchen. Das geht schon mit der Zieldefinition für den Ausländerextremismus los, denn dazu wird eine politische Bewegung, wenn sie das Ziel hat, „die in den jeweiligen Herkunftsländern herrschende Gesellschaftsordnung, zunehmend aber auch jene in Deutschland, abzuschaffen und sie durch eine Ordnung zu ersetzen, die der Ideologie der jeweiligen extremistischen Organisation entspricht“.

So geraten eben auch viele Emigranten ins Beobachtungsraster des Verfassungsschutzes, die natürlich die Diktaturen in ihren Heimatländern abschaffen wollen.

Das Gequirle geht weiter, wenn der Geheimdienst für sich definiert: „Im Einzelnen lassen sich ausländerextremistische Bestrebungen untergliedern in islamisch-extremistische (d. h. islamistische), linksextremistisch-separatistische, extrem nationalistische.“

Das haben sich Sachsens Schlapphüte nicht allein ausgedacht, sondern von den Kollegen aus Süddeutschland übernommen. Aber an der Stelle wird auch ein wenig deutlich, wie deutsche Geheimdienste ticken – nicht in demokratischen Kategorien, sondern in nationalen. Wer Staaten stürzen, teilen oder neu errichten will oder Regierungen bekämpft (egal wie nationalistisch die sind), steht in der Beobachtungshierarchie ganz oben.

Zumindest, wenn die Cleverles die entsprechenden Sprachen beherrschen. Denn wie will man diese ganzen Ausländer-Extremisten eigentlich überwachen, wenn die auch noch ausländisch sprechen?

Eine Frage, die sich der sächsische Verfassungsschutz augenscheinlich nie gestellt hat.

Und so fragt sich denn auch Valentin Lippmann verblüfft: Kann der sächsische Geheimdienst leisten, was er laut Aufgabenbeschreibung verspricht?

„Außendarstellung und Realität liegen beim Verfassungsschutz – mal wieder – weit auseinander“, resümiert Lippmann. „Auch wenn das Potential ‚islamistisch-ausländerextremistischer‘ Personen in Sachsen eher gering ist, ist doch die Bedrohungslage durch islamistischen Terror generell in Deutschland recht hoch. Dass lediglich eine einzige Bedienstete des LfV über arabische Sprachkenntnisse verfügt, ist vor diesem Hintergrund ein Armutszeugnis.“

Er war der Sache mit einer Kleinen Anfrage zuleibe gerückt, in der er die Staatsregierung nach den Fremdsprachenkenntnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) fragte. Sind ja eigentlich alles hochgebildete Leute. Die sollten ja schon in der Schule mindestens eine, wenn nicht gar zwei Fremdsprachen gelernt haben. Aber irgendwie wollte Innenminister Markus Ulbig in Lippmanns Frage mehr verstehen, als drin war, und hat die „aufgrund der Schulausbildung oder familiären Herkunft erworbenen Kenntnisse“ nicht erfasst.

Ist der Mann eigentlich von heute oder von vorgestern? Sollten nicht gerade die Sprachkenntnisse, die Mitarbeiter des LfV von zu Hause oder der Schule aus sowieso gut beherrschen, hier unbedingt auftauchen? Sollten nicht gar Bewerber mit besonderen Sprachkenntnissen bevorzugt eingestellt werden? Immerhin wachsen auch in Sachsen viele Menschen zwei- und mehrsprachig auf, haben auch in der Schule so „exotische“ Sprachen wie Tschechisch, Polnisch, Russisch oder Französisch.

Spielt das bei der Arbeit im LfV keine Rolle?

Das wäre tragisch.

Denn das, was an zusätzlichem Spracherwerb im Landesamt für Verfassungsschutz stattfindet, ist lächerlich: Nur eine Mitarbeiterin spricht Arabisch. Außer Englisch, Russisch, Tschechisch, Polnisch und Arabisch sind keine weiteren Fremdsprachenkenntnisse vorhanden. Und Letztere sind keineswegs festes Rüstzeug, sondern in Fortbildungen erworben.

„Mir ist zudem unbegreiflich, wie das Landesamt Spionage insbesondere durch chinesische oder nordafrikanische Geheimdienste sowie Wirtschaftsspionage abwehren will, wenn außer Englisch, Russisch, Tschechisch, Polnisch und Arabisch keine weiteren Fremdsprachenkenntnisse bei den 187 Mitarbeitern vorhanden sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Landesamt externe Ãœbersetzungsbüros für diesen hochsensiblen Bereich beauftragt“, kommentiert Lippmann die Antwort des Innenministers. „Gerade zur Abwehr der Wirtschaftsspionage braucht es fähige Leute – wenn die nicht vorhanden sind, muss die Wirtschaft selbst tätig werden. Eines Amtes mit 187 Mitarbeitern bedarf es dann aber nicht.“

Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte in der Antwort auf die Kleine Anfrage mitgeteilt, dass mit beruflichem Abschluss oder in Fortbildungslehrgängen nur zwei Bedienstete Fremdsprachenkenntnis in Russisch, fünf in Tschechisch, fünf in Polnisch und acht in Englisch haben. Eine Bedienstete des Referats 23 (Auswertung Islamismus, Ausländerextremismus, -terrorismus) sei zudem Diplom-Sprachmittlerin Englisch/Arabisch.

Gestehen wir dem Minister an der Stelle zu, dass seine Einengung der Frage eher ein Irrtum war und vielleicht doch etliche sächsische Verfassungsschützer von Haus aus für die internationalen Ermittlungen so wichtigen Sprachen wie Russisch, Türkisch, Arabisch, Chinesisch, Spanisch usw. verstehen, also auch nicht extra Fortbildungen besuchen müssen, um die Sprache zu lernen.

Peinlich freilich wird es, wenn die Antwort tatsächlich die ganze Fremdsprachenkompetenz umfasst. Dann kann der sächsische Geheimdienst das Thema „Ausländerextremismus“ eigentlich aus seinem Aufgabenprofil streichen, denn dann kriegt er ja nicht mal mit, wenn irgendwelche Leute, die ausländisch kommunizieren, irgendetwas vorhaben sollten, was man frühzeitig unterbinden müsste. Aber wie nur, wenn die Leute sich nicht auf Sächsisch unterhalten?

Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) „Fremdsprachenkenntnisse am Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen“ (Drs 6/3405)

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Es gibt 3 Kommentare

Im Krieg gegen das faschistische Japan im Sommer 1945 haben die US-Amerikaner Indianer als Funker eingesetzt, damit der japanische Geheimdienst die alliierten Angriffspläne nicht verstehen konnte.

Schon lustig, dass auch jetzt die Geheimdienste mit Fremdsprachen noch so Probleme haben…

(Breites Sächsisch ist natürlich schon eine gewisse Herausforderung.)

Weis gar nicht was ihr habt mit den armen Schlapphüten. Die schützen doch die deutsche Verfassung? Und die sächsische?
Weil sonst wären sie doch bei einem anderen Verfassungsschutz? Oder nicht?
Wer Ironie findet usw …

“Aber wie nur, wenn die Leute sich nicht auf Sächsisch unterhalten?”
Um so wichtiger sind eine rasche Integration und der schnelle Spracherwerb (Deutsch) durch unsere ausländischen Mitbürger, damit der VS sie ordentlich abschöpfen kann!

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