Die Kritik aus der Opposition kam zwar postwendend, gleich nachdem die sächsische Staatsregierung am Dienstag, 14. Juni, ihre Eckpunkte für die Haushaltsplanung 2017/2018 vorgestellt hat. Aber dass der Doppelhaushalt jetzt deutlich anders aussieht als die ganzen Doppelhaushalte seit 2009, hat natürlich auch mit der SPD zu tun. Die wollte den Personalabbau nicht weiter mittragen. Aber Kurswenden dauern.

Sebastian Scheel, der haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion, nahm nach den am Dienstag vorgestellten Ergebnissen der Kabinettsklausur der Sächsischen Staatsregierung zum Doppelhaushalt 2017/2018 vor allem Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ins Visier, der ja für den Personal-Sparkurs der Jahre 2009 ff., verantwortlich ist: „Was bei Ministerpräsident Tillich unter ‚Zukunftsfähigkeit‘ firmiert, ist tatsächlich die notdürftige Reparatur der Schäden der Vergangenheit. Ministerpräsident Tillich hatte seinerzeit mit der weltfremden Vorgabe ‚70.000‘ für die Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst insbesondere die Schulen und die Polizei auf Verschleiß fahren lassen. – Nun zaubert das Kabinett ‚6.100 unbefristete Einstellungen bis 2019‘ als Lehrerstellen aus dem Ärmel, obwohl höchst ungewiss ist, ob sich die entsprechenden Lehrer*innen überhaupt finden werden. Bei der Polizei wiederum hat man ein halbes Jahr und den Druck der Linksfraktion im Haushaltsausschuss gebraucht, bis der versprochene Personalabbau gestoppt wurde. Die nun avisierten 600 Polizeianwärter*innen gleichen nicht mal die Abgänge aus – deshalb fordern wie die Erhöhung auf mindestens 800.“

Dabei ist eigentlich genug Geld da, um die völlig überzogenen Einschnitte der Jahre 2009 bis 2014 zurückzunehmen. Auch wenn die Korrektur, wie Scheel wohl richtigerweise anmerkt, zu spät kommt. Jetzt ist der mögliche Nachwuchs wirklich knapp.

Mit einem Haushaltsvolumen von 18,4 Milliarden Euro für das Jahr 2017 und 18,7 Milliarden Euro für 2018 legt die Staatsregierung einen Rekordhaushalt vor.

Dabei liegen die Planansätze noch einmal deutlich über den Ausgaben, die Finanzminister Georg Unland noch im März in seiner Mittelfristigen Finanzplanung angepeilt hatte (17,8 und 18,1 Milliarden Euro). Das ist vor allem möglich, weil sich die Steuereinnahmen des Freistaats endlich spürbar berappeln. War es noch vor wenigen Jahren so, dass man gerade einmal mit 10 bis 11 Milliarden Euro Steuereinnahmen planen konnte, werden die Steuereinnahmen in diesem Jahr wohl erstmals die Marke 13 Milliarden übersteigen und in den nächsten Jahren die 14 Milliarden überspringen.

Ein bisschen mehr Geld für die Kommunen

Davon profitieren zu einem kleinen Teil dann auch die Kommunen, betonte Finanzminister Georg Unland: „Mit dem Haushaltsentwurf bekommen die sächsischen Kommunen so viel Geld wie nie zuvor. Die Zuweisungen des Freistaates im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes steigen gegenüber 2016 um 295 Millionen Euro in 2017 auf 3,23 Milliarden Euro und in 2018 auf rund 3,39 Milliarden Euro. Dies ist ein eindeutiges Bekenntnis des Freistaates zu einer guten Finanzausstattung seiner Kommunen. Die günstigen Rahmenbedingungen sowie die solide und vorausschauende Haushaltspolitik ermöglichen uns weitere Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes.“

Insgesamt ist die Summe für die Kommunen noch etwas größer, denn die FAG-Mittel sind nur ein Teil des Paketes: Mit 6,2 Milliarden Euro 2017 und 6,3 Milliarden Euro 2018 werden die Kommunen auch künftig auf hohem Niveau durch den Freistaat unterstützt. Die Kommunen profitieren durch die Regelungen im Kommunalen Finanzausgleich unter anderem auch von den steigenden Steuereinnahmen des Freistaates. Die Kommunen erhalten neben den Leistungen nach dem Sächsischen Finanzausgleichsgesetz (jährlich rund 3,23 Milliarden Euro bzw. 3,39 Milliarden Euro) weitere Zuweisungen aus dem Landeshaushalt z. B. für die Bereiche Kita und Asyl.“

Die Kritik gab’s von der finanzpolitischen Sprecherin der Grünen, Franziska Schubert: „Im Bereich des kommunalen Finanzausgleichs werden die dringend notwendigen Anpassungen von der Regierungskoalition noch nicht einmal angedacht. Dass viele Landkreise und Gemeinden mit dem Rücken an der Wand stehen, ist überhaupt nicht thematisiert worden. Auch hier gilt: nicht die schiere Summe an Mitteln macht es besser: der Verteilmechanismus funktioniert nicht mehr.“

Ausgaben für Asyl

Der Anstieg der Migration stellt auch für den Doppelhaushalt 2017/2018 eine besondere Herausforderung dar. Neben der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber und Flüchtlinge liegt der Fokus vor allem auf der Integration. Für die gesamtgesellschaftliche Herausforderung Asyl und Integration werden 780 Millionen Euro in 2017 und 650 Millionen Euro in 2018 berücksichtigt.

Den Schwerpunkt der Ausgaben bilden zunächst die Leistungen für die Betreuung und Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates und in den Kommunen im Umfang von 287 Millionen Euro in 2017 und 221 Millionen Euro in 2018, so die Meldung der Staatsregierung. Darin enthalten ist eine Erhöhung der FlüAG-Pauschale (Flüchtlingsaufnahmegesetz) für die Kommunen auf rund 9.500 Euro pro Leistungsempfänger. Das sind rund 2.000 Euro mehr als bisher.

Für die Integration sind Ausgaben von 87 Millionen Euro in 2017 und 88 Millionen Euro in 2018 geplant. Schwerpunkte bilden dabei neben den Ausgaben für die DAZ-Beschulung (Deutsch für Ausländer) weitere Maßnahmen aus dem Integrationspaket der Staatsregierung für die Integration in Schule, Kita, Hochschule, Arbeitsmarkt und im Sport.

Mehr Geld für Kita-Betreuung

Die Fundamente für die Bildungsbiografie werden in den Kindertagesstätten gelegt. Zur schrittweisen Verbesserung des Personalschlüssels im Kindergarten und der Kinderkrippe steigt der Landeszuschuss 2017 auf 2.295 Euro und 2018 auf 2.455 Euro pro Kind pro Jahr. Daneben bewirkt auch die wachsende Anzahl von Kindern, die 9 Stunden betreut werden, einen Anstieg der Ausgaben auf 554 Millionen Euro 2017 bzw. 608 Millionen Euro 2018.

Endlich ein Stellenabbau-Stopp

Das Geld für einen Personalaufbau ist also da. Dezidiert erwähnt wurden am Dienstag Polizei und Justiz. Bereits im März 2016 hatte das Kabinett Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit beschlossen, die im Doppelhaushalt 2017/2018 umgesetzt werden sollen: Der ursprünglich für 2015 bis 2020 geplante Stellenabbau bei der Polizei wird gestoppt und die bereits abgebauten Stellen der Jahre 2015 und 2016 sollen kompensiert werden. Darüber hinaus werden sukzessive zusätzlich 1.000 neue Stellen im Bereich Polizei geschaffen und die Ausbildungskapazität für Polizeianwärter auf 600 Anwärter ab dem Jahr 2017 erhöht. Damit werde dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen, versuchte die Regierung am Dienstag den Kursschwenk zu erklären. Was an dieser Stelle natürlich völlig unsinnig war. Es geht schon längst nicht mehr um das reine „Sicherheitsbedürfnis“, sondern um die simple personelle Absicherung der Aufgaben. Und die erwähnten 1.000 zusätzlichen Polizisten (die mit dem 600-Anwärter-Korridor überhaupt noch nicht untersetzt sind) sind ja das Ergebnis der Evaluierungskommission der Polizei: Diese 1.000 Polizisten fehlen jetzt schon zur Aufgabenabsicherung.

Zu Recht vermisst Scheel entsprechende Aussagen, wie diese Stellen eigentlich geschaffen und besetzt werden sollen.

Mehr Lehrer, aber wie?

Deutlich belastbarer sind die Aussagen im Thema Bildung, auch wenn Scheel dort bezweifelt, dass Sachsen die ausgeschriebenen Stellen auch besetzen kann.

„Um dem wachsenden Lehrerbedarf an den Schulen gerecht zu werden, stehen ab dem Schuljahr 2017/2018 insgesamt 29.466 Lehrerstellen zur Verfügung. Das in der Koalitionsvereinbarung festgelegte Volumen von mindestens 6.100 unbefristeten Einstellungen bis 2019 ist damit abgesichert“, hatte die Regierung vermeldet. Und – für die Kommunen so etwas wie eine Entspannung in einer verflixten Situation: „Um die schulische Infrastruktur weiter den qualitativen Erfordernissen anzupassen, verbleibt die Landesförderung für den Schulhausbau auf hohem Niveau von 114 Millionen Euro für beide Jahre des Doppelhaushalts.“

Wenn das so zutrifft, können gerade Dresden und Leipzig ihren Schulhausneubau tatsächlich fortsetzen, wenn auch keineswegs auf dem derzeit notwendigen hohen Niveau.

Wie weiter beim ÖPNV?

„Für den öffentlichen Personennahverkehr halten wir unser Versprechen, den Zweckverbänden langfristige Planungssicherheit zu geben“, sagte Martin Dulig (SPD), stellvertretender Ministerpräsident und Verkehrsminister. „Den Kommunal-, Staatsstraßen- und Radwegebau finanzieren wir weiterhin auf hohem Niveau.“

Eine Aussage, die Sebastian Scheel besonders kritisierte. Es ist das seinerzeitige Wegducken der ostdeutschen Verkehrsminister bei der Aushandlung der Regionalisierungsmittel, das ihn besonders empört: „Genauso schönfärbend sind die Worte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Dulig zur Planungssicherheit beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Es war die Unfähigkeit der Staatsregierung beim Verhandeln mit dem Bund über die Regionalisierungsmittel, die zur Untergrabung des ÖPNV in Sachsens Landkreisen führt. Was wiederum Finanzminister Unland als ‚eindeutiges Bekenntnis‘ des Freistaates zur guten Finanzausstattung der Kommunen hochjubelt, ist schlicht und ergreifend die Erfüllung geltenden Rechts nach dem Gleichmäßigkeitsprinzip: Wenn der Freistaat selbst mehr Geld bekommt, steht selbstverständlich den Kommunen ebenfalls mehr zu.“

Dass sich die ostdeutschen Bundesländer bei den Regionalisierungsmitteln völlig unnötig ins Abseits manövriert haben, sieht auch Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion, als Problem: „Eine solide Haushaltspolitik und die gute wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen bieten viele Chancen für den Freistaat. In den kommenden Haushaltsverhandlungen werden wir jedoch auch mit Herausforderungen z.B. in den Bereichen Schule, Personal, innere Sicherheit und Digitalisierung konfrontiert. Hinzu kommen Unwägbarkeiten u.a. beim Länderfinanzausgleich oder den Regionalisierungsmitteln.“

Man hat also einige der schlimmsten Fehlentwicklungen der letzten Jahre gestoppt, nicht aber alle Problemstellen geklärt.

Weiter sparen oder endlich Probleme lösen?

Das formuliert sich auf der Regierungsbank natürlich anders als aus der Opposition.

Denn Frank Kupfer, Vorsitzender der CDU-Fraktion, sieht schon diese kleinen Korrekturen als Anlass, wieder vor dem so gefürchteten Geldausgeben zu warnen. Es ist nun einmal die CDU, die den Personalabbau mit der FDP so forciert hatte. Kupfer: „Sorgen macht mir die Entwicklung des Personalaufwuchses. Richtig sind mehr Einstellungen bei Polizei und Lehrern. Aber grundsätzlich dürfen steigende Personalkosten künftige Investitionen nicht einschränken oder gar unmöglich machen.“

So kann man sich um das Geld sorgen, wenn das Land dringend wieder Personal braucht.

Und vor allem einen Blick für die drängenden Probleme, wie Franziska Schubert, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, betonte: „Sachsen hat einen Imageschaden, Sachsen hinkt in der Bildung hinterher, Sachsen braucht sinnvolle Ansätze zur Integration, Sachsen braucht Konzepte zum Strukturwandel in der Lausitz und bei der Landwirtschaft – nichts von alledem ist heute überzeugend dargestellt worden. Jetzt muss Geld in die Hand genommen werden für diese Bereiche, damit es den Menschen in diesem Lande besser geht, damit unsere Kinder gute Bildung erhalten, moderne Wirtschaftszweige sich niederlassen und eine weltoffene Gesellschaft gestaltet werden kann. – Ich will meine Kritik anhand von zwei Beispielen erläutern: Der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) erzählt etwas von mehr Lehrerstellen. Ich kann dazu nur sagen: die Stellen nutzen nur dann etwas, wenn man auch Leute hat, die auf diese Stellen wollen. Und das ist in Sachsen nicht der Fall. Es geht schon lange nicht mehr nur darum, ob Sachsen im Jahr 2020 noch sein Personal im Bereich Schule, Polizei, Justiz oder Verwaltung bezahlen kann, sondern darum, ob in Sachsen überhaupt noch jemand da ist, um diese Aufgaben ordentlich zu erfüllen. Bereits jetzt ist nicht mehr sichergestellt, dass in Sachsens Schulen vor jeder Klasse ein Lehrer oder eine Lehrerin steht. ‚Inklusive Schule‘ ist in Sachsen auch sieben Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention eine leere Worthülse. Und trotz SPD in der Regierung bewegt sich in diesem Bereich nichts.“

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