Es ist, als hätte sich die sächsische Staatsregierung so eine Art Landesschreiber zugelegt, einen Burschen, der mit Büchern durch die Welt reist und den Leuten erzählt, wie schön das damals war in Sachsen, 1990 bis 1994, als er noch jünger war und der stolze König in Dresden. Und die Staatskanzlei honoriert seine Auftritte. Auch im fernen Prag, wie André Schollbach nun erfuhr.

Der Landtagsabgeordnete der Linken, André Schollbach, hat ja nun schon in mehreren Anfragen herausgefunden, wie opulent die sächsische Staatsregierung den Druck der drei Biedenkopf-Tagebücher aus den Jahren 1990 bis 1994 finanziert hat. Jüngst hatte er ja auch herausgefunden, dass der Freistaat Sachsen 2015 in Berlin eine Staats-Party für geladene Gäste zur Vorstellung der Biedenkopf-Tagebücher veranstaltete. Sie kostete 6.089,05 Euro. Die CDU-dominierte Regierung hatte aus der Staatskasse nicht nur die Reise- und Übernachtungskosten von Kurt Biedenkopf bezahlt, sondern auch die der Privatperson Ingrid Biedenkopf, stellt der Landtagsabgeordnete grimmig fest.

Der war ja wegen der Auskunftsunwilligkeit der Staatsregierung extra vor Gericht gezogen, hatte Recht bekommen in seinem Begehren, solche Regierungsaktionen für altgediente Parteifreunde nachfragen zu dürfen – und er fragt nach.

Mit einer weiteren Kleinen Anfrage bringt er nun ans Licht, dass der Freistaat eine weitere solche Party veranstaltet hat, und zwar am 4. Februar 2016 in Prag. Die Kosten dieser Party, bei dem das Buffet augenscheinlich nicht so opulent war wie in Berlin: 2.828,58 Euro.

Diesmal wurden aus der Staatskasse nicht nur die Reisekosten für Kurt Biedenkopf (310,69 Euro) bezahlt, sondern ihm auch noch ein Honorar in Höhe von 595,00 Euro dafür gewährt, dass er seine Tagebücher vorstellte. Deren Erarbeitung hatte der Freistaat zuvor bereits staatlich finanziert. Ergebnis der Veranstaltung: Fünf (!) verkaufte Bücher. Das Ausrufezeichen stammt von Schollbach.

Aber neu ist das nicht, dass diese Tagebücher wie Blei in den Regalen liegen. Sie sind weder stilistisch besonders aufregend, noch bieten sie das, was man eigentlich von guten Politiker-Tagebüchern erwartet: ein paar echte Anekdoten aus dem politischen Alltag, Hintergrundinformationen zu wichtigen Entscheidungen, auch mal eine Packung Persönliches – so wie es zumindest stellenweise in der Biografie Helmut Kohls auftaucht. Mal abgesehen davon, dass Kohl die besten und deftigsten Stellen per Gerichtsbeschluss untersagen ließ und seinen Ghostwriter so richtig teuer verklagte.

Was typisch ist: Selbst nachträglich lassen sich die politischen Schwergewichte ungern in die Karten schauen, erst recht, wenn sie einen unhinterfragten Platz in den Geschichtsbüchern erwarten. Deswegen haben es schon zeitgenössische Biografen schwer, die ganzen Masken und Nebelwände zu durchdringen, die diese Leute umgeben. Erst recht, seit das Persönlichkeitsrecht in Deutschland zu einer Waffe gegen jede ehrliche Berichterstattung gemacht wurde. Wer mit diesem Recht jede Veröffentlichung über sich abmahnen, untersagen und vom Markt fegen kann, der bereinigt die Geschichtsbücher quasi schon im Vorhinein.

Da ist man längst schon auf dem Stand von Big Brother und lässt eine kritische Zeitgeschichtserzählung gar nicht erst zu.

Und Kurt Biedenkopf?

Mit echten Tagebüchern hat das, was er hier in drei Bänden vorgelegt hat, nichts zu tun. Es liest sich wie strohtrockene Protokolle aus Sitzungen in der Staatskanzlei, im CDU-Vorstand und aus drögen Bundesratsversammlungen. Als hätte Biedenkopf schon beim Schreiben jede persönliche Regung, jede mögliche Kritik, jedes wirklich persönliche Erlebnis wegredigiert und Texte geschrieben, die als Dokument in jeder Diplomarbeit zitiert werden können, ohne dass auch nur ansatzweise ein  Mann sichtbar wird, der mehr als ein penibler politischer Verwalter war.

Gebe es nicht die zwei, drei politischen Streitschriften von Biedenkopf, man würde zweifeln an dem Mann.

Vielleicht zeigt er hier aber auch die andere Seite, die von Wählern bei Politikern gern mit hohen Stimmenanteilen honoriert werden: den trockenen Sachwalter, der das Notwendige tut und sich jede Extravaganz verkneift und auch jede über das Tagesgeschäft hinausgehende Analyse. Was für Sachsen eine Tragik war und ist. Denn so hat er dann auch seine Nachfolger geprägt. In dieser Staubtrockenheit sind sie ein Herz und eine Seele. Und nur so kann man sich mit 300.000 Euro für derart staubtrockene Texte begeistern.

Die Vorgeschichte, die im Herbst 2015 publik wurde: 2015 veröffentlichte der „Siedler Verlag“ die aus drei Bänden bestehenden Tagebücher der Jahre 1990 bis 1994 des Ex-Ministerpräsidenten Biedenkopf (CDU). Für die Aufarbeitung und Publikation dieser Tagebücher leistete der Freistaat einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 307.900 Euro an die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Biedenkopf bedankte sich im Vorwort des ersten Bandes für die großzügige Unterstützung: „Dass die ersten drei Bände des Tagebuchs in der vorliegenden Form im Herbst 2015 … erscheinen können, ist der Entscheidung des Freistaates Sachsen und seines Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich zu verdanken. Er machte die Publikation des Tagebuches zu seiner Sache …“

Das war die Stelle, die Schollbach auf den Plan rief. Da wollte er schon genau wissen, wofür sich Biedenkopf bei Tillich eigentlich bedankte.

Das Ergebnis ist dann das zähe Ringen um immer neue Informationen rund um diese Tagebücher. Dass nun auch noch eine Reise nach Prag honorig bezahlt wurde, dürfte besonders sächsischen Dichtern gefallen, die für derlei Ausflüge erst einmal einen großen Projektantrag schreiben müssen und hinterher einen langen Ergebnisbericht. Denn auch Dichter müssen belegen, dass ihr Wirken gesellschaftlich relevant ist.

Die Mühe müssen sich ehemalige Ministerpräsidenten nicht machen, wie es aussieht.

„Erst gibt es über 300.000 Euro aus der Staatskasse für die Biedenkopf-Tagebücher, dann werden in Berlin und Prag Staats-Partys auf Kosten des Steuerzahlers veranstaltet. Schließlich erhält Kurt Biedenkopf sogar noch ein Honorar dafür, dass er seine vom Staat finanzierten Bücher vorstellt. Das ist schwarzer CDU-Filz in Reinkultur“, kritisiert André Schollbach. „Der Dank an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, den der CDU-Fraktionsvorsitzende Kupfer unlängst im Landtag aussprach, erscheint so in ganz neuem Licht! Jetzt fehlt nur noch, dass Ingrid Biedenkopf für ihre bloße Anwesenheit bei solchen Werbeveranstaltungen aus der Staatskasse entlohnt wird. Es befremdet, dass sich der Alt-Ministerpräsident das Honorar für das Bewerben seiner Bücher nicht verbeten hat. Das kratzt am Nimbus als Ehrenmann, der ihm oft zugeschrieben wird. Über eines kann all der teure Aufwand nicht hinwegtäuschen: Die Biedenkopf-Tagebücher bleiben wohl ein publizistischer Rohrkrepierer. “

Die Kleine Anfrage zur Prager Biedenkopf-Party.

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