Irgendwie hatten auch die Grünen sehr viel Hoffnung auf den Wechsel an der Spitze des sächsischen Umweltministeriums gesetzt. Umweltminister Frank Kupfer war nach mehreren sehr heftigen Umweltskandalen in die Kritik geraten und wechselte 2014 lieber an die Fraktionsspitze der CDU. Sein Nachfolger im Ministeramt aber macht jetzt mit einem Rundumschlag den Grünen klar, dass sich im Ministerium gar nichts geändert hat.

Die Grünen hatten – im Resultat des „Abfalluntersuchungsausschusses“, der 2014 seine Berichte vorgelegt hatte, einen Gesetzantrag eingebracht: „Abfall vermeiden, gefährlichen Abfall überwachen, Müllimporte reduzieren“. In den Begründungen gingen die Grünen auf mehrere Missstände ein, die im Abfalluntersuchungsausschuss benannt worden waren. In ihren eigenen Stellungnahmen waren Grüne, Linke und SPD sehr detailliert auf die vielen Brände in den sächsischen Wertstoffhöfen, auf Müllimporte, die Überdimensionierung der Deponien oder die Probleme mit der SDR Biotec in Pohritzsch eingegangen.

Doch es dürfte für die Grünen jetzt wie ein Déjà vu sein: Der neue Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) fegt nicht nur alle ihre Begründungen vom Tisch – er unterstellt ihnen auch noch, die Dinge falsch darzustellen. Und zwar, indem er die (Mehrheits-)Stellungnahme von CDU und FDP aus dem Abschlussbericht als die einzig gültige behauptet.

„Der Antragsteller führt unter den Punkten 2. und 3. aus, der Sächsische Landtag habe ‚erhebliche Probleme bei der Abfallüberwachung‘, und eine ‚stark‘ abgenommene ‚Schlagkraft der sächsischen Abfallüberwachung‘ nach vermeintlicher ‚Zerschlagung der Umweltverwaltung‘ festgestellt. Weiterhin wird konstatiert, dass es ‚an Personal und Auswertungstechnik‘ fehle und ‚unangekündigte Kontrollen … nur selten … und meist ohne eigene Messungen‘ stattfinden. Für diese pauschalen Behauptungen werden beispielhaft ‚illegale Transporte (unter anderem Cröbern)‘, ‚fragwürdige Behandlungsverfahren (unter anderem SDR Biotec)‘ und ‚ungesicherte Ablagerungen von Giftmüll (unter anderem ETU Altbernsdorf)‘, die ‚jahrelang unbehelligt‘ betrieben werden konnten, angeführt. Als Begründung für Punkt 3. des Antrages wird eine ‚erhebliche Überkapazität an Abfallentsorgungsanlagen‘ behauptet, deren ‚Ursache die überdimensionierten Planungen von Deponien und Abfallanlagen Anfang der 90er Jahre‘ seien, da ihnen ‚völlig überhöhte Abfallmengenprognosen zugrunde lagen.‘ Diese Behauptungen sind unzutreffend und vom Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages auch nicht festgestellt worden.“

Starker Tobak für einen Minister.

Denn selbst im Abschlussprotokoll ist unübersehbar, wie die Staatsregierung bemüht war, die Folgerungen aus all diesen Vorgängen abzumildern. Und die Grünen haben es noch vorsichtig formuliert – tatsächlich so, dass ein kooperationsbereiter Umweltminister zustimmen und die Reform der Abfallüberwachung einfach unter der Prämisse angehen kann, dass tatsächlich einfach zu wenig Personal da war und ist (was schlicht der Realität entspricht) und die Kontrollen eben nicht lückenlos und konsequent waren (was ebenfalls der Wirklichkeit entspricht). Die Grünen haben sogar vermieden, einem Minister oder einer Behörde persönlich den schwarzen Peter zuzuschieben, obwohl genau das, was Thomas Schmidt behaupt, nicht stimmt: Gesetzeskonform war die Anlage von SDR Biotec nicht wirklich. Und die Warnungen, dass es so sein könnte, gab es selbst von den Umweltbehörden anderer Bundesländer. Mit frühzeitigen Kontrollen hätte es die zuständige sächsische Umweltbehörde frühzeitig herausfinden können. Doch dazu wurde sie erst – mit zwölfjähriger Verspätung – durch Messungen der DUH gezwungen.

Immer wieder stellten auch Sachverständige im Umweltausschuss fest, dass es an Kontrollen mangelte, dass Umweltbehörden nicht präventiv tätig wurden und fast immer erst in Gang kamen, wenn die Skandale in den Medien thematisiert wurden. So war es auch bei der Riesendeponie Cröbern. Ganz zu schweigen davon, dass die Müllimporte aus Italien zum Beispiel nicht nur in Sachsen für Furore sorgten, sondern auch im Nachbarland Sachsen-Anhalt.

In der sächsischen Politik war immer nur spürbar, dass man eifrigst bemüht war, die Sache so lange wie möglich zu ignorieren. Bei der SDR Biotec sogar über mehrere Jahre. Da ist es schon stark, wenn Thomas Schmidt aus dem ersten Teil des Berichts zur SDR Biotec zitiert: “Nach Anhörung zahlreicher Zeugen stellte der 1. Untersuchungsausschuss fest, dass das lmmobilisierungsverfahren gesetzlich erlaubt und geeignet ist, mit Schwermetallen belastete Abfälle in ausreichend langzeitstabilisierte und nicht gefährliche Abfälle umzuwandeln.“

Die Untersuchungen aber haben eindeutig gezeigt, dass das Verfahren schlicht nicht funktioniert hat. Und dass die Umweltbehörden das schon Jahre früher hätten herausfinden können, wenn sie denn kontrolliert hätten.

Seltsam auch Schmidts Zitat zu Cröbern: „Die WEV in Cröbern hat Teile des Abfalls 19 05 01 aus Italien entgegen den Notifizierungen nach Naundorf zu der Sortierungs- und Vermarktungsgesellschaft (SVG) in Sachsen-Anhalt abgesteuert. Dies entsprach nicht den gesetzlichen Vorschriften. Die staatlichen Behörden in Sachsen haben den Vorgang ermittelt und die Staatsanwaltschaft hat entsprechend reagiert. Ein Fehlverhalten staatlicher Behörden ist daraus nicht herzuleiten.“

Genauso geht er bei allen anderen erwähnten Vorfällen vor, nutzt also den damaligen Mehrheitsbericht im Untersuchungsausschuss, der eindeutig ein Versuch der Verschleierung der Vorgänge war, um den Grünen-Antrag einfach abzubügeln und dann zu behaupten: „Für Änderungen im Bereich der Überwachung der Abfallströme gibt es auch sachlich keinen Grund, weil die abfallrechtliche Überwachung im Freistaat Sachsen bereits seit dem Jahr 1996 auf der Basis von bewährten Überwachungskonzepten und unter Nutzung leistungsfähiger ständig weiterentwickelter DV-Systeme erfolgreich durchgeführt wird.“

Genau diese Überwachungskonzepte waren eindeutig lückenhaft. Da hilft auch die modernste Digitaltechnik nichts.

Noch seltsamer wird Schmidts Stellungnahme zu Punkt 3 im grünen Gesetz-Antrag, wo es um die drastische Verringerung der Abfallmengen geht.

„Aufgabe der abfallwirtschaftlichen Planung des Landes ist es unter anderem, die Entsorgungssicherheit für Abfälle zur Beseitigung sowie für Abfälle zur Verwertung von gemischten Abfällen aus privaten Haushaltungen einschließlich solcher, die dabei in anderen Herkunftsbereichen gesammelt werden, sicherzustellen. Die Entwicklung von Konzepten zur Reduzierung von Kapazitäten zur Abfallverwertung und -beseitigung ist keine Aufgabe der abfallwirtschaftlichen Planung des Landes.“

Doch, genau das ist sie. Denn das Abfallzeitalter, wie wir es bis jetzt kannten, geht ab 2020 zu Ende. Selbst die Riesendeponie Cröbern hat ein Betriebsende im Jahr 2025. Was zum Beispiel damit zu tun hat, dass auch der Freistaat Sachsen gesetzlich verpflichtet ist, die Recyclingquoten für die eingesammelten Abfälle auf 65 Prozent zu erhöhen. Mit 20 bis 30 Prozent ist man davon meilenweit entfernt.

Das heißt: 65 Prozent der als Abfall abgeholten Stoffe müssen wiederverwendet werden – vom Bauschutt über Plastik und Metall bis zu Glas und Textilien. Der Rest wird verbrannt. Aber dazu braucht man ein Konzept. Denn genauso, wie der Freistaat die Kommunen in den 1990er Jahren gezwungen hat, die vielen kleinen Kommunaldeponien zu schließen, sich in Zweckverbänden zusammenzutun und eine große gemeinsame Zentraldeponie zu betreiben, so muss der Freistaat jetzt die Kommunen in die Lage versetzen, das neue, gesetzlich geforderte Abfallregime auch umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Stellungnahme von Thomas Schmidt wie eine einzige große Ausrede.

Stattdessen teilt Thomas Schmidt mit: „Die Aufgabe der Entsorgung der den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassenen Abfälle wird im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung als weisungsfreie Pflichtaufgabe wahrgenommen. Für Eingriffe in diese Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung mithilfe der Abfallwirtschaftsplanung zur Beschränkung wirtschaftlicher Risiken besteht kein Bedarf. Auch bei aktuellen Gesprächen mit den anlagenbetreibenden öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern wurde ein Interesse an einer Steuerung der Abfallströme im Freistaat durch die Staatsregierung nicht geäußert.“

Das dürfte den Vertretern der Kommunen in den Ohren klingeln, denn damit lässt der Freistaat sie mit der Umstellung der Abfallbehandlung erst einmal im Regen stehen. Genau das, was die Grünen eigentlich mit ihrem Gesetzantrag verhindern wollen. Denn heute schon ist absehbar, dass die strukturellen Umbauten richtig Geld kosten werden.

Aber Thomas Schmidt hat keine Lust: „Aufgrund der von der Staatsregierung bereits größtenteils erfüllten Anliegen des Antragstellers beziehungsweise der nicht gegebenen Rechtsgrundlagen zur Umsetzung weiterer Antragsziele, empfiehlt die Staatsregierung, den Antrag abzulehnen.“

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