Wie korrigiert man eine jahrelang verfolgte Politik? Zum Beispiel im Straßenbau? Gerade in Sachsen wurden ja Staatsstraßen auf Teufel komm raus gebaut – hochkomfortabel in jede Ecke des Landes. Dumm nur, dass solche Straßen auch gepflegt werden müssen und das Geld dafür knapp geworden ist. Ein Projekt von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) beängstigt nun einige Politiker.

Am Freitag, 5. Mai, berichtete die „Freie Presse“ darüber: „Für wenig genutzte Staatsstraßen soll es weniger Sanierungsgeld geben“. Im Verkehrsministerium werde gerade ein Konzept geprüft, bei der Sanierung und dem Ausbau von Staatsstraßen in Sachsen drei Nutzungs-Kategorien einzuführen. Einige Landräte reagierten sofort genauso, wie es zu erwarten war: mit verbissener Kritik. Denn für abgelegenere Regionen würde es ja weniger Geld bedeuten, die aber, wo sich die Verkehrsströme ballen, würden mehr bekommen.

Eine Kritik, die Luise Neuhaus-Wartenberg, Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag für Handwerk, Mittelstand und Tourismus, aufnimmt.

„Dass das Wirtschaftsministerium eine Art Dringlichkeitsbedarf für die Instandsetzung und den Ausbau von Staatsstraßen erstellt, ist prinzipiell eine logische Herangehensweise, wenn es zu einer gleichberechtigten Bearbeitung dieser Liste käme“, sagt sie. Aber was hätte das für Folgerungen?

„Wir dürfen uns aber nichts vormachen. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, stehen einzig Staatsstraßen in den Ballungsgebieten Sachsens im Fokus. Die Staatsregierung wird jede Ausrede nutzen, um dann den Landkreisen die Mittel für die Staatsstraßen zu kürzen. Und selbst wenn das Ministerium verspricht, dass dringliche Maßnahmen immer finanziert werden, so macht es doch einen Unterschied, ob ein Flickenteppich notdürftig hergerichtet wird oder eine hochwertige Sanierung erfolgt“, malt sie sich die möglichen Folgen so einer Entwicklung aus.

Eigentlich aus schlechter Erfahrung, denn einen wirklichen Plan beim Ausbau des sächsischen Straßennetzes hatten die sächsischen Regierungen bislang nicht. Jahrelang bauten sie unbekümmert drauflos – immer mit dem Heilsversprechen, mit den ausgebauten Straßen würden Investitionen und Arbeitsplätze auch noch in den letzten Winkel des Landes vordringen.

Das Gegenteil war der Fall und ist so logisch, dass es die sächsische Regierung jetzt erst so langsam ahnt: Jedes Unternehmen ist darauf bedacht, sich da anzusiedeln, wo die logistischen Strukturen dicht und gut ausgebaut sind, die Wege kurz und die Transportkosten so niedrig wie möglich. Dass sich Sachsens Wirtschaftsentwicklung auf wenige zentrale Netzknotenpunkte konzentrieren würde, wäre eigentlich auch schon für die Straßenbauminister der 1990er Jahre absehbar gewesen.

Doch die Politik der Gießkanne hat sich als fatal erwiesen. Sie hat sogar dazu geführt, dass Menschen und Unternehmen aus den ländlichen Regionen in Scharen abgewandert sind und die verbliebenen Strukturen kaum noch zu finanzieren sind. Und das ergibt neue Probleme, wie Luise Neuhaus-Wartenberg feststellt: „Das Leben in den ländlichen Gebieten ist durch das mangelhafte Angebot im ÖPNV geprägt vom Individualverkehr. Einwohner*innen, Gewerbetreibende und Touristen sind deshalb abhängig von einer guten Infrastruktur. Das erlebe ich in Nordsachsen immer wieder. Was das Wirtschaftsministerium hier plant, ist letztlich weitere Ignoranz gegenüber den ländlichen Räumen Sachsens.“

Aber sie macht selbst deutlich, wie sehr auch die sächsische Linke dem falschen Denken der Vergangenheit aufgesessen ist.

„Die verfehlte Fixierung auf wenige Leuchttürme bei Vernachlässigung der Fläche bleibt, und statt mit dem ÖPNV flächendeckend Erreichbarkeit zu schaffen, werden nun auch die Straßen noch schlechter. Das ist kein Plan für die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Sachsen!“

Womit sie mehrere Probleme vermengt. Denn dass der ÖPNV in Sachsen so heruntergespart ist, ist ein Ergebnis der Straßenbauopulenz. Man hat über 20 Jahre eben nicht auf ÖPNV gesetzt, sondern auf Straßen, Straßen und nochmals Straßen. Heute haben wir in Sachsen das Ergebnis einer einseitigen Straßenbaupolitik. Gelitten haben darunter die notwendigen Infrastrukturinvestitionen und vor allem der ÖPNV.

Und die simple Wahrheit ist: Auch wenn Sachsen das Geld für Straßen weiter flächendeckend in die Landschaft kippt: Es ändert nichts am Grundproblem, dass man die tatsächlich notwendigen Infrastrukturen in den ländlichen Räumen viel zu lange unterfinanziert hat. Was sich mit den „Leuchttürmen“ durchsetzt, hat mit einer irgendwie gearteten Bevorzugung nichts zu tun. Das ist wirtschaftliche Zwangsläufigkeit, die etwas mit Produktions- und Transportkosten zu tun hat. Für die Regionen abseits der zwei, drei Knotenpunkte hat die sächsische Regierung noch keine Idee. Da helfen auch sanierte Straßen nichts. Und auch keine medial geschürte Angst vor Schlaglöchern (wie es die „Freie Presse“ wieder in alter Manier getan hat). Denn da muss man nur einen Blick ins Leipziger Nebenstraßennetz werfen, um zu sehen, wo wirklich die großen Schlaglöcher entstanden sind, und die haben alle etwas mit einer miserablen Kommunalfinanzierung zu tun.

Womit wir beim Thema wären. Beim eigentlichen Thema.

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