Da helfen auch die ausgeklügelsten Fragen der LVZ-Redakteure nichts, die dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) unbedingt die Aussage entlocken wollten, die Kohlekraftwerke in Sachsen würden noch weit über das Jahr 2040 laufen. Das ist nur eine Beruhigungspille für Vogel Strauß. Denn wenn die MIBRAG jetzt 330 von 2.018 Jobs streicht, dann erzählt das von einer Branche, die keine Renditen mehr einfährt.

Ob Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer tatsächlich verkündet hat, dass die Braunkohle noch bis 2040 gefördert werden würde, lassen wir an dieser Stelle offen. Denn darüber weiß die sächsische Staatsregierung nichts. Genug Anfragen insbesondere aus Grünen- und Linken-Fraktion haben die ganze Politik des Nicht-wissen-Wollens der Staatsregierung in Bezug auf die Zukunft der Braunkohleverstromung offengelegt.

Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Landtags-Fraktion brachte es am Mittwoch, 7. Februar, bei Kretschmers Besuch in Nochten auf den Punkt: “Wer seit vielen Jahren selbst das Nachdenken über eine Zukunft nach der Kohle verweigert hat, der muss sich jetzt gegenüber den Beschäftigten in der Braunkohle und den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern ‘ehrlich machen’, indem er auch Verantwortung für entstandenen Zeitdruck beim notwendigen Strukturwandel übernimmt. Neues Vertrauen entsteht durch diese Ehrlichkeit und entschlossenes Anpacken, nicht durch Schuldzuweisungen an den Bund und unrealistische Forderungen nach weiterer Verzögerung des Kohleausstiegs.”

Natürlich werden die großen Kohlekonzerne nicht von sich aus verkünden, wann die Bagger zum Stehen kommen und die Meiler erlöschen. Es geht immer um Geld, um Subventionen, um Marktvertrauen und Anteilseigner, die auf jedes Signal des Zweifels nervös reagieren.

Was aber die Staatsregierungen in Dresden, Magdeburg und Potsdam nicht von der Pflicht entbindet, das Ende der Braunkohlewirtschaft vorauszudenken.

Denn eines können sie allesamt nicht mehr leugnen: Dieses Ende steht vor der Tür. Und es wird irgendwann vor 2040 passieren. Deutlich vorher. Denn längst wird Geld verbrannt.

Die Kohle rechnet sich nicht mehr

Auch nicht durch große Stromexporte ins Ausland. Davon erzählt das Minus der MIBRAG im Jahr 2016. Davon erzählt auch der massive Rückgang der Stromverkäufe aus dem Kraftwerk Lippendorf. Davon erzählt auch die Ankündigung der Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag), 330 Angestellte abzubauen.

„Die Mibrag gehört zum gleichen Invest-Konglomerat um EPH wie auch die LEAG”, stellt dazu Dr. Jana Pinka, ressourcen- und umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im sächsischen Landtag, fest. “Es ist das gleiche Geschäft: die Braunkohleförderung und -verstromung. Bei der Mibrag läuft es schlecht. Bei der LEAG warten wir noch auf die Geschäftszahlen. Im Gegensatz zur Staatsregierung erinnern wir uns, dass Vattenfall auch hingeschmissen hat, weil sich das Geschäft nicht mehr gelohnt hat.”

Schon der Verkauf der Braunkohlesparte durch Vattenfall hätte die sächsische Staatsregierung wachrütteln und offiziell Pläne für den Strukturwandel in der Lausitz auflegen lassen müssen. So einen Umbruch, der in der Lausitz noch viel schwerer wiegt als in Mitteldeutschland, muss man vorbereiten und gestalten. Nicht nur mit Appellen an die Bundesregierung.

“Während die Talfahrt der Braunkohle sich fortsetzt, verkündet der Ministerpräsident weiter seine frohe Botschaft. Stattdessen sollte er lieber darüber nachdenken, wie er im Falle eines kalten, frühzeitigen Ausstiegs oder Bankrotts der Kohleunternehmen die zerstörten Landschaften wieder herstellen will”, geht Pinka auch noch auf das Thema ein, bei dem sich Sachsens Regierung erst recht zurückgehalten hat. “Sicherheitsleistungen hat die Staatsregierung bisher nicht einnehmen wollen.”

Und so steht die Frage völlig offen im Raum: Wie teuer werden die Renaturierungen in der Braunkohlelandschaft? Wieviel Geld hat der Braunkohlekonzern überhaupt noch als Sicherheit? Und: Wer bezahlt dann den Milliarden-Rest, der übrig bleibt?

Mal ganz zu schweigen davon, dass man die neuen Strukturen für die Zeit nach dem Kohlebergbau jetzt aufbauen muss – nicht erst 2040. Pinka: “Und die Staatsregierung sollte viel intensiver und schneller in die betroffenen Regionen investieren, insbesondere in die Lausitz. Sonst droht aus der Chance eines konstruktiven Strukturwandels der Horror einer zweiten Deindustrialisierung nach 1990.“

Eine Serie zu den Extra-Kosten der Kohleverstromung in Sachsen zum Nachlesen auf L-IZ.de

Eine Serie zu den Extra-Kosten der Kohleverstromung in Sachsen zum Nachlesen

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