Es ist leider in der sächsischen Justizpolitik nicht anders als in der Polizeipolitik: Statt über die Jahre eine kluge Personalplanung zu betreiben, ist man sehenden Auges mitten hinein in einen allgegenwärtigen Personalmangel geschliddert. Und nun glaubt man sogar den Mangel an Justizpersonal durch mehr Überwachung kompensieren zu können.

In der „Sächsischen Zeitung“ vom 16. Juli hat das sächsische Justizministerium den Anstieg von körperlichen Übergriffen auf Bedienstete in den Justizvollzugsanstalten (JVA) pauschal mit steigenden Gefangenenzahlen sowie mehr problematischen und ausländischen Gefangenen erklärt.

Aber der Anstieg der Übergriffe hat mehrere Gründe – und sie haben allesamt mit der sächsischen Kürzungspolitik zu tun, die seit 2009 mit voller Wucht auf alle Bereiche des Freistaats durchgeschlagen ist. Denn gespart hat man vor allem beim Personal. Und statt genug Leute für die Zukunft einzustellen, hat man das vorhandene Personal auf Verschleiß gefahren – auch in den Haftanstalten des Landes.

„Das Justizministerium macht es sich zu einfach!“, kritisiert Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. „Die Probleme, die zu mehr Stress für alle Beteiligten führen, liegen tiefer: Personalmangel, gekürzte Aufschlusszeiten, fehlende Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten − insbesondere für Häftlinge mit Migrationshintergrund. Hinzu kommen nur punktuelle Therapieangebote.“

Sie hat die Staatsregierung extra zu den Zuständen in den Justizvollzugsanstalten befragt, ist aber eigentlich erschüttert, dass selbst Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) die wichtigsten Fakten nicht hat.

„Auf meine Kleine Anfrage konnte mir Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) zwar berichten, wie viele unerlaubte Handys und Drogen in den Haftanstalten gefunden wurden. Über die Anzahl der gefundenen Messer und anderer spitzer und damit unmittelbar gefährlicher Gegenstände wird aber keine Statistik geführt. Dies alles führt zu einer unübersichtlichen Sicherheitslage. So ist eine objektive Einschätzung der Gefährdungslage für JVA-Bedienstete und Häftlinge aktuell nicht möglich“, kritisiert die Landtagsabgeordnete diese sichtlich fehlende Aufmerksamkeit für sicherheitsrelevante Vorgänge.

Gerade die Antworten Sebastian Gemkows zeigen, dass die Aufgaben der Justizvollzugsbeamten komplex sind und viel Aufmerksamkeit und genug wachsames Personal brauchen. Aber statt wirklich die Lücken zu füllen und die Haftanstalten mit genügend qualifiziertem Personal aufzufüllen, das heute natürlich schwerer zu finden ist als vor acht oder neun Jahren noch, glaubt augenscheinlich auch der Justizminister, er könne das Problem mit mehr Eingriffen in die Rechte der Inhaftierten lösen.

„Justizminister Gemkow bereitet gerade per Gesetz erhebliche Eingriffe in die Rechte der Gefangenen vor, wie zum Beispiel die Videoüberwachung von Gefängniszellen, an Isolationshaft grenzende Disziplinarmaßnahmen und geringere Behandlungsstandards für Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafler“, bemängelt Katja Meier die Pläne des Ministers.

„Der Gesetzentwurf wird im Landtag nach der Sommerpause behandelt. Stattdessen sollte zuerst einmal eine hinreichende Faktenbasis für das kommende Gesetzgebungsverfahren geschaffen werden. Die tatsächliche Sicherheitslage in den Gefängnissen und nicht nur die gefühlte muss zur Grundlage der Verhandlungen über den Gesetzentwurf werden. Deswegen werde ich mit einer Kleinen Anfrage zu den in den Haftanstalten tatsächlich angeordneten Sicherheitsmaßnahmen und verhängten Disziplinarmaßnahmen nachhaken. Erst dann lässt sich beurteilen, ob so krasse Eingriffe in die Privatsphäre der Gefangenen und deren Recht auf Resozialisierung noch angemessen sind.“

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