Im Sächsischen Landtag wird schon heftig über den nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 diskutiert. Und Minister und Abgeordnete reisen herum und erzählen den Bürgern, was für tolle Geschenke es geben wird. Aber es sieht ganz so aus, dass es auch mit dem neuen Haushalt kaum besser für die Kommunen aussehen wird als mit dem alten. Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, hat wohl recht, wenn sie den Heldengesang für eine Vernebelungstaktik hält.

„Rekordhaushalt? Dafür muss man sich nicht feiern. Die konjunkturelle Lage in Deutschland ist insgesamt gut und Sachsen profitiert davon. Es ist folgerichtig, dass Steuergeld für die Menschen arbeitet“, beschrieb sie am 22. Juni schon das, was die seit zehn Jahren praktizierte „Austeritätspolitik“ in Sachsen angerichtet hat.

„Jahrelang hat die CDU auf Kosten der Menschen in Sachsen den Landeshaushalt entschuldet. Dafür wurde in Kauf genommen, dass das Land kaputtgespart wird. Der Vorschlag ist doch keine große Geste! Der Druck der aufgelaufenen Probleme ist übermächtig geworden – und darum ist dieser Haushalt keine gönnerhafte Wohltat sondern dringend notwendige Pflicht!“

Austeritätspolitik ist ein zentraler Bestandteil neoliberalen Staatsverständnisses: Der Staat wird zu einer Reduzierung all seiner Ausgaben verdonnert und zum Abbau der Schulden.

Was im Konkreten immer heißt: Staatliche Dienstleistungen werden zurückgefahren, Personal wird massiv abgebaut, die sogenannten „konsumtiven“ Ausgaben werden gebremst oder ebenfalls abgeschmolzen. Und obendrauf kommt dann noch so ein völlig sinnfreies Element wie ein „Neuverschuldungsverbot“.

Und da der Bund in den vergangenen Jahren genau dieselbe Taktik verfolgte, verdoppeln sich die Effekte. Denn das Problem am neoliberalen Weltbild ist: Es geht von realitätsfremden Modellen aus. Man operiert Kosten aus dem einen System heraus, interessiert sich aber nicht die Bohne dafür, wo sie bleiben. Man behandelt den Staat wie eine Luxusmaschine, die immer zu viel Geld an die Falschen ausgibt.

Doch wer den Staat – auch dann, wenn er über genügend Steuereinnahmen verfügt – dazu zwingt, seine „Konsumausgaben“ und seine Investitionen zurückzufahren, der erzeugt genau am Ende der Ausgabenkette – genau beim Bürger in seiner Kommune – eine wachsende Fehlstelle. Die Kommunen werden mit sozialen Aufgaben überfrachtet, aber sie bekommen kein Äquivalent für die wachsenden Sozialbelastungen. Das geht nicht nur den Kommunen in Sachsen so.

Aber hier ist es ja sichtbare Staatspolitik. Und Franziska Schubert kann den Dresdner „Heldengesängen“ wirklich nichts Gutes mehr abgewinnen. Sie haben mit den realen Finanzbedürfnissen der Kommunen nichts mehr gemein. Und nachhaltig ist an den Haushaltsplänen der Regierung auch nichts. Es drohen weitere Riesenlöcher in der simplen Finanzierung der nötigen Infrastrukturen.

„Jetzt stellt sich Finanzminister Dr. Matthias Haß (CDU) wie sein Vorgänger Prof. Dr. Georg Unland (CDU) vor die Presse und verkündet etwas über nachhaltige Finanzen und hohe Investitionsquoten. Doch der größte Etat nützt nichts, wenn die Staatsregierung nicht sicherstellt, dass dieses Geld auch ausgegeben werden kann.

Das ist leider die Realität in Sachsen. Durch Bürokratiemonster sorgt die Staatsregierung dafür, dass ein großer Teil des Geldes nie verwendet wird. Die schiere Menge in einem Haushaltsplan sagt also nichts darüber aus, ob das im Haushalt eingestellte Geld für Sachsen und seine Menschen arbeitet und Wirkung entfaltet“, sagte Schubert.

„Genauer anschauen werden wir uns auch den Bereich der Kommunalfinanzen. Was wir bislang gehört haben, ist er ebenfalls nicht nach vorn gerichtet. Wir Grüne haben hier klare Reformvorschläge und setzen uns für eine grundlegende Änderung des Finanzausgleichs ein.“

Grüne wie Linke sehen die dringende Notwendigkeit, die Kommunen mit deutlich mehr frei verfügbaren Eigenmitteln auszustatten. Denn viele Kommunen können überhaupt keine Fördergeldanträge stellen, weil ihnen schlicht die Eigenmittel fehlen. Und immer öfter scheitern sie am bürokratischen Antragsdschungel.

Und oft sind die Gelder auch schon längst im Sozialbereich verbraten.

Ein Thema, um das sich ja Susanne Schaper, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag kümmert. Regelmäßig fragt sie die Zahlen zu den Sozialausgaben der Kommunen ab. Und da gibt es zwei gegenläufige Trends.

Die Sozialausgaben der sächsischen Landkreise sind 2017 im Vergleich zu 2016 zwar um rund 43 Millionen Euro gesunken, doch sie befinden sich mit über 1,6 Milliarden Euro weiter auf hohem Niveau. Spitzenreiter war 2017 der Landkreis Görlitz mit rund 244 Millionen Euro, die vergleichsweise niedrigsten Sozialausgaben (99 Millionen Euro) fielen im Vogtlandkreis an.

Entwicklung dee Sozialausgaben in den sächsischen Kommunen. Grafik: Linksfraktion Sachsen
Entwicklung der Sozialausgaben in den sächsischen Kommunen. Grafik: Linksfraktion Sachsen

Dafür steigen die Belastungen der großen Städte: In den drei Kreisfreien Städten wuchsen die Sozialausgaben erneut deutlich, von 2016 zu 2017 um 15,5 Millionen Euro auf fast 830 Millionen Euro. Etwa die Hälfte – 403 Millionen Euro – entfiel 2017 allein auf die Stadt Leipzig. Leipzig, die sächsische Armutshauptstadt. Nirgendwo wurde die Niedriglohnpolitik so rigoros durchgezogen wie in Leipzig.

„Die hohen Sozialausgaben in den Kreisfreien Städten und Landkreisen zeigen, dass Armut in Sachsen viele Menschen betrifft. Auch die Kreishaushalte werden dadurch belastet – 2017 entfielen durchschnittlich 46 Prozent ihrer Kernhaushalte auf Sozialausgaben. In Meißen betrug dieser Anteil 53,4 Prozent, das ist der Spitzenwert bei den Landkreisen. Auch die Kreisfreien Städte werden immer stärker gefordert“, sagt Susanne Schaper.

„Die Kommunen haben politisch wie rechtlich kaum Spielraum, um die Entwicklung der Sozialausgaben zu beeinflussen. Unsere Forderung nach einem Soziallastenausgleich aus Landesmitteln bleibt aktuell, um Kommunen mit besonders hohen Sozialhilfeausgaben zu unterstützen. Schließlich handelt es sich hier um Ausgaben für gesetzliche Pflichtaufgaben – etwa für Hilfen zur Erziehung, Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Betroffene oder originäre Sozialhilfe-Leistungen.“

Wobei Sozialausgaben nicht nur Armut bedeutet. Die Sozialausgaben steigen auch dann, wenn das Mietniveau immer mehr Haushalte überfordert und die Stadt beim Wohngeld helfen muss. Und sie steigen auch, wenn immer mehr Kinder geboren werden und in Kitas betreut werden, erst recht, wenn sich das Land bei der Co-Finanzierung nobel zurückhält. Und die Ausgaben steigen auch, wenn immer mehr Mittel in die Jugendhilfe fließen müssen, weil sich soziale Problemlagen in vielen Ortsteilen über Jahre manifestiert haben.

Man ahnt auch das zweite Problem neoliberaler Blindheit: Es ist eine Art Politik, die unfähig ist, die Folgen in der Zukunft mitzudenken. Sie denkt immer nur im nächsten Jahresabschluss und rechnet einfach alle Folgekosten heraus, die sich dann einfach anstauen in riesigen finanziellen Problembergen: Investitionsstaus bei Schulen, Straßen und Brücken, fehlende Sozialwohnungen, Bearbeitungsstaus bei Polizei und Justiz, fehlender Fachkräftenachwuchs usw.

All das sind Langzeitfolgen einer Austeritätspolitik, bei der es die entscheidenden Minister nie über den jeweiligen Jahresabschluss hinaus schaffen zu denken. Was übrigens auch mal der Anlass dafür war, die Kommunen in Sachsen zu zwingen, ihre Haushalte auf Doppelte Buchführung umzustellen, sie also wie Unternehmen zu steuern. Oder das, was Politiker der neoliberalen Schule für Unternehmenssteuerung halten.

Oder um Rico Gebhardt, den Vorsitzenden der Linksfraktion, aus seiner Landtagsrede vom 27. Juni zu zitieren: „Wenn man im Land unterwegs ist, hört man aus dem Kreis führender Kommunalverantwortlicher der CDU: ‚In manchen Regionen werden im nächsten Jahr voraussichtlich mehr als 50 Prozent der Gemeinden nicht in der Lage sein einen Haushalt zu beschließen.‘ Die Doppik, oder besser ‚doppelte Buchführung‘, mit der aus der gemeinwohlorientierten öffentlichen Hand ein privatkapitalistisches Unternehmen gemacht werden sollte, ist eine Last.

Der Ministerpräsident löst einen Prüfauftrag aus, wie dem zu begegnen ist. Im Ernst: Nehmen Sie doch den Kommunen, die das wollen, diese Last wieder ab. Eine Kommune ist doch kein Wirtschaftsunternehmen. Und eine Schule oder eine Straße muss nicht abgeschrieben werden. Wenn sie verschlissen sind, muss für Erneuerung gesorgt werden. Punkt!“

Denn den Kommunen gleichzeitig die Schuldenaufnahme zu verunmöglichen sorgt dafür, dass es keine wirklich fundierten Investitionsplanungen in die Zukunft mehr gibt. Man lebt nur noch von der Hand in den Mund. Und versucht dann – wie Leipzig – mit Haushaltssperren und Sonder-Investitionsplänen das Allerschlimmste irgendwie doch noch zu deichseln. Aber das geht keine drei Mal gut. Dann sind auch diese Spielräume aufgebraucht.

Und dann bekommen wir alle eine Kommune, die trotz guter Steuereinnahmen im Land ihre Investitionsprobleme nicht mehr gelöst bekommt.

2017 übersprang die Summe der Sozialausgaben in Leipzig erstmals die 400-Millionen-Euro-Marke

2017 übersprang die Summe der Sozialausgaben in Leipzig erstmals die 400-Millionen-Euro-Marke

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar