Die Rundverfügung des sächsischen Generalstaatsanwalts Hans Strobl, die am 1. März in Kraft trat, hat jede Menge Diskussionen nach sich gezogen. Auch der Landtag hat heftig debattiert. Nur lesen sollte sie keiner dürfen, jedenfalls keiner außerhalb des Behördenapparats. Was René Jalaß, Landtagsabgeordneter der Linkspartei, gewaltig irritierte. Also fragte er nach. Und bekam eine sehr durchwachsene Antwort vom Justizminister.

Denn eigentlich hätte Jalaß ja erwartet, dass die Rundverfügung, die Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) selbst öffentlich angekündigt hatte, nun auch einfach ausgereicht wurde. Angekündigt hatte sie Gemkow am 31. Januar.

Das gesteht er auch zu: „Anlässlich der von der Sächsischen Staatsregierung mit Regierungserklärung am 31. Januar 2018 vorgestellten Maßnahmen ‚Effizientere und konsequente Strafverfolgung organisieren‘ und ‚Den Opferschutz stärken‘ hat der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen die bisherigen ‚Gemeinsamen Richtlinien der Sächsischen Staatsanwaltschaften zur Strafzumessung und zu sonstigen Rechtsfolgen‘ einer Überprüfung unterzogen. Im Hinblick auf eine konsequentere Strafverfolgung, zur Verbesserung der Spezial- und Generalprävention, zur Verbesserung des Opferschutzes und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung sollte die sächsische Strafverfolgungspraxis insgesamt verschärft werden. Straftaten sollen konsequent verfolgt und geahndet werden, selbst wenn es sich um sogenannte Bagatelldelikte handelt.“

Das wirkte schon ein bisschen wie Wahlkampf. Denn was soll ein derartiges Verschärfungspaket in einer Zeit, in der die Gemüter in Sachsen sowieso schon kochen, Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei aber personell nach wie vor unterbesetzt sind und die Fälle, die sich häufen, gar nicht abarbeiten können.

Will der Minister damit nur die Statistik aufblähen?

Was will ein Generalstaatsanwalt erreichen, wenn er die untergebenen Staatsanwaltschaften anweist, härter gegen Bagatelldelikte vorzugehen?

Tatsächlich macht Gemkows Antwort deutlich, dass es wirklich vor allem um die Show geht.

Die Passage, in der er sich erst weigert, die Rundverfügung herauszugeben, dann aber doch erklärt, was ungefähr drinsteht, spricht für sich:

„Zunächst enthält die Rundverfügung allgemeine Vorgaben zur Anwendung der strafprozessualen Opportunitätsvorschriften der §§ 153, 153a und 154 der Strafprozessordnung (StPO), nach denen in bestimmten Fällen von der Verfolgung einer Tat abgesehen werden kann. So sollen bei der Prüfung, ob ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung im Sinne der §§ 153, 153a StPO gegeben ist, neben spezialpräventiven Gründen auch die Belange der Allgemeinheit berücksichtigt werden. Insbesondere bei Straftaten, die im öffentlichen Raum begangen wurden, dadurch über die unmittelbar Betroffenen hinaus Aufmerksamkeit erregt haben und deshalb geeignet sind, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu beeinträchtigen, und/oder den Eindruck erweckt haben, dass sich Ungesetzlichkeiten im Alltagsleben einbürgern und deshalb geeignet sind, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern, soll in der Regel das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen sein. Zudem wird hervorgehoben, dass trotz der bei massenhaft auftretenden Eigentums- und Vermögensdelikten regelmäßig nur geringen Schadenshöhe es sich in jedem Einzelfall um strafbares Verhalten handelt, auf das entsprechend der Intention des Gesetzgebers grundsätzlich mit einer strafrechtlichen Sanktion zu reagieren ist.“

Deutlicher kann man gar nicht sagen, dass es vor allem um Kosmetik geht, darum, Straftaten, „die im öffentlichen Raum begangen wurden“, schneller zu bestrafen, in der Hoffnung, mit den Tätern verschwindet auch der Eindruck, der öffentliche Raum sei nicht mehr sicher. Damit passt die Verfügung natürlich in all die Placebo-Maßnahmen, mit denen auch die Innenminister öffentlich Kampfkraft inszenierten – von der Politik der „gefährlichen Orte“ bis zu den mit viel Tamtam eingeführten Waffenverbotszonen.

Es geht um das „Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“. Ob das „Vertrauen in den Rechtsstaat“ wächst, wenn Bagatellstraftäter schneller bestraft werden, ist offen. Erst recht, wenn man bedenkt, dass sich Polizei und Gerichte ja redlich bemühen, den Taten auch Gerichtsurteile folgen zu lassen. Nur schafft man die Rauschgiftkriminalität nicht wirklich aus der Welt, wenn man die kleinen Kokser und Dealer fängt und wegsperrt. Jedenfalls nicht, wenn die Ermittlungskapazitäten der Polizei nicht wachsen und nur neun Extra-Anwälte für die Bagatellstrafverfahren eingestellt werden.

Man hat das Personalproblem erst anwachsen lassen und riskiert, dass viele Strafverfahren ohne Urteil bleiben, weil es am Personal fehlt. Und nun meint zumindest der Justizminister, dass man mit eifrigem Fliegenfangen das Problem löst.

Und am Ende wird es richtig lustig, wenn Jalaß fragt: „Kann die CDU nicht auch einfach Wahlkampf mit Plakaten und ein paar Flyern machen?“

Worauf ihm der Justizminister antwortet: „Von einer Beantwortung der vorgenannten Frage wird abgesehen. Der Staatsregierung als solcher liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Die Staatsregierung ist dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich.“

Wen aber sollte Jalaß da fragen? Das weiß Sebastian Gemkow auch: „Letzteres ist hier der Fall, denn die Frage betrifft nicht Angelegenheiten der Staatsregierung, sondern der Partei CDU.“

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