Im dritten Spiel der Champions-League-Gruppenphase erlebte Hypo Niederösterreich am Freitag in Leipzig sein ganz eigenes Handball-Halloween. Ein bestens aufgelegter HCL lehrte den Gästen nach allen Regeln der Kunst das Gruseln und schickte sie mit einer historischen 22:42-Packung wieder nach Hause. "Leipzig have pulverized Hypo after a blitzkrieg home performance (...)", vermeldete die offizielle Seite des Europäischen Handballverbandes (EHF) martialisch - und ersetzte wenig später "blitzkrieg" durch "powerful".

In den 1990er Jahren galt Hypo Niederösterreich als die beste Club-Mannschaft der Welt. Von 1989 bis zur Jahrtausendwende gewannen sie gleich achtmal die Champions League. Doch der Lack ist inzwischen ab. Vergangene Saison ging erst die ungarische Spielmacherin Bernadett Temes (wechselte zu TuS Metzingen) verlustig, dann kündigte auch noch der brasilianische Handballverband seine Kooperation auf, wodurch mehrere brasilianische Nationalspielerinnen samt Trainer flöten gingen.

Nun will das Team aus der 8.700-Seelen-Gemeinde Maria Enzersdorf wieder verstärkt auf einheimische Talente setzen. Ob es für die Hypo-Truppe reicht, um in die Hauptrunde der Champions League einzuziehen, bleibt abzuwarten. Ihr Auftritt am Freitag in der Arena Leipzig lässt daran jedoch leise Zweifel aufkommen. Am Halloween-Tag verteilten sie vor der Partie zunächst süße Mozartkugeln an ihre Gegner, bekamen im Spiel allerdings mächtig Saures verabreicht.
Denn gegen Hypo machte der HC Leipzig genau da weiter, wo er vor fünf Tagen gegen Krim Ljubljana (30:24) aufgehört hatte. “Unser klares Ziel war: Heute muss ein Sieg her!”, beschrieb HCL-Rechtsaußen Alexandra Mazzucco die Vorgabe des Tages – und eröffnete gleich selbst den Torreigen. Anne Müller und Luisa Schulze legten nach, so dass die Gastgeber nach sechs Minuten bereits 3:0 führten.

Hätte es am Tag der Hexen und Gespenster stutzig machen sollen, dass die Niederösterreicher ausgerechnet im 7. Angriff in der 7. Minute durch die Nummer 77 ihren ersten Treffer erzielten? War für die Gäste eine verflixte Partie vorherbestimmt? Für die magischen Momente jedenfalls war ausschließlich der HCL zuständig. Der hatte zum Beispiel Saskia Lang aus dem Handball-Lazarett (ausgekugelter Finger) wieder in die Start-Sieben gezaubert. Dort sprühte die 27-Jährige förmlich Funken, lieferte sich mit Mazzucco ein internes Duell um die Torjäger-Krone. Das endete remis, beide erzielten neun Treffer.

Schon in der 22. Minute lagen die Leipzigerinnen erstmals mit zehn Toren vorn. Nach einer zauberhaften Kombination hatte Anne Müller vom Kreis zum 16:6 abgeschlossen. Hypo legte eine schier unfassbare Fehlerquote an den Tag und hatte so gar keine erkennbare Idee, wie es die gut sortierte HCL-Abwehr zu überwinden gedachte. Spätestens zur Halbzeit (20:11) war die Spannung raus, nun galt nur noch die Frage: Werden die 40 voll?
Daran änderte auch ein kleiner Wackler zu Beginn der zweiten Halbzeit nichts. Leipzig blieb die ersten vier Minuten lang ohne Torerfolg, kassierte dagegen drei in Folge (20:14/ 34.). Ein Siebenmeter durch Maura Visser löste den Knoten aber schnell, und mit einer Fünfer-Serie brachte sich der HCL wieder auf Kurs (25:14/ 38.).

Leipzig konterte die Gäste nach Strich und Faden aus. “Heute hat Hypo auf dem falschen Fuß gestanden und hat sich dann auch gehen lassen, ist nicht mehr zurückgelaufen.”, beschrieb Mazzucco den Zustand, den die schnelle 21-Jährige sichtlich auskostete. Gleich siebenmal traf sie in der zweiten Hälfte – davon fünfmal per Konter.

Nach 42 Minuten hatte der HCL beim Stand von 30:15 bereits doppelt so viele Treffer auf der Tafel stehen wie sein Kontrahent. Und der Torpegel stieg unaufhaltsam. Einer der zahlreichen Mazzucco-Konter führte beim 41:21 (59.) das erste Mal zu einem Vorsprung von plus 20 Toren – und das in der Champions League! Den Endstand von 42:22 stellte schließlich Roxana Ioneac her, die neben Michelle Urbicht noch etwas internationale Luft schnuppern durfte.
“Das war ein richtig geiles Spiel!”, strahlte Alexandra Mazzucco im L-IZ-Interview. Schon in der Anfangsphase hatte sie gemerkt, dass es gut werden könnte: “Die Abwehr war stabil, vorn haben die Tore gepasst. Dann ging es immer weiter und weiter. Wir wollten auf gar keinen Fall nachlassen.” Und dann war da ja noch das Tor-Duell mit Saskia Lang: “Wir haben uns gegenseitig gepusht, wollten Spaß haben und in der zweiten Halbzeit viele Tore zeigen. Einfach rennen und Tempo gehen. Ich glaube, das hat geklappt und wir sind super zufrieden damit.”

Gar zu hoch können die Leipzigerin ihre Beine trotzdem nicht legen, denn bereits am Sonntag steht mit Bad Wildungen der nächste Herausforderer vor der Arena-Tür. Ab 15 Uhr geht es dann um zwei begehrte Liga-Punkte.
HC Leipzig vs. Hypo Niederösterreich 42:22 (20:11)
Champions League, Gruppenphase (Gruppe A)

HC Leipzig: Schülke, Roth – Lang (9), Mazzucco (9), A.Müller (6), Kudlacz (6/2), Schulze (4), Visser (4/2), Ioneac (2/1), Hubinger (1), Urbicht (1/1), Hertlein, Reimer. Trainer: Norman Rentsch.
Hypo Niederösterreich: Hajgato, Sanko – Acimovic (8/2), Gomes da Rocha (4), Kaiser (3), Costa (2), Rotis-Nagy (2), Dedic (1), Musalem Araos (1), Wess (1), Belik, Budecevic, Goricanec, Lerant, Mauler. Trainer: Ferenc Kovacs.

Schiedsrichter: Jiri Opava/ Pavel Valek (Tschechien). Zwei-Minuten-Strafen: HCL 2x (Lang, Visser), Hypo 3x (Kaiser, Dedic, Musalem Araos). Siebenmeter: HCL 6/6 (Kudlacz 2/2, Visser 2/2, Ioneac 1/1, Urbicht 1/1), Hypo 3/2 (Acimovic 3/2). Zuschauer: 2.211 in der Arena Leipzig.

Mehr Informationen zur EHF-Champions-League:
www.ehfcl.com/women/2014-15/rounds/2/Group+Matches

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