„Das Leben der Frau fängt doch mit dem Mann erst recht an, d.h. ihr glückliches Leben. Keinem Menschen kann ich sagen, wie glücklich mich mein lieber Friedel macht. Aus der Enge in die Weite ging mein Weg und ganz erfüllt bin ich von dem Gedanken, dass er der ‘Rechte’ ist.“

Dies schreibt Elise Herold an ihre Schwester Lydia im Mai 1912, als sie mit ihrem Mann Friedrich ins südamerikanische Peru auswandert.

Nach der kurzen, stürmischen Verliebtheitsphase folgen Ernüchterung, Enttäuschung und schließlich Verbitterung. Die Ehe wird zum Desaster, das berufliche Projekt der Bierbrauerei scheitert. Elise wird von ihren Kindern getrennt, verliert ihren Besitz und schließlich auch ihre Gesundheit. Als Gefangene gesellschaftlicher Frauenbilder, aber auch einer selbst auferlegten Opferrolle gelingt es ihr nicht, sich aus der Fremdbestimmtheit durch die Männer in ihrem Umfeld zu befreien und ihre Wünsche zu verwirklichen.

Anhand der Briefe an ihre Schwester und später an ihre älteste Tochter wird Elise, durch die Schauspielerin Isa E. Flaccus verkörpert, zum Leben erweckt. Respektvoll, aber auch kritisch geht die szenische Lesung Elises Denken, Fühlen und Handeln auf den Grund. Der Abend wird musikalisch untermalt von der Musikerin Anna Gaide (Elises Urenkelin) und ihrem diatonischen Akkordeon.

Die Märtyrerin. Elises Zeitzeugnis erzählt ein abenteuerliches und bewegendes Frauenschicksal einer deutschen Migrantin und setzt sich mit einer Zeit voller Rollenbilder und Ansichten auseinander, die heute einfach nur noch absurd erscheinen – und doch aktueller sind, als es auf den ersten Blick scheint. Die Fremdbestimmtheit durch Andere gehört für viele Frauen auch heute noch lange nicht der Vergangenheit an.

Konzept: Isa Etienne Flaccus & Anna Gaide
Spiel: Isa Etienne Flaccus
Live-Musik: Anna Gaide
Technik: Lisa Rosum

Isa Etienne Flaccus, geboren 1987 in Neunkirchen Saar, absolviert nach einem Bachelor in Sozialwissenschaften und Philosophie ihre Schauspielausbildung an der Theaterakademie Sachsen. Sie sammelt Erfahrungen in der freien Szene Berlin und Leipzig, u.a. in dem von ihr initiierten Projekt Die Zofen an den Cammerspielen. Es folgen drei Jahre Festengagement am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz. Als Gast spielt sie daraufhin an der Deutschen Bühne Ungarn.

Aktuell ist sie in Die Reise zum Mittelpunkt der Erde beim Freien Theater Harz in der Rübeländer Baumannshöhle und in Die kleine Hexe beim Theater der Tiefe zu sehen. Außerdem gehört sie zum Team von Lola-Events, wo sie in drei Stücken mitspielt.

Seit 2020 hat sie an unterschiedlichen Theaterworkshops in Griechenland, Deutschland und Frankreich teilgenommen und macht regelmäßig bei Pantomime-Workshops von Anke Gerber mit. Im Januar 2022 ist sie unter dem Künstlernamen La Tienne eine der Mitbegründerinnen des Leipzig Burlesque Club.

Anna Gaide wurde 1983 in Stuttgart geboren. Die hauptberufliche Übersetzerin lernte 2015 bei einem Frankreich-Aufenthalt das diatonische Akkordeon kennen und spielt dieses Instrument seither mit großer Leidenschaft. In der Coronazeit begann sie zu komponieren und schrieb allein in den Jahren 2020 und 2021 über 50 Stücke. Ihre Kompositionen waren Teil des musikalischen Rahmens für den vom TheaterPACK inszenierten Sommernachtstraum im Sommer 2020. Sie ist Teil der Bands Lunesk und Chamelles de Bois, die beide auf französische Tanzmusik (Balfok) spezialisiert sind.

PREMIERE: Mittwoch, 22. Februar 2023 | 20 Uhr
weitere Termine: Donnerstag, 23. bis Samstag, 25. Februar | jeweils 20 Uhr Cammerspiele Leipzig (Kochstraße 132, 04277 Leipzig)

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