Ob es eine gute Idee war, die Insolvenz der Holding anzumelden? Wer weiß das schon. Mitgesellschafter Daniel Kirchhof jedenfalls wollte es nicht, er hielt das Unternehmen noch am Sonntag, 17. Juli, für rettbar und soll selbst versucht haben, Investoren zu finden. Während Insolvenzverwalter Lucas Flöther derzeit unter hohem Zeitdruck gutes Wetter macht und verkündet, erste Kaufinteressenten gefunden zu haben, versucht Daniel Kirchhof nun die Wahrheit über die Herkunft des angeblich falschen Bargeldes bei der Venedigreise seines Ex-Partners Thomas Wagner herauszubekommen.

Wie lautet gleich die Frage, die Zwerg Gimli im „Herr der Ringe“ angesichts der Flucht zweier Hobbits seinen beiden Begleitern Aragorn und Legolas stellt? „Fangorn … welch Wahnsinn trieb sie da hinein?“ Eine Frage, welche gleich auf mehrere Abläufe bei Unister zutreffen dürfte.

Im Jahr 2015 tobte ein fruchtloser Streit zwischen den Gesellschaftern. Kirchhof gegen Wagner hieß es einst, Thomas Wagner wollte Daniel Kirchhof nicht mehr in der Gesellschaft haben, Kirchhof fürchtete damals öffentlich schwere Probleme beim Leipziger Portalbetreiber. Die Vorwürfe seitens Wagner gegen Kirchhof, er habe Gelder veruntreut, erwiesen sich als haltlos. Daniel Kirchhof behielt am Ende Recht und Wagner durfte diesen Vorwurf nicht mehr wiederholen. Eine eilig einberufene Sitzung der Travel24.com AG zur Absetzung Kirchhofs als Aufsichtsrat wurde 2015 wieder abgesagt, Kirchhof blieb im Unternehmen Unister und zog sich selbst aus den operativen Geschäften zurück.

Währenddessen zog Thomas Wagner das Unternehmen wieder näher an seine Person heran, steuerte als Geschäftsführer unzähliger Töchter und der Unister Holding GmbH den Konzern weitgehend allein.

Um seine Anteile zu sichern, übertrug sie Daniel Kirchhof wohl kurzzeitig an die ebenfalls an der Unister Holding GmbH beteiligte „30. Opus Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH“. Widerrechtlich, wie anschließend ein weiterer Rechtsstreit klärte, er erhielt seine Anteile zurück und besitzt sie bis heute. Alles vorbei, alles gestern. Doch der Streit von einst scheint auch in der Entscheidung am Sonntag, den 17. Juli, eine Nachwirkung gehabt zu haben. Hier konnten sich laut neuen MDR-Recherchen die verbliebenen Anteilseigner der Holding erneut nicht einigen, wie es weitergehen soll mit dem Unternehmen.

Hoffnung auf einen eigenen Weg

Kirchhof sah die Ampeln laut MDR wohl auf Grün für einen eigenen Weg ohne Insolvenz. In einer Vorab-Pressemitteilung zur Sendung „Exakt“ (heute 20:15 Uhr) steht zu lesen: „Kirchhof bedauert, dass das Unternehmen in die Insolvenz gegangen ist. Er habe gleich am Wochenende zahlreiche Gespräche mit möglichen Investoren und den Gesellschaftern geführt, um einen Insolvenzantrag zu vermeiden.“

Daniel Kirchhof selbst zu den Stunden vor der Insolvenzanmeldung am Montag, 18. Juli: „Ich hatte das ganz dringende Bedürfnis zu schauen, wie schlimm ist es im Unternehmen, lasst uns drüber reden, lasst uns nach Lösungen suchen, Vorschläge unterbreiten, damit wir ganz, ganz schnell wieder in ein besseres Fahrwasser kommen und eine Rettung ermöglichen“. Dazu sollten nach seinen Überlegungen die drei verbliebenen Gesellschafter gemeinsam in die Geschäftsführung aufrücken.

Doch was Monate nicht klären konnten, blieb auch am Sonntag unter hohem Zeitdruck und auch ohne Thomas Wagner offen. Für einen gemeinsamen Neustart war es offenbar längst zu spät.

„Wenn wir das gemacht hätten, wäre das ein starkes Zeichen nach außen gewesen“, so Daniel Kirchhof in einem längeren Interview mit MDR „Exakt“, welches heute 20:15 im MDR ausgestrahlt wird. „Warum das nicht passiert ist? Die Frage kann ich letztlich nicht beantworten. Wir sind letztlich nicht zu der finalen Entscheidung gekommen, dass es gemeinsam möglich ist.“ Nun sei die Gefahr sehr groß, dass sowohl das Unternehmen als auch der Standort Leipzig in Gefahr sind.

Kirchhof macht sich nun Sorgen darüber, ob es gelinge, das Unternehmen in seiner jetzigen Dimension fortzuführen. „Die Frage ist schon, was bleibt überhaupt davon in Leipzig? So drastisch kann man das formulieren“, so Kirchhof. In der Tat könnte es nun zu einem Ausverkauf des Unternehmens in alle möglichen Himmelsrichtungen kommen, sollte der Insolvenzverwalter tatsächlich Interessenten an den Geschäften von Unister gefunden haben oder noch finden.

Was dies für die 1.000 Mitarbeiter der Tochterunternehmen und die 95 in der Konzernzentrale bedeutet, ist vorerst offen.

Anzeige wegen Untreueverdacht

In seinem Gespräch mit dem MDR zeigt sich nun Kirchhof auch auf einer anderen Ebene kampfbereit. Er „fordert eine umfassende Aufklärung der Geschehnisse rund um das mutmaßliche Geldgeschäft in Venedig und den Absturz des Kleinflugzeuges mit zwei Gesellschaftern an Bord“, so der Sender. Kirchhof gegenüber „Exakt“: „Ich werde noch am Mittwoch Anzeige gegen Unbekannt erstatten, unter anderem wegen Untreueverdacht. Von meiner Seite halte ich es für ganz, ganz dringend, dass da aufgeklärt wird. Insbesondere wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass so eine große Menge Bargeld in der Gegend rumfährt, wer da auch an dem ganzen Vorgang beteiligt gewesen ist, wer davon wusste“, so der Gesellschafter weiter.

Unterdessen hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen zum Flug und dem vorgeblichen Falschgeld in Höhe von 10.000 Schweizer Franken aufgenommen.

Verbraucherzentrale beruhigt Reisende von Urlaubstours

Seitens der Verbraucherzentrale gibt es unterdessen eine gewisse Entwarnung für bereits gebuchte Reisen beim Unternehmen Urlaubstours. „Verbraucher, die eine Reise über dieses Portal gebucht haben, haben … erstmal Glück im Unglück“, weiß Anne-Katrin Wiesemann von der Verbraucherzentrale Sachsen.

Beantragt ein Reiseveranstalter wie die Urlaubstours GmbH Insolvenz, werden Kunden über einen sogenannten Reisesicherungsschein aufgefangen. Mit einem Sicherungsschein ist die Absicherung für den bereits gezahlten Reisepreis und sonstige notwendige Aufwendungen gewährleistet, die im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder der Insolvenz entstehen.

„Hier ist es wichtig, darauf zu achten, dass dieser Nachweis auch tatsächlich erbracht wird. Ist das nicht der Fall, sollte man nicht zahlen“, so Wiesemann. Der Nachweis über den Sicherungsschein liegt in der Regel den Reiseunterlagen bei. Das Dokument muss auf der Rückseite der Reisebestätigung abgedruckt oder an sie angeheftet sein.

Wer sich unsicher ist, sollte sich bei den Anbietern der Reiseleistungen wie der Airline, dem Hotel oder Autovermieter rückversichern. Ein Sonderkündigungsrecht besteht allerdings nicht, so die Verbraucherzentrale. Die Buchungen sind auch in der Insolvenz rechtsgültig, sofern der Abschluss verbindlich war und der Nachweis über die Reiseabsicherung vorliegt.

Wer seine Reise also jetzt kündigt, muss mit Stornogebühren rechnen. Auch die Kanzlei „Flöther & Wissing“ hatte bereits gestern die Durchführung bereits gebuchter Reisen bei Urlaubstours verkündet.

Die Verbraucherzentrale Sachsen wird die weitere Entwicklung der Unistergruppe aufmerksam beobachten und steht allen betroffenen Verbrauchern mit Rat und Tat zur Seite.

Zum Artikel vom 19. Juli 2016: Unistertochter Urlaubstours beantragt Insolvenz

Unister-Tochter Urlaubstours GmbH stellt Insolvenzantrag

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