Am 7. Juni hatte die Leipziger Wohnungsgenossenschaft Kontakt e. G. zu einem netten kleinen Pressetermin eingeladen, weil man mal wieder was zu erzählen hatte. Nicht unbedingt über den Erfolg der Genossenschaft. Den hat sie. Die Wohnungen sind gefragt, die Mieter treu. Und trotz eines niedrigen Mietniveaus ist Geld da zum Investieren. Und das löst Folgeeffekte aus. Darum ging es.

„Die Kontakt e. G. hatte allein 2015 Ausgaben in Höhe von 62,5 Millionen Euro – wir sprechen dabei von dem ausgelösten Impuls. Das meiste davon bleibt in Leipzig und dem direkten Umland“, erklärt Matthias Günther vom Pestel Institut, das die Zahlen für die Kontakt e. G. einmal ausgerechnet hat.

Dessen Gründer Eduard Pestel gehörte in den Sechzigerjahren zu den Autoren der berühmten Studie „Grenzen des Wachstums“. Bis heute forscht das Institut mit Sitz in Hannover zu nachhaltigen Wirtschaftsstrukturen. In einer Wertschöpfungsstudie untersuchte es die Bedeutung der größten Leipziger Wohnungsgenossenschaft für die Wirtschaft der Region.

„Die Kontakt e. G. zeigt besonders eindrucksvoll, was regional verwurzelte Wohnungsunternehmen und -genossenschaften für die Wirtschaft vor Ort leisten“, so Günther weiter.

Als Beleg führt er Ergebnisse der Studie an: Bei der Kontakt e. G. gibt es rund 190 Vollzeitstellen – doch insgesamt hängen 514 Arbeitsplätze in der Region an den Aktivitäten der Genossenschaft. Die verausgabte Wertschöpfung beträgt 23,7 Millionen Euro. Dazu gehören etwa die Ausgaben für Löhne, Gehälter, Steuern und Sozialabgaben.

38,9 Millionen Euro gibt die Genossenschaft für Güter und Dienstleistungen aus.

„Zusammenfassend kann man sagen: Von jedem Euro, den die Mieter der Kontakt e. G. überweisen, bleiben 70 Prozent in Leipzig und der Region“, sagt Matthias Günther.  Bestandshaltende Wohnungsunternehmen – also solche, die in erster Linie bauen, um die Gebäude anschließend zu vermieten – erzielten häufig hohe Werte, erläutert er weiter – die Kontakt e. G. steche jedoch hervor.

Wie Wirtschaftskreisläufe entstehen

Wobei man die Euphorie an der Stelle durchaus dämpfen darf. Denn tatsächlich zeigt die Studie des Pestel-Instituts, wie Wirtschaft tatsächlich funktioniert. Kein Unternehmen arbeitet im luftleeren Raum. Jedes einzelne ist gezwungen, Dienstleister und Zulieferer zu beauftragen, Löhne und Steuern zu bezahlen. Für jedes Unternehmen in Leipzig könnte man so eine Grafik malen, die zeigt, wie die Arbeit eines einzelnen Unternehmens für Aufträge, Umsätze und Beschäftigung in anderen Unternehmen sorgt. Und zwar in einer Größenordnung, die über dem eigenen Geldeinsatz liegt. Geld, das in Aufträge, Löhne, sogar Steuern gesteckt wird, erzeugt Wertsteigerungen, ermöglicht anderen wieder neue Aufträge auszulösen, Angestellte zu bezahlen, Investitionen zu tätigen.

Etwas, was die Narren etwa vom Steuerzahlerbund nie begreifen werden: Dass jeder Steuereuro wieder Wirtschaftsumsätze generiert. Wenn die Kommunen damit nicht eben nur Schulden bezahlen. Aber selbst Zinsen und Kreditraten erzeugen – über die Bank – wieder Investitionen an anderer Stelle.

Was das Pestel-Institut macht, ist tatsächlich sichtbar zu machen, warum Menschen und Unternehmen Geld ausgeben müssen. Und zwar überlegt und möglichst regional. Dann löst es nämlich wieder regionale Folgeinvestitionen aus.

Denn wenn die Kontakt 18 Millionen Euro an Steuern, Zinsen und Pacht zahlt, bedeutet das nicht nur 18 Millionen Euro bei denen, die das Geld bekommen, sondern sie lösen weitere Konsumausgaben und Investitionen in Höhe von 11,5 Millionen Euro aus. Aus den 18 Millionen werden 29 Millionen Euro.

Was aber eben nur passiert, wenn man das Geld vor Ort ausgibt. Oder eben echten Menschen gibt, die es wieder ausgeben.

Nachhaltiges Wirtschaften in der Region

Die Studie ist ein Plädoyer für das, was das Pestel-Institut nachhaltiges Wirtschaften nennt. Was aber eigentlich ganz klassisches Wirtschaften ist, ein Wirtschaften, bei dem die Unternehmen wissen, dass der Laden dann brummt, wenn man das Geld nicht hortet oder in windige Anleihen steckt, wie es die Gralshüter der neoliberalen Geldvernichtung seit Jahren predigen, sondern ausgibt. Für echte Dinge und richtige Menschen.

Schreckliches Wort: Ausgeben! Weggeben! Das schöne Geld!

Aber genau so haben die beauftragten Unternehmen wieder Treibstoff zum Arbeiten, können Leute, Steuern und Abgaben zahlen und selber wieder Bestellungen auslösen. Wirtschaft funktioniert nur, wenn das Geld in diesen Kreisläufen zirkuliert und auch immer wieder in den Börsen echter Menschen landet. Die zum Beispiel ein Bedürfnis nach einer schönen Wohnung haben und sich bei der Kontakt einmieten.

„Wir denken langfristig“, erklärt dazu Jörg Keim, geschäftsführender Vorstand der Kontakt e. G. „Und langfristig zahlt es sich eben aus, mit bewährten Handwerkern und Zulieferern zusammenzuarbeiten. Man kennt sich, man kann sich aufeinander verlassen. Davon profitieren auf Dauer alle Seiten. Als Wohnungsgenossenschaft können wir es uns auch leisten, so nachhaltig zu denken: Uns sitzen keine Gesellschafter im Nacken, die auf Gewinnausschüttungen oder kurzfristige Kursgewinne drängen. Wir müssen nur unsere Mitglieder überzeugen, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.“

Geld muss in Bewegung bleiben – vor Ort

Im Falle der Kontakt e. G. sind das rund 24.000 Menschen. Die meisten Mitglieder sind zugleich Mieter in einer der rund 15.000 Genossenschaftswohnungen, von denen über 14.000 in Leipzig liegen. Damit gehört die Kontakt e. G. zu den größten Immobilienunternehmen Sachsens. Ein echtes Schwergewicht der Branche also – das öffentlich kaum auffällt.

„Unternehmen wie die Kontakt e. G. bewegen gewaltige Summen, halten Mieten bezahlbar, engagieren sich sozial – und kaum jemand weiß das“, meint Kay P. Stolp. Der Geschäftsführer der Marketinggesellschaft stolp+friends arbeitet seit vielen Jahren für Wohnungsunternehmen. „Es ist Zeit, dass sich das ändert.“

Zurzeit sei eine Kampagne in Planung, um die Ergebnisse der Wertschöpfungsstudie in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

„Mit durchschnittlich 4,62 Euro Grundmiete pro Quadratmeter liegen wir deutlich unter den Mietspiegeln“, betont Kontakt e. G.-Vorstand Jörg Böttger. Dennoch erwirtschaftet die Genossenschaft Gewinne. „Wir sind ein (fast) geschlossener Wirtschaftskreislauf“, begründet das Jörg Keim. „Keine externen Gesellschafter verdienen mit. Alle Einnahmen fließen in den Bestand, den Service oder Neubauten.“

Die nächsten Bauprojekte der Kontakt e. G. sind in Planung. Zurzeit baut die Genossenschaft beispielsweise Wohnungen für Familien in der Biedermann-/Leopoldstraße in Leipzig-Connewitz. Zudem werde die Genossenschaft allein bis 2021 rund 130 Millionen Euro in Instandhaltung, Modernisierung und Neubau investieren, rechnet Vorstand Uwe Rasch vor. Ein Großteil dieses Geldes wird wohl wiederum Leipziger Betrieben zugute kommen.

Und da das bei anderen Leipziger Unternehmen ganz ähnlich ist, bekommt man ein Bild davon, wie dieses immer wieder neue Reinvestieren die Wirtschaft in einer Stadt ins Laufen bringt und am Laufen erhält. Zumindest, wenn alle emsig wieder investieren.

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Wieder einmal ein Artikel, der kurz und knapp klarmacht, wie Wirtschaft funktioniert. Danke dafür! Und auch für den kleinen Nebenangriff auf die “Narren vom Steuerzahlerbund”. Seit Jahren bemühe ich mich, dessen Aufmerksamkeit auf die – gesetzlich vorgeschriebene – Verschwendung beim öffentlichen Bauen zu richten. Nie habe ich eine Antwort oder sonstige Reaktion des Steuerzahlerbundes erhalten. Dort pflegt man mit seinen Publikationen lieber, möglichst viele Sensationen mitzuteilen. Es geht dabei aber immer um das Fehlverhalten einzelner Bediensteter – was man natürlich nicht prinzipiell abstellen kann und wofür der Staatsanwalt zuständig ist. Die unsinnigen Vorschriften, die die Beamten generell zur Verschwendung zwingen, geraten dabei nie in den Blick. Denn das ist ja formal nicht zu beanstanden. Allein die Pflicht zur “europaweiten” Ausschreibung, deretwegen immer wieder dubiose Firmen, die die Situation in Leipzig nicht kennen (oder kriminell ausnützen wollen) den Zuschlag erhalten, schädigt unsere regionale Wirtschaft um Millionenbeträge.
Noch ein Lob: ich war nach der Wende zwei Jahre Mieter der Kontakt-Wohnungsbaugenossenschaft. Ich habe es später bedauert, diese Wohnung aufgegeben zu haben. Die Genossenschaft war schon damals vorbildlich.
Dr. Peter Gutjahr-Löser

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