Die mitteldeutsche Wirtschaft zeigt sich noch unbeeindruckt von der Schuldenkrise im Euroraum. So zumindest kann man den Konjunkturbericht "Wirtschaft in Mitteldeutschland 2012", den die Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, die Handwerkskammer zu Leipzig sowie die Handwerkskammer Halle (Saale) gemeinsam erstellt haben, interpretieren. Danach liegt der aus den Antworten von mehr als 2.200 Unternehmen ermittelte Konjunkturklimaindex im Frühjahr 2012 auf einem Rekordniveau.

Andererseits ist es tatsächlich das Lagebild des Frühjahres. Wie schlecht das europäische Krisenmanagement in Sachsen Griechenland, Spanien, Italien tatsächlich ist, hat sich ja erst in den letzten Tagen deutlicher gezeigt. Und wie stark das verfehlte Krisenmanagement in Europa auch auf scheinbar fern liegende Volkswirtschaften wie die in China wirkt, wird auch erst dieser Tage deutlich. Unter anderem auch mit den fallenden Ölpreisen an den Börsen. Zur Zeit der einzelnen Kammerumfragen um Ostern war der Ölpreis an den Börsen auf seinem Höchststand. Mittlerweile hat er deutlich nachgegeben. Die Öllager sind voll. Viele Volkswirtschaften haben ihren Bedarf gedrosselt.

Oder – siehe die rigiden Sparprogramme in Europa – per Auflage drosseln müssen.

Eine regionale ist natürlich nicht nur vom Export abhängig. Der Aufschwung wird von einer außen- wie binnenwirtschaftlich gleichermaßen starken Nachfrage getragen. Die anhaltende Schwäche der Volkswirtschaften in weiten Teilen Südeuropas hat sich für die regionalen Unternehmen bisher noch nicht negativ ausgewirkt, lautet ein Fazit der mitteldeutschen Kammern.

Allerdings mache sich in den Geschäftserwartungen eine zunehmende Unsicherheit über die weitere konjunkturelle Entwicklung bemerkbar. Die Euro-Rettung sowie die damit verbundenen enormen Belastungen für die öffentlichen Haushalte werden zu einem immer stärkeren Risiko für die Realwirtschaft und drohen, den weiteren Erholungsprozess zu gefährden.

“In einem turbulenten internationalen Umfeld stellt die mittelständische Wirtschaft ihre Anpassungsfähigkeit und Stärke unter Beweis”, meint Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle, zur jetzigen Umfrage-Auswertung. Ein Selbstläufer sei die aktuelle Konjunkturdynamik jedoch nicht gewesen. Die Unternehmen hätten vielmehr während der Wirtschaftskrise ihre Hausaufgaben gemacht, Innovationen vorangetrieben, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und die Finanzierung auf solide Füße gestellt. Positive Flankierung erhielte der konjunkturelle Aufschwung im mitteldeutschen Raum von guten Arbeitsmarktzahlen, der steigenden Kaufkraft der Konsumenten und einem verlangsamten Bevölkerungsrückgang. Diese Entwicklungen seien Ausdruck wachsender Attraktivität Mitteldeutschlands für Gewerbe und Bürger gleichermaßen.

Die gesamte Breite der gewerblichen Wirtschaft profitiere von der guten Konjunktur und präsentiere sich in einer robusten Verfassung. Dies spiegele sich in den Lagebeurteilungen der Unternehmen wider, die meist über den Vorjahreswerten liegen. Im Detail stellt sich die Situation folgendermaßen dar: 43 % der befragten Betriebe bewerteten ihre Geschäftslage mit “gut” (Vorjahr: 40 %), 12 % mit “schlecht” (Vorjahr: 13 %).
Industrie bleibt Motor

“Der entscheidende Motor für das Wirtschaftswachstum in Mitteldeutschland war auch 2011 wieder die Industrie”, erklärt Dr. Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig. Die stabile Nachfrage aus dem In- und Ausland ließ die Umsätze in den meisten Industriezweigen kräftig anwachsen. Dementsprechend beurteilt die Industrie ihre derzeitige Geschäftslage auch am besten, gefolgt vom Baugewerbe, dem Dienstleistungsgewerbe und dem Handwerk.”

Die Geschäftsaussichten für die kommenden Monate seien weiterhin von Zuversicht geprägt. Immerhin 29 % der Befragten beurteilen die weitere Geschäftsentwicklung als “günstig” (Vorjahr: 30 %), lediglich 12 % als “ungünstig” (Vorjahr: 12 %). Somit überwiegt per Saldo erneut die Zahl der optimistischen Antworten. “Dieses Ergebnis unterstreicht nicht nur die gute Verfassung der gewerblichen Wirtschaft, sondern spiegelt auch das Vertrauen der Unternehmen in ihre eigene Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit wider”, so Dr. Thomas Hofmann.

Trotz düsterer Wolken am Horizont wollen Unternehmen der Region weiter zulegen. Die Investitions- und Personalplanungen der Unternehmen zeigen deutliche Expansionsbestrebungen: Zwei Drittel der befragten Unternehmen (66 %) wollen ihre Investitionen steigern oder zumindest halten. 14 % der regionalen Wirtschaftsunternehmen planen, die Mitarbeiterzahl zu erhöhen, 8 % haben einen Stellenabbau angekündigt.

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Notwendigen wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf sieht der Präsident der Handwerkskammer Halle, Thomas Keindorf, vor allem beim Thema Energiewende.

“Die steigenden Energiepreise dürfen die Akzeptanz des Atomausstiegs und der erneuerbaren Energien nicht gefährden”, sagt er. Schließlich seien es vor allem die privaten Verbraucher und kleine sowie mittelständische Unternehmen, die durch steigende Abgaben belastet würden. In diesem Zusammenhang fordert er mehr Zurückhaltung bei staatlicher Förderung, sei es für die Solarbranche oder für andere Industrieansiedlungen.

“Um den Raum Leipzig-Halle zu stärken, muss die bundesländerübergreifende Zusammenarbeit weiter gepflegt und vertieft werden”, fordert Dr. Thomas Hofmann. Immerhin zeigen die vier Kammern, dass länderübergreifende Zusammenarbeit möglich ist.

Bestehende Hemmnisse insbesondere in verkehrlicher, administrativer und fördermitteltechnischer Hinsicht sollen durch die betroffenen Bundesländer schrittweise abzubauen, fordern die vier Kammern. “Der Fehler der laufenden EU-Förderperiode, innerhalb eines Bundeslandes bzw. einer Wirtschaftsregion unterschiedliche Förderregelungen anzuwenden, darf nicht wiederholt werden”, so Hofmann weiter. “Entsprechend muss für die Förderperiode 2014 bis 2020 in Mitteldeutschland eine weitgehend identische Fördergebietskulisse gelten.”

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