Am 10. Oktober beginnt die Frankfurter Buchmesse. Auch Verlage aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fahren wieder hin, stürzen sich ins Gewimmel der Branche, hoffend auf gute Bestellungen. Auch aus dem Westen. Denn wer nur daheim verkauft, kommt nie auf einen grünen Zweig. 64 mitteldeutsche Verlage fahren nach Frankfurt, 36 davon aus Sachsen.

“Der Buchmarkt war im Jahr 2011 stabil, auch wenn der Umsatz nach sieben Jahren kontinuierlichen Umsatzwachstums erstmals wieder zurückgegangen ist, um 1,4 Prozent. Die Konjunkturschwankungen in der Wirtschaft der vergangenen Jahre sind damit, wenn auch verzögert, auf dem Buchmarkt angekommen”, sagt der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dr. Gottfried Honnefelder, im Vorwort zur neuen Marktanalyse “Buch und Buchhandel in Zahlen 2012”. “Der Umsatz mit E-Books hat sich im Vergleich zu 2010 verdoppelt. Doch noch können diese steigenden Umsätze den Rückgang auf dem Markt nicht kompensieren. Kontinuierlich wächst der Anteil des Online-Geschäftes ebenso wie das Direktgeschäft der Verlage. Am stärksten davon betroffen ist der stationäre Buchhandel, dessen Anteil am Buchmarkt bereits seit 2008 zurückgeht.”

Man merkt: Da ist ein großes Rätselraten um das Bildungsgut Buch. Den Umsatzrückgang der Konjunkturentwicklung zuzuschreiben, ist aber zu kurz gesprungen, denn das Gesamtkonsumverhalten ist nicht rückläufig. Wer es sich leisten kann, kauft und bestellt noch allemal mehr als zuvor. Aber die Gruppe der solventen Käufer ist geschmolzen. Die Niedriglohnpolitik hat ihre Konsequenzen. Sie verwandelt auch das Buch für immer mehr Menschen zu einem Luxusgut. Und die Buchhandlung zu einer in weiten Teilen des Landes aussterbenden Gattung.

Und die Träume vom digitalen Buch ersetzen diese Rückgänge natürlich nicht. 2011 steuerten E-Books ein Prozent zum bundesweiten Buchumsatz bei. Damit hat sich das digitale Volumen immerhin verdoppelt: 2010 hatte der Anteil noch bei 0,5 Prozent gelegen.

Was eben auch heißt: Wer keinen ordentlichen Internet-Anschluss hat, kann das auch nicht ersetzen. Denn wo die Filialen des Buchhandels seltener werden, kann man Bücher ja immer noch im Netz bestellen. Und immer mehr Leute tun das auch.

Noch hat der stationäre Buchhandel einen Umsatzanteil von 49,7 Prozent, aber damit ist er erstmals unter die 50-Prozent-Marke gerutscht. 2007 lag er noch bei 53,6 Prozent. Dafür ist der Versandhandel – der die Online-Buchhäuser mit einschließt in diesem Zeitraum von 12,6 auf 17,8 Prozent Anteil am Buchverkauf gewachsen. Darunter haben vor allem Warenhäuser und Buchgemeinschaften gelitten, die im modernen Buchverkauf fast keine Rolle mehr spielen.
Dafür hat sich im Internet für die Verlage ein neuer Vertriebsweg aufgetan: Wenn sie ihren eigenen Buchshop gut bewerben, steigen dort die Direktbestellungen der Leser. Was dazu führte, dass der Anteil der Buchverkäufe direkt ab Verlag von 18 auf 19,1 Prozent stieg.

Bleibt natürlich das Bangen, dass die Leser weniger werden. Haben sich nicht die Mediennutzungen in den letzten Jahren gründlich geändert? – Der Börsenverein greift da gern auf die Zahlen der Verbraucheranalyse der Axel Springer AG und Bauer Media Group zum Freizeitverhalten der Deutschen zurück. Und es überrascht: Das Buch schneidet dabei nach wie vor sehr gut ab. 20 Prozent der Bundesbürger ab 14 Jahren lesen nach Feierabend “besonders gern” Bücher. Das sind sogar etwas mehr als im Jahr 2010 (18,9 Prozent).

Geschrumpft ist jedoch im Lauf der vergangenen fünf Jahre die Gruppe derjenigen, die “gern” oder “weniger gern” lesen. Im Gegenzug wuchs die Gruppe der Nichtleser (2011: 19,8 Prozent; 2007: 16,2 Prozent). Was natürlich trotzdem Besorgnis erwecken sollte. Denn was Bücher bieten, können andere Medien nur bedingt ersetzen.

Und die Spitzenposition beim Freizeitverhalten hat das Fernsehen sogar noch ausgebaut. Mit 49,2 Prozent gibt mittlerweile fast die Hälfte der Bundesbürger zu Protokoll, “besonders gern” zur Fernbedienung zu greifen (2010: 46,6 Prozent). Dass das Lesen angesichts der wachsenden Vormachtstellung der elektronischen Medien diesmal keine Popularitätsverluste verbuchen musste, sei bemerkenswert, tröstet sich der Börsenverein.

Andererseits versuchen viele Verlage auch, mit allerlei Kraftakten ihre Umsätze zu steigern. Während der Buchverkauf selbst nur um 0,3 Prozent zunahm, gab es bei den Verlagen bei “anderen Waren” mit 15,1 Prozent einen sehr deutlichen Zuwachs.

Und auffällig ist auch, dass die Verlage nach dem tiefen Krisental 2008 ihre Titelproduktion fast wieder auf das Rekordniveau von 2007 geschraubt haben. Damals wurden 96.479 Titel auf den Markt geworfen, 2011 waren es wieder 96.273.

“Hier ist das wachsende Volumen der Print-on-demand-Publikationen einzurechnen wie auch die zunehmende Zahl von Veröffentlichungen durch Institutionen, die nicht zur Branche im engeren Sinn gehören”, interpretiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels diese Zahl. “Betrachtet man die ‘echten’ Markt-Premieren, sind 2011 exakt 82.048 Erstauflagen erschienen, das sind 2,7 Prozent weniger als im Vorjahr.”

Berlin ist und bleibt die deutsche Verlagshauptstadt. Hier wurden im letzten Jahr 8.622 Titel produziert. Der Börsenverein spricht zwar von einem “Kopf-an-Kopf-Rennen” mit München. Da erschienen immerhin 8.244 Titel. Aber im Grunde beschreibt das nur den starken Konzentrationsprozess der Branche, bei dem München sich seit 1945 erst zur dominierenden Verlagsstadt in der alten Bundesrepublik entwickelt hat und heute im Grunde die stärksten Buchverlage aus dem Süden der Republik bündelt. Einige davon produzieren allein mehrere tausend Titel im Jahr.

Da ist ein Vergleich immer schwer. Welche Rolle spielt da der nunmehr 11. Rang von Leipzig in dieser Hitliste, wo doch schon ein Blick auf einige Münchner Verlage zeigt, dass der deutsche Süden von der großen Abwanderung aus Leipzig 1945 profitiert hat?

Es ist ein schöner Platz, auch und gerade deshalb, weil hinter der Zahl von 929 erschienenen Titeln kein echter Großverlag steht, wenn man von der Klett-Dependance einmal absieht. Das sind alles kleine und Kleinstverlage, die sich auf unterschiedlichsten Feldern tummeln und unterschiedlichste Leserinteressen bedienen.

Man nimmt es wahr und freut sich. Und so lange keiner der großen Elefanten seine komplette Produktion aus lauter Liebe zur Stadt an der Pleiße hierher verlagert, wird sich daran nichts ändern.

Mit den 929 Titeln ist Leipzig im Osten sowieso die Nummer 2 hinter Berlin. Das benachbarte Halle kommt auf 293 Titel im Jahr und ist damit unter den deutschen Verlagsstädten die Nummer 30, Dresden schaffte es auf 190 Titel (46), Erfurt auf 185 (48).

Und bei all den Zahlenspielen vergisst man fast, dass der deutsche Buchmarkt ja nicht nur aus der bundesdeutschen Titelproduktion besteht, sondern eigentlich mit Österreich und der Schweiz einen gemeinsamen Markt bildet, auf dem auch dortige Verlage eine nicht unbedeutende Rolle spielen.

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