Noch ist es zwar erst ein gemeinsames Statement der rot-grünen Regierung in Schweden. Aber für den schwedischen Staatskonzern Vattenfall ist die Weichenstellung damit klar: Er soll sich - noch viel mehr als bisher - als Motor des Umbaus der Energiewirtschaft auf alternative Energiequellen beweisen. Da haben neue Tagebaue keinen Platz und keinen Sinn. Und das gelte nicht nur für Vattenfall, rufen die sächsischen Grünen jetzt von der Seitenlinie in die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD.

Wenn sie gehört werden, wird das Thema Energiewirtschaft im Koalitionspapier der nächsten sächsischen Regierungskoalition etwas anders aussehen als im alten. Doch das ist so selbstverständlich nicht. Denn einer der wesentlichen Gründe, warum die Grünen die Sondierungsgespräche mit der CDU beendeten, waren auch die unvereinbaren Positionen in Sachen Kohleverstromung.

Aber nun könnte die Entwicklung in Schweden zum Auslöser für ein Umdenken auch in Sachsen werden.

“Die schwedischen Grünen und Sozialdemokraten wollen nach der Wahl umsetzen, was sie vor der Wahl angekündigt haben: es soll Schluss sein mit der Braunkohle-Expansion. Ein klares Bild zu den weiteren Konsequenzen für die Braunkohleverstromung in Sachsen wird erst bei der konkreten politischen Diskussion der Pläne in Schweden entstehen. Grüne und Sozialdemokraten werden dort eine Minderheitsregierung bilden. Eines ist jedoch erkennbar und parteiübergreifend schwedischer Wählerwille: Dekarbonisierung des Energiesystems. Zu Deutsch: Raus aus der Kohle”, erklärt dazu der energiepolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Gerd Lippold. “Auch wenn die Fragen zur genauen Umsetzung noch nicht geklärt sind – für uns in Sachsen ist dies eine weitere, unüberhörbare Mahnung, dass das Zeitalter der Kohle zu Ende geht. Der schwedische Wählerwille bildet die Energie- und klimapolitischen Realitäten des Jahres 2014 ab. Deshalb ist diese Aussage auch auf jene Braunkohleaktivitäten in Mitteldeutschland übertragbar, die nicht Teil des Vattenfall-Konzerns sind. Die erneuerbaren Energien sind die Zukunft.”

Denn mit dem alten, unter Schwarz-Gelb gefahrenen Kurs gerät Sachsen unweigerlich in die Sackgasse, auch wenn die Kohlebefürworter auch in anderen Ländern Europas immer wieder Unterstützung finden. Denn was in der Bundesrepublik als Energiewende eingeleitet wurde, hat auch simple Marktkonsequenzen. Der massive Ausbau erneuerbarer Energieanlagen hat schon längst dazu geführt, dass in Spitzenlastzeiten die Strompreise an der Börse purzeln. Was schlichtweg dazu führt, dass die Betreiber alternativer Anlagen immer öfter die Preise bestimmen. Sie haben in Spitzenzeiten einfach das preisgünstigere Angebot. Was schlicht bedeutet: Konventionelle Kraftwerke werden immer unrentabler. Was auch wieder bedeutet: Ihre Betreiber werden immer schwerer noch einen Käufer dafür finden.

“Für Sachsen heißt das, entweder der Freistaat begibt sich umgehend auf einen selbstbestimmten Pfad für den Ausstieg aus der Kohle und für einen Strukturwandel in den betroffenen Regionen oder Sachsen wird aus der Kohle ausgestiegen. Das ist schlecht steuerbar und kann viel schmerzhafter werden”, sagt Gerd Lippold. “Noch vor wenigen Tagen hat es die sächsische CDU strikt abgelehnt, über einen Verzicht auf weitere Tagebauexpansionen in der Lausitz und im Leipziger Südraum überhaupt nachzudenken. Die schwedischen Pläne waren da längst bekannt. Ein Bekenntnis zum Strategiewandel wäre in der schwarz-grünen Sondierung schon keine Dreingabe mehr gewesen, sondern nur noch Anerkennung der Realität. Verantwortlich für Sachsen zu handeln, wird auch für eine künftige schwarz-rote Staatsregierung heißen, diese Realität endlich zur Kenntnis zu nehmen.”Dabei muss man den Vattenfall-Konzern nicht einmal brüskieren, sondern sollte ihn einbinden in den Kurswechsel, der ja in Schweden sowieso passiert.

“Vattenfall ist in Sachsen ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. Sollte die sächsische Staatsregierung ihren energie- und klimapolitischen Blindflug auch in einer schwarz-roten Koalition fortsetzen, dann riskiert sie, dass für Vattenfall ein ‘Raus aus der Kohle’ auch ein ‘Raus aus Sachsen’ wird”, sagt Lippold. “Eine verantwortungsvolle sächsische Energiepolitik muss Vattenfall beim Umsteuern aktiv begleiten. Ziel muss sein, dem in der Lausitz verankerten schwedischen Konzern die Chancen einer – endlich – auch in Sachsen in Gang kommenden Energiewende zu öffnen. Die großen Potenziale der Erneuerbaren Energien in Sachsen liegen durch die bisherige schwarz-gelbe Blockadehaltung brach. Hier bieten sich exzellente Entwicklungsmöglichkeiten. So könnte Vattenfall als wichtiger Arbeitgeber und Investor weiter im Freistaat tätig bleiben und gleichzeitig die unabdingbaren Kursänderungen vollziehen.”

Aber auch auf Bundesebene wird der nun seit fünf Jahren währende sächsische Sonderweg sehr kritisch beobachtet.

Es ist der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), der von den künftigen Koalitionären in Sachsen jetzt einen konsequenten Umbau der Energieversorgung in Richtung Nachhaltigkeit fordert. Nicht nur, weil es überfällig ist, sondern auch, weil Sachsen technisch dazu in der Lage ist.

“Gerade einem Land, das für seine Innovationskraft so bekannt ist wie der Freistaat, stünde es gut an, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu fördern und einen Ausstiegsplan für die klima- und gesundheitsschädliche Braunkohle zu beschließen”, sagt BEE-Geschäftsführer Dr. Hermann Falk an die Adresse von CDU und SPD, die zurzeit über die Energiepolitik in Sachsen verhandeln.

Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland bündelt der BEE die Interessen von 29 Verbänden und Organisationen mit 30.000 Einzelmitgliedern, darunter mehr als 5.000 Unternehmen.

Der BEE spricht sich dafür aus, auf neue Braunkohletagebaue zu verzichten und die ineffizientesten Braunkohlekraftwerke nach und nach abzuschalten. Da in Sachsen der Energieträger Braunkohle ersetzt werden sollte, müsse der Wechsel zu Erneuerbaren Energien in Sachsen noch dynamischer ausfallen: Der Anteil erneuerbarer Energieträger an der Stromerzeugung müsse bis zum Jahr 2030 bei 45 Prozent liegen und bis zum Jahr 2035 auf 100 Prozent angestiegen sein. Die Bundesregierung rechnet für ganz Deutschland mit einem Anteil von 80 Prozent 2050.

CDU und SPD sollten von der sogenannten Länderöffnungsklausel zur Abstandsregelung bei Windrädern ausdrücklich keinen Gebrauch machen, so der BEE. Andernfalls würde der Ausbau der kostengünstigen Windkraft an Land blockiert. Die regionalen Planungsbehörden sollten die Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnhäusern selbst festlegen. In der Regel sollten 750 Meter gelten, in Gewerbe- und Industriegebieten auch weniger.

Die derzeit geltende Wasserentnahmeabgabe auf die Nutzung der Wasserkraft (“Wassercent”) in Höhe von 15 bis 25 Prozent der Einspeiseerlöse nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sollte umgehend wieder abgeschafft werden. Sachsen hatte diese erst 2013 eingeführt. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11.9.2014 gibt es keinen Grund mehr für deren Fortbestand. “Das Potenzial der Wasserkraft ist in Sachsen auch unter Berücksichtigung der umweltrechtlichen Anforderungen noch nicht ausgeschöpft”, sagt Falk.

Ähnliches gilt nach Auffassung des BEE-Geschäftsführers für den Einsatz von Erdwärme zum Heizen und Kühlen von Gebäuden. Die geplante tiefengeothermische ESG-Pilotanlage in Sachsen sei von überragender Bedeutung, sogar im europäischen Maßstab. Die künftige Landesregierung müsse sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Mittel für die Forschungsbohrung bald von der Bundesregierung freigegeben werden.

www.bee-ev.de

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