Am Donnerstag, 26. November, legte die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) ihre neue "Bundesländer-Vergleichsstudie Erneuerbare Energien 2014" vor. Sachsen landet dort - was durchaus eine Überraschung ist - nicht auf dem letzten Platz, sondern liegt - knapp vor Rheinland-Pfalz - auf Rang 9. Ein Rang, der sich ergibt aus großen Anstrengungen in Forschung und Technologie - und heftigster politischer Bremspolitik. Aber andere Bundesländer agieren ähnlich zwiespältig.

Während die Energiewende als gesamtdeutsches Großprojekt gilt, wird sie in den einzelnen Bundesländern mit vielfältigen Mitteln, Schwerpunkten und Intensitäten vorangetrieben, stellt denn die AEE auch fest. Denn zwischen Küste und Alpenrand herrschen verschiedenste geographische, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Ausbau Erneuerbarer Energien.

Um diese heterogene Landschaft adäquat zu erfassen, hat die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit der Bundesländer-Vergleichsstudie zu Erneuerbaren Energien 2014 beauftragt: Wer ist besonders erfolgreich beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und warum? Wo liegen die Hemmnisse? Wo liegen die Stärken und Schwächen der jeweiligen Länder? Was kann getan werden, um die föderale Energiewende zu verbessern?

Die seit 2008 im zweijährigen Rhythmus aktualisierte Untersuchung liefert differenziert und vergleichbar den Status Quo des Entwicklungsstandes Erneuerbarer Energien in allen 16 Bundesländern.

Dass Sachsen nur gerade so auf Rang 9 landet, ist für Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, eher kein Ruhmesblatt: “Die Ergebnisse der Studie sind das Arbeitszeugnis für die Energiepolitik der alten CDU/FDP-Staatsregierung. In der Studie werden erhebliche Anstrengungen im Technologie- und Wirtschaftsförderungsbereich (Platz 3 im Bundesländervergleich) attestiert, die jedoch kaum zu messbaren Umsetzungserfolgen führen (Platz 10). Der Einsatz von Steuermitteln ist damit wenig effizient, weil zugleich der Umsetzung in die Praxis politische Hemmnisse in den Weg gestellt werden.”

Die Studie macht auch sichtbar, dass der energetische Umbau eigentlich eine riesige Chance gerade der ostdeutschen Bundesländer ist – die in den anderen vier Flächenländern im Osten wesentlich besser genutzt wurde – sie belegen in der Reihenfolge Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt die Ränge 3, 4, 5 und 7. Die Windkraftländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein belegen die Ränge 8 und 6. Die Tabellenspitze haben Bayern und Baden-Württemberg inne. Aber überdeutlich wird, dass gerade Sachsen aus seinen technologischen Möglichkeiten in den vergangenen fünf Jahren nichts gemacht hat.

Gerd Lippold: “Auch die neue Koalition setzt weiter auf Verstärkung von Forschungsaktivitäten, ohne klare Ansätze für die Umsetzung erkennen zu lassen. Damit läuft Sachsen Gefahr, den in der Studie offen gelegten Graben zwischen Theorie und Praxis noch breiter werden zu lassen. Das betrifft besonders den Rückstand im Windkraftbereich. Hier liegt Sachsen auf dem vorletzten Platz. Hier zeigen sich die Folgen der gezielten Verhinderungspolitik und Diskreditierungskampagne des letzten Wirtschaftsministers.”Man erinnert sich dabei daran, dass die CDU im Landtagswahlkampf kurzzeitig deutlich machte, dass sie künftig das Wirtschaftsressort wieder selbst besetzen wolle. Etwas, was auch in Wahlkämpfen eher unüblich ist. Deutlich kann man als großer Koalitionspartner gar nicht sagen, dass einem die Arbeit des kleinen Koalitionspartners auf einem so wichtigen Gebiet wie Wirtschafts- und Energiepolitik gar nicht gefallen hat. Ein Ergebnis von fünf Jahren Praxis-Verweigerung beschreibt die AEE so: “Die Erfolge beim technologischen und wirtschaftlichen Wandel (2B) haben in Sachsen im Vergleich zu anderen Ländern abgenommen (Platz zehn; 2012: Platz sieben). Der Anteil von Unternehmen sowie der Beschäftigten in der EE-Branche sind durchschnittlich. Beim Umsatz mit Klimaschutzgütern bezogen auf das BIP ist Sachsen von Platz vier auf Platz sieben gefallen.”

Da kämpfte eine Partei, der man früher mal echte Wirtschaftskompetenz nachsagen durfte, fast fünf Jahre lang gegen die “Verspargelung der Landschaft”, pries die Braunkohle und prangerte auch noch den Ausbau der Solarkraft in Süddeutschland an. Das Ergebnis ist ein Land, das zwar Hochtechnologieforschung betreibt – die Ergebnisse aber nicht in die Praxis umsetzt und auch nicht eingreift, wenn betroffene sächsische Unternehmen unter den Rahmenbedingungen leiden.

Das Ergebnis: Überall da, wo es wirklich voran gehen könnte beim Umbau der Energiewirtschaft, ist Sachsen im Osten mittlerweile das absolute Schlusslicht.

Aus der Einschätzung der AEE: “Im Bereich der Erfolge bei der Nutzung Erneuerbarer Energien (2A) belegt Sachsen Platz zehn (2012: Platz elf). Die Anteile Erneuerbarer Energien am Primär- und Endenergieverbrauch (ohne Strom und Fernwärme) liegen weiterhin im Mittelfeld. Das Potenzial zur Stromerzeugung aus Wind- und Bioenergie wird nach wie vor nur unterdurchschnittlich genutzt (Platz 12 und Platz 13). Hingegen hat die Dynamik beim Zubau von Photovoltaik zugenommen. Sachsen befindet sich hier bei der Potenzialausschöpfung auf dem vierten Rang. Im Bereich Erneuerbare Wärme konnte Sachsen seine Positionen halten beziehungsweise verbessern und befindet sich nun bei diesen Indikatoren im oberen Mittelfeld. Der energiebedingte CO2-Ausstoß ist relativ hoch (Platz 13) und stieg im Untersuchungszeitraum sogar (Platz 15).”

“Erneuerbare Wärme” – das ist vor allem Erdwärme, wohl das einzige Thema aus dem Bündel der neuen Energietechnologien, das in den letzten fünf Jahren auf Regierungsebene Akzeptanz fand.

Die größten Anstrengungen hat die letzte Regierung tatsächlich auf einem Feld entfaltet, das in einem Hochtechnologieland eigentlich nur noch obskur wirkt: der massiven Meinungsmache gegen einen technologischen Umbau der Energiewirtschaft. Das Ergebnis in der Einschätzung von AEE: “Die Anstrengungen zur Systemintegration, die Hemmnisvermeidung und die Vorbildfunktion des Landes sind in Sachsen jedoch sehr gering. Auch die gesellschaftliche Akzeptanz Erneuerbarer Energien in der Nachbarschaft und des Netzausbaus für die Energiewende sind in Sachsen sehr schwach (Platz 14 und Platz 16).”

Wenn nicht mal die Regierung zum energetischen Umbau steht und mit Kohlekraft gegen Windmühlen kämpft, ja, was soll dann der Bürger davon halten?

Gerd Lippold: “Besonders schlecht fällt Sachsen deshalb auch beim Thema gesellschaftliche Akzeptanz der erneuerbaren Energien in der eigenen Nachbarschaft auf. Das ist eine große Bürde, weil es selbst die Umsetzung der nicht sehr ambitionierten Ausbauziele der neuen Koalition massiv behindern wird.”

Die “Bundesländer-Vergleichsstudie Erneuerbare Energien 2014”: www.unendlich-viel-energie.de/themen/politik/bundeslaender/bundeslaender-vergleichsstudie-erneuerbare-energien-2014

Der Sachsen-Teilbericht: www.unendlich-viel-energie.de/media/file/376.AEE_BL_Vergleich2014_Sachsen_Nov14.pdf

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