Über die Leiden der Metropolregion Mitteldeutschland haben wir ja an dieser Stelle schon des Öfteren berichtet. Die Leiden werden weitergehen. Und das nicht nur, weil sich drei Landesregierungen lieber in ihrem provinziellen Kleinklein beglücken und eine Fusion der drei kleinen Bundesländer nicht auf die Tagesordnung setzen. Auch die Mitglieder des Europäische Metropolregion Mitteldeutschland e.V. wissen nicht so recht, wohin.

Das ist mit dem Zusammenschluss der Wirtschaftsinitiative und des Städtenetzwerks Mitteldeutschland zu einem einzigen Verbund nicht besser geworden. Im Gegenteil: Noch mehr Mitglieder mit noch mehr Einzelinteressen haben das Profil weiter verwässert. Offiziell lautet es jetzt so: “Im Verein engagieren sich strukturbestimmende Unternehmen, Städte und Landkreise, Kammern und Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit dem gemeinsamen Ziel einer nachhaltigen Entwicklung und Vermarktung der traditionsreichen Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturregion Mitteldeutschland.”

Mitteldeutschland ist also nur noch eine Klammer für Vermarktungsaktivitäten. Womit der ganze Verein eben nicht das ist, was er sein könnte: eine organisierte Mannschaft, die dafür kämpft, dass endlich “zusammenkommt, was zusammengehört”.

Dass sie dabei mit einer ganzen Reihe ebenso bezuschusster Werbevereine wie etwa der “Invest Region Leipzig” oder der LTM mit ihrer “Region Leipzig” in Konkurrenz tritt, scheint den Machern (die oft sogar dieselben sind wie in den anderen Vereinen) nicht einmal mehr bewusst zu sein.

Und 2015 scheint dann doch einige Leute in diesem Zusammenschluss die Existenzfrage beschäftigt zu haben: Wollen wir nun wirklich Rambazamba für vernünftige politische und Verwaltungsstrukturen in dieser Region machen oder doch lieber nicht?

Und da man sich irgendwie nicht traut, die Frage mit den eigenen Mitgliedern zu klären, wird sie jetzt mit der Leipziger Bürgerumfrage 2015 den Leipzigern gestellt.

“Für wie sinnvoll halten Sie die folgenden Ziele der länderübergreifenden Aktionsplattform ‘Europäische Metropolregion Mitteldeutschland’?”

Es hätte ja sein können, es würde gefragt nach einem “Zusammenschluss der drei Bundesländer” oder nach einer Bündelung der Wirtschaftspolitik oder nach einem echten länderübergreifenden Verkehrskonzept. Aber nichts.

Wen schon die Frage verblüffte, der dürfte durch die angebotenen Ziele erst recht verwirrt sein:

a) Vernetzung und Stärkung der mitteldeutschen Unternehmen, Städte und Gemeinden, Kammern und Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen
b) Steigerung der nationalen Bekanntheit der Region
c) Steigerung der internationalen Bekanntheit der Region
d) Initiierung von konkreten Projekten (z.B. Kulturwegweiser “Meisterwerke aus Mitteldeutschland”, IQ Mitteldeutschland)

Das klingt tatsächlich schon nach geballter Ratlosigkeit.

Das wäre ungefähr so, als ließe der 1. FC Lok via Bürgerumfrage die Leipziger fragen, ob man weiter Fußball spielen solle oder vielleicht doch lieber zum Federball wechseln sollte? Vielleicht noch ein bisschen netzwerken mit anderen Vereinen, ein bisschen Marketing machen und ab und zu einen kleinen Wegweiser veröffentlichen: “Die schönsten Fußballwiesen in Leipzig und Umgebung”.

Wer diese Frage zur Metropolregion in die Bürgerumfrage geschmuggelt hat, der ist entweder völlig verzweifelt, was man mit der Organisation eigentlich noch will, wenn man schon nicht um eine einheitlich verwaltete Wirtschaftsregion kämpfen will. Oder er sucht einen per Votum untersetzten Grund, dem Verein etwas mehr Geld geben zu können, damit überhaupt mal eine öffentlich wahrnehmbare Wirkung entsteht. Denn wenn sich all die in der “Aktionsplattform” (was für ein Wort, wo nicht einmal eine einzige wahrnehmbare Aktion aufgelistet ist) wirklich einmal zusammentäten und – erreichbare – Ziele und Arbeitsschritte absprechen würden, dann würde das Gremium auch Wirkung erzielen.

Ziele und Aktionen gehören ja natürlicherweise zusammen. Aber da ist der Verein schon früh auf die windelweiche Marketingstrategie diverser Unternehmensberater umgeschwenkt: “Image verbessern”, “Innovationen fördern”, “Stärken stärken” usw.

Das ist letztendlich ausdauernde Selbstbeschäftigung, die man dann irgendwie mit Messen und Workshops noch als “Besonderheit” nach außen verkaufen will.

Na gut, bei “Verkehr und Infrastruktur” hat man mittlerweile das Projekt “Metropolregionsticket” auf der Agenda – nur halt nicht die Macht, es durchzusetzen.

Mit der Frage in der “Bürgerumfrage” holt man sich jetzt so eine Art “Ist sinnvoll”-Bestätigung für das, was man sowieso schon macht.

Aber es würde nicht verwundern, wenn auf die benachbarte Frage “Haben Sie schon einmal von der Aktionsplattform ‘Europäische Metropolregion Mitteldeutschland’ gehört?” die meisten Fragebogenausfüller mit “Nein” antworten.

Zwei hübsche Fragepakete haben wir noch.

Dazu gleich mehr.

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