In der sächsischen Wirtschaft macht sich Katerstimmung breit. Aus unterschiedlichen Gründen. Und möglicherweise geht das Jahr 2018 nicht als das Jahr in die Geschäftsbücher ein, in dem die wilde Zollpolitik des US-Präsidenten den Konjunkturaufschwung weltweit stoppte, sondern als das Jahr, in dem der Irrsinn der Internet-Giganten dem sächsischen Einzelhandel den Garaus machte. Amazon & Co. zerstören mehr Existenzen als Donald Trump.

Was erst sichtbar wird, wenn man sich die Auswertung der Konjunkturumfrage der sächsischen IHKs im Detail anschaut. Denn in den Gesamtzahlen fließen natürlich Stimmungs- und Lageberichte aus allen Branchen zusammen.

Was dann diese Gesamtauswertung ergibt: „Die sächsische Wirtschaft bewegt sich nach wie vor auf Expansionskurs, allerdings verringert sich das Wachstumstempo. Während die Unternehmen weiterhin robuste Einschätzungen zur Geschäftslage abgeben, flauen die Geschäftserwartungen für die kommenden 12 Monate etwas ab.

Das Vertrauen schwindet angesichts drohender Handelskonflikte sowie steigender Kosten- und Bürokratiebelastungen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern, an der sich 1.810 Unternehmen mit mehr als 85.000 Beschäftigten beteiligten.“

Der IHK-Geschäftsklimaindex, der die Einschätzungen zur aktuellen Lage und zu den Geschäftserwartungen gleichmäßig berücksichtigt, fällt nach der Bestmarke zum Jahresbeginn mit 138 Punkten weiter auf 133 Punkte (Frühjahr 2018: 136 Punkte).

Das ist noch nicht dramatisch. Denn Erwartungen sind erst einmal nur Kaffeesatz. Niemand weiß, wie sich die Trumpsche Zollpolitik wirklich auswirken wird und ob und wie der Brexit ins Kontor schlägt. Und welche Branchen das wirklich betrifft. Die exportorientierte Industrie natürlich.

„Die sächsische Industrie hat nach dem Stimmungshoch zum Jahresbeginn 2018 ihren konjunkturellen Zenit überschritten. Sowohl die Zufriedenheit der sächsischen Industriebetriebe mit ihren laufenden Geschäften, als auch die Prognosen der Unternehmen für die kommenden Monate sind zum zweiten Mal in Folge rückläufig. Ursächlich dafür ist eine abnehmende Dynamik bei der Auftragsorder, insbesondere aus dem Ausland“, formulieren die IHKs das Fazit.

Wichtig ist hier immer das Lagesaldo, das, was die Geschäftsbücher tatsächlich sehen an Aufträgen, die abgearbeitet werden und die in den Auftragsbüchern stehen. Hier zeigt sich, ob man genug Maschinen, Autos, Motoren bauen kann, um den Betrieb im Plus zu halten und die Leute bezahlen zu können. Wenn 58 Prozent der Unternehmen noch eine gute Lage melden, ist das ein vorerst gutes Zeichen. Nur die Euphorie vom Januar ist weg. Da waren es noch 65 Prozent.

Dass sogar die Bauwirtschaft wieder etwas grauer malt, verblüfft da eher. Das kann mit einer Realität, in der Kommunen ihre Bauaufträge nicht mehr platziert bekommen, nicht wirklich übereinstimmen. Deswegen lautet das Fazit hier eher: „Die starke Nachfrage nach Bauleistungen hält weiter an. Dank steigender Umsätze in allen Baubereichen und hoher Auslastungen konstatieren viele Baufirmen bessere Erträge. Die Baubranche erzielt ein neues Lagehoch.“

79 Prozent der befragten Baufirmen berichten von einer guten Lage. Das ist ein Spitzenwert.

Aber man darf auch nicht vergessen: Der Großteil der sächsischen Wirtschaft sind Dienstleister in allen Formen und Farben. Und ihre Leistungen werden immer stärker nachgefragt. Das Dienstleistungsgewerbe zeichnet sich deshalb auch diesmal durch gute Einschätzungen aus. Die Lagebeurteilungen bewegen sich weiter auf Rekordniveau (63 Prozent). Sowohl die konsumorientierten als auch die unternehmensnahen Dienstleister profitieren nach wie vor von der starken Binnennachfrage.

Im sächsischen Großhandel flauen die Geschäfte hingegen ab. Er hängt ja nun einmal direkt an den Exporten. Sowohl die Einschätzungen zur Lage als auch die Erwartungen geben spürbar nach. Das Umsatzwachstum verlangsamt sich.

Und die Verunsicherung im sächsischen Verkehrsgewerbe wächst. Obwohl sich die Einschätzungen zur Geschäftslage verbessern, fallen die Prognosen deutlich zurückhaltender aus. Angesichts steigender Kostenbelastungen wächst die Unsicherheit mit Blick auf die kommenden Monate. Insbesondere die ab 2019 geplante Mauterhöhung trübt die Stimmung, so die IHKs.

Was alles zu dem Gesamtfazit führt: „Wie bei der vorherigen Umfrage im Frühjahr beurteilt mit 63 Prozent eine deutliche Mehrheit der Unternehmen ihre Geschäftslage mit gut. Nur fünf Prozent der Befragten sind unzufrieden. Im Ergebnis verbleibt der Lagesaldo bei 58 Punkten. Die auf hohem Niveau stabilen Gesamteinschätzungen spiegeln sich auch im Vorjahresvergleich wider.“

Räumungsverkauf. Foto: Ralf Julke
Räumungsverkauf. Foto: Ralf Julke

Das Sorgenkind haben wir ausgespart. Denn was Karstadt exemplarisch in Leipzig-Mitte passiert, geschieht hunderten kleinen und mittleren Handelsgeschäften im ganzen Land: Ihnen bleiben die Kunden weg, weil die riesigen Internet-Händler aus der Bequemlichkeit der Menschen Profit schlagen und Modelle entwickelt haben, die die Milliardenumsätze zu Amazon und anderen Online-Händlern verlagert haben.

Mit der Folge, dass immer mehr Lieferdienste und Postboten die bestellten Waren durchs Land schippern, während den Händlern vor Ort die Umsätze wegbrechen.

Und 2018 ist augenscheinlich wirklich das Jahr, in dem diese Entwicklung dazu führt, dass immer mehr Händler, die versucht haben gegenzuhalten, jetzt aufgeben.

Mit den Worten der Konjunkturauswertung: „Die Stimmung im sächsischen Einzelhandel kühlt sich ab. Trotz wachsender Einkommen und günstiger Konsumentenkredite machen vielen Händlern die demografische Entwicklung, die Onlinekonkurrenz und folglich eine geringere Kundenfrequenz zu schaffen. Dies trifft besonders auf den Handel außerhalb der wachsenden Großstädte zu.“

Oder mal so formuliert: Die Zentren der Klein- und Mittelstädte werden immer trister, die Läden verschwinden. Übrig bleibt am Ende nur noch der Supermarkt irgendwo am Stadtrand. Logisch, dass der Einzelhandel kaum noch Leute sucht und die Investitionsplanungen drastisch zurückgefahren hat.

So wirken sich die disruptiven Geschäftsmodelle der IT-Giganten aus, wenn Politik sich über Jahre blind stellt und so tut, als würden diese Steuervermeidungskünstler eine Bereicherung für das hiesige Einkaufserlebnis sein. Sind sie aber nicht. Sie schaufeln die Gelder, die bislang auch als Lohn bei den Angestellten im Einzelhandel blieben, in Steuerparadiese. Und können auch teure Rechtsabteilungen finanzieren, die dafür sorgen, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten dieser Verödung ihrer Innenstädte tatenlos zuschauen.

Die Gesamtwirtschaft aber sieht noch Potenzial zum Wachsen.

Die Investitionsplanungen der Unternehmen sind im Zuge der hohen Auslastung weiterhin expansiv. Mit 26 Prozent wollen deutlich mehr Unternehmen ihre Investitionen erhöhen als verringern. In den meisten Unternehmen sind Ausgaben für notwendige Ersatzbeschaffungen vorgesehen. Dem folgen Investitionen für Kapazitätserweiterungen und Innovationen.

Nur die Personalplanungen fallen (scheinbar) etwas verhaltener aus. Aufgrund der guten Geschäftslage und Auslastung benötigen viele Unternehmen aber weiterhin zusätzliches Personal, so die IHKs. 22 Prozent wollen ihre Mitarbeiterzahl erhöhen und nur jedes zehnte verringern. Besonders die Industrie und die Dienstleister rechnen mit Personalzuwächsen. In vielen Firmen behindert jedoch der zunehmende Fachkräftemangel einen Zuwachs an Personal.

Und da ist es kein Wunder, dass – im Ganzen betrachtet – der Fachkräftemangel das schwerste aller derzeitigen Probleme in der sächsischen Wirtschaft ist.

Er ist mit aktuell 61 Prozent das am häufigsten genannte Geschäftsrisiko. Es folgen die Arbeitskosten mit 47 Prozent der Nennungen und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mit 33 Prozent. Unter letzterem werden beispielsweise wachsende Bürokratie, zunehmende Kosten, die Zoll- und Handelskonflikte (USA, Iran, USA-China, Russland), der Brexit, steigende Energie- und Kraftstoffpreise, aber auch die Verzögerungen bei der Durchführung von Kfz-Abgastests (WLTP) genannt.

Leipziger Zeitung Nr. 60: Wer etwas erreichen will, braucht Geduld und den Atem eines Marathonläufers

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