Auch die Ortsgruppe Leipzig des bundesweiten Fachverbandes für Fußverkehr, kurz: FUSS e.V., beteiligt sich an den beiden Aktionstagen für eine andere Art Verkehr in Leipzig. Sie nutzt für die Dauer eines Tages einen öffentlichen Stellplatz zur Präsentation der Kunst-Installation Compression. Bei dieser Installation handelt es sich um ein durch "radikale Tieferlegung" neu interpretiertes Alltags-Objekt - (ein flachgepresstes Auto).

Diese thematisiert die durch Design (Fetisch) und Gewohnheit (Alltag) gewissermaßen unsichtbar gewordene, gleichwohl überall dominierende Nutzung des öffentlichen Raumes: Die Vollverstopfung der Stadt mit Automobilen.

Ergänzend zu diesem Kunstobjekt präsentiert FUSS e.V. eine fiktive Stadtkarte. Diese zeigt Leipzig aufgeteilt in zwei getrennte Bezirke: In der einen Stadthälfte finden sich alle heute existierenden auto-freien Haushalte (ca. 40 %), in der anderen Stadthälfte befinden sich alle Haushalte, die über einen privaten PKW verfügen. “Eine derart geteilte Stadt ließe sich wohl niemals wiedervereinigen – dabei entspricht die Darstellung dem Prinzip nach aber der heutigen Realität”, unterstreicht der Sprecher der Gruppe Bertram Weisshaar.

Es wird zwar seit ein paar Jahren lebhaft über eine Stärkung des Umweltverbundes in Leipzig diskutiert – der Anteil von ÖPNV, Rad- und Fußwegen an allen zurückgelegten Wegen in der Stadt soll auf 70 Prozent steigen. Heute sind es 60 Prozent. Dabei soll sich der Fußverkehr 2015 wieder auf 30 Prozent erhöhen, nachdem er zwischenzeitlich auf 26,5 Prozent zurückgegangen war, das Rad soll sich von 14,4 (2008) auf 17 Prozent aller Wege steigern, der ÖPNV auf 22 Prozent, perspektivisch sogar auf 25 Prozent.

Was zwangsläufig einen Rückgang des Autoverkehrs zur Folge haben müsste.

Aber das bringe man mal Planern bei, die seit 22 Jahren nichts anderes getan haben, als die Autofahrerträume aus Mangelzeiten umzusetzen. Kaum wird ein neues Projekt für den Umweltverbund diskutiert, wird an anderer Stelle das nächste Erweiterungsprojekt für den motorisierten Individualverkehr angegangen. In der Gegenwart zumeist im Bereich “ruhender Verkehr”, denn nach jahrelanger Zunahme des Pkw-Besitzes reichen die Stellplätze in der Stadt nicht mehr aus.Allein 2011 nahm der Bestand von Personenkraftwagen in Leipzig von 195.843 auf 200.054 zu. Und das sind nur die in Leipzig registrierten Fahrzeuge. Weitere zehntausende rollen jeden Morgen aus den umliegenden Landkreisen in die Stadt. Und jedes einzelne Fahrzeug braucht einen Stellplatz. Und verbringt die meiste Zeit seiner Existenz als geparktes Hindernis.

Die Bürgerumfrage 2011 hat auch das nüchterne Ergebnis gebracht, dass der Wert der autofreien Haushalte leider nicht gestiegen ist, er ist von 38 auf 36 Prozent gesunken. Wobei unübersehbar ist, dass vor allem Paare dazu neigen, ein Automobil vorzuhalten. Bei Paaren mit Kindern tendiert das sogar zu mehr Zweitautos.

Die Gründe liegen nicht immer im persönlichen Bedürfnis der Autobesitzer nach Mobilität und Unabhängigkeit. Immer stärker macht sich der Besitz eines Pkw erforderlich, weil Arbeits- und Wohnort nicht identisch sind, die Kindergartenplätze nicht wohnortnah zur Verfügung stehen und – das verschärft die Sache – immer mehr für den Pkw-Einkäufer geplante Center aus dem Boden gestampft wurden. Was wieder zum Verlust wohnortnaher Einkaufsstrukturen führte.

Unübersehbar sind die Trends zu noch mehr “Pkw-Stadt” in Leipzig – deutlich stärker als die Trends zu einer Stadt für den umweltfreundlichen Verkehr. Das Umdenken der Planer und Investoren fällt schwer. Kluge Ideen zu einer modernen Mobilität in der Stadt sind dringend gefragt. Noch läuft der Bürgerwettbewerb “Ideen für den Stadtverkehr”. Dazu gibt es die nächste stadtweite Veranstaltung am Dienstag, 25. September, 17 bis 19 Uhr, im Stadtbüro.

Das vom FUSS e.V. organisierte Kunstobjekt “Compression” findet man zum internationalen Parking Day am Freitag, 21. September, von 10 Uhr bis 18 Uhr in der Grünewaldstraße.

Am Autofreien Tag, Samstag, 22. September, beteiligt sich der FUSS e.V. mit dem Projekt “Lückentreter”.

Mit einem geführten Spaziergang richtet die Leipziger Ortsgruppe von FUSS e.V. den Blick auf die Benutzbarkeit der Stadt aus Perspektive der Fußgänger. Entlang der ausgewählten Route reihen sich positive als auch kritikwürdige Gestaltungen des Straßenraums. Ebenfalls zur Sprache kommen die zum Umbau der KarLi von FUSS e.V. eingebrachten Vorschläge und Kritikpunkte. Insgesamt soll der Spaziergang verdeutlichen, dass sich die Belange des Fußverkehrs außerhalb der Fußgängerzone häufig nur lückenhaft berücksichtigt finden. Hinzu kommt, dass durch den nach wie vor anwachsenden PKW-Bestand zunehmend jede noch verbliebene Lücke zugeparkt wird.

“Daher braucht der Fußverkehr auch in Leipzig eine größere Lobby, müssen sich die Fußgänger stärker politisch organisieren, vergleichbar wie dies beispielsweise seit Jahren für bessere Radverkehrsanlagen erfolgt”, betont die Ortsgruppe. In diesem Sinne wirbt sie um neue Mitglieder und freut sich auf weitere aktiv Mitwirkende.

Start für den Beitrag zum bundesweiten autofreien Tag ist am Samstag, 22. September, 13.00 Uhr an der Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz. Seinen Abschluss findet er gegen 14.30 Uhr an der Bibliothek Albertina in der Beethovenstraße.

www.fuss-ev.de

Das Schaubild der autofreien Haushalte als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar