Die schwächsten Verkehrsteilnehmer in Leipzig sind immer noch die Fußgänger. Sie sind sozusagen der "Restverkehr", das, was übrig bleibt, wenn sich Kraftfahrzeuge, ÖPNV und Radfahrer die Straße geteilt haben. Und oft genug auch noch den größeren Teil des Fußweges. Entsprechend sehen viele Fußwege dann auch aus.

“Der Zustand der Gehwege ist an vielen Stellen in Leipzig in einem sehr gefährlichen Zustand. Es ist zum Teil abzuraten bestimmte Wege mit einem Kinderwagen oder als mobil beeinträchtigter Mensch nutzen zu wollen. Die Granitplatten sind verschoben, oder es fehlt Kleinpflaster. Teilweise sind in Wohngebieten Gehwege noch unbefestigt. Weil der Anteil des Fußverkehrs am Stadtverkehr erfreulicherweise dennoch steigend ist und weiter gefördert werden soll, muss auch die Sanierung von Gehwegen entsprechend verbessert und vorangebracht werden”, stellt die Grünen-Fraktion fest und fordert für die Gehwegunterhaltung und -instandsetzung von Gehwegen eine zusätzlich Untersetzung mit 500.000 Euro.

Die simple Feststellung der Grünen in ihrem Haushaltsantrag: “Die Finanzierung von fußverkehrsfördernden Maßnahmen erfolgt in Leipzig bisher in nicht allein der Gehwegunterhaltung zugedachten Haushaltsstellen, sondern zusammen mit dem Radwegebau. Eine wahrnehmbare und dringend notwendige Förderung des Fußverkehrs bzw. eine der Bedeutung des Fußverkehrs angemessene Förderung konnte damit nicht erreicht werden.”

Dabei hat die Diskussion um Fußwegequalität noch nicht einmal begonnen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um das Bauvorhaben “Karli” kam sie kurz auf, wurde aber im Grunde immer wieder beiseite getan. Auch weil die Geschäftsleute an der Straße immer wieder Parkplätze für ihre Kunden und Anlieferflächen für wichtiger hielten. Welche Rolle Fußgänger für das geschäftliche Leben in einer Straße spielen, ist den Beteiligten nicht wirklich klar, auch wenn dann und wann von Auslagen, Werbeaufstellern und Freisitzen die Rede ist, dem ganzen Mobiliar, das gerade in funktionierenden Geschäftsstraßen Fußwege zusätzlich verbaut.
Was Leute, “die gut zu Fuß sind”, noch nicht unbedingt stören muss. Was aber in der Regel für all jene, die mit diversen Gehhilfen, mit Blindenstock, Kinderwagen oder Rollstuhl unterwegs sind, schon ein Problem ist. Nicht nur vom Breitenzuschnitt der Wege her. Oft sorgen gerade die tückischen Fehlstellen im Pflaster für Probleme.

Der Reparaturaufwand ist hoch, stellt auch die SPD-Fraktion fest. Eine Erhöhung des Haushaltsansatzes “ist angesichts des schlechten Zustandes zahlreicher Fußwege und zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit dringend geboten.” Sie hält die Erhöhung des Fußwege-Unterhaltungssatzes von 117.000 auf 200.000 Euro für geboten.

Wer freilich auf den Websites der Stadt nach einem Fußwegeentwicklungsplan sucht, findet keinen. Das Thema Fußwege und Fußwegebreiten wurde in letzter Zeit tatsächlich nur in den Konfliktfeldern “Karli” und Parken in Schleußig (auf den Fußwegen) diskutiert. Was erstaunlich ist. Aber wohl auch typisch für eine Stadt, die über Themenfelder wie Verkehr und Nahversorgung stets fein separiert diskutiert, wo es auch keine belastbaren Erhebung zu Mobilitätsverhalten etwa beim Einkauf gibt.

Auch wenn die Bürgerumfrage 2011 dazu durchaus manch Erhellendes Beitrug: Fast 90 Prozent aller Einkäufe für den täglichen Bedarf werden in Wohnortnähe – maximal 12 Gehwegminuten – und zu Fuß oder mit Fahrrad erledigt. Und das in allen Altersgruppen.

Da erstaunt es schon, mit welcher Vehemenz Händler um Parkplätze vor ihrem Laden kämpfen – und wie wenig Wert auf attraktive und komfortable Wege für Fußgänger gelegt wird. Als wäre der motorisierte Einkäufer mehr wert als einer, der zu Fuß oder an Krücken kommt. Irgendwie steckt wohl die Angst dahinter, mit all den Einkaufscentern nicht mithalten zu können, die in Leipzig in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft wurden und die alle mit großen Parkdecks werben. Auch das bestätigte die Bürgerumfrage 2011: Bei Einkäufen in diesen Centern wird öfter das Automobil genutzt. Tatsächlich hat die Flut immer neuer Center und Discounter auch den Wegeanteil von Kfz bei Einkäufen steigen lassen.

Nur funktionieren sie eben anders: In die großen Center fahren die Leute zwar zu 68 Prozent mit dem Auto – aber in der Regel nur einmal im Monat oder seltener. Nur 6 Prozent der Leipziger fahren oder gehen mindestens wöchentlich in so ein Center. Es sind die wohnortnahen und fußläufig leicht zu erreichenden Geschäfte, die für den täglichen Einkauf am wichtigsten sind.

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