Rechnen, knausern, Preise steigern. So ungefähr muss das beim MDV funktionieren, dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund, wo man sich jedes Jahr einen schönen Schluck aus der Pulle genehmigt und die Tarife im Nahverkehr steigert, als wären nur noch die Fahrgäste dafür verantwortlich, dass der Laden läuft. Schluck aus der Pulle heißt: Auch in Leipzig steigen die Tarife im August wieder um 3,5 Prozent.

So hat es die Gesellschafterversammlung des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) am Donnerstag, 24. März, beschlossen. Dem müssen zwar die „zuständigen Genehmigungsbehörden“ noch zustimmen. Aber damit hatten sie in den vergangenen Jahren nie Probleme. Im Ergebnis erhöhen sich die Preise für öffentliche Verkehrsmittel im Verbund ab 1. August 2016 durchschnittlich um 3,0 bis 4,2 Prozent. Die schönen Worte dazu gibt’s gratis.

In Leipzig wird der Tarif im Durchschnitt um 3,5 Prozent angehoben. „Während in den Tarifprodukten teilweise strukturelle Anpassungen vorgenommen werden, bleibt die Anpassung speziell im ABO Bereich sehr moderat.“ Meint zumindest der MDV.

Die Tabelle mit den Tariferhöhungen haben wir unterm Text verlinkt. Es werde außerdem keine Anhebung bei der Kurzstrecke und dem Abo Flex geben. „Die Kosten in der Nahverkehrsbranche steigen stärker im Verhältnis zu der sehr niedrigen Inflationsrate der privaten Haushalte. Um unsere Leistungen von jährlich 80 Millionen Fahrplankilometern mindestens in der heute gewohnten Qualität garantieren zu können, müssen wir auch auf das Instrument der Tariferhöhungen zurückgreifen. Selbstverständlich ist das nicht das einzige Mittel. Parallel arbeiten wir an weiteren Finanzierungsmöglichkeiten des Nahverkehrs“, erklärte MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann am Donnerstag.

Dass das mit den „weiteren Finanzierungsmöglichkeiten“ eher nur so dahingesagt war, wird deutlicher, wenn Steffen Lehmann versucht zu erklären, warum man überhaupt Jahr um Jahr deftige Preissteigerungen zwischen 3 und 5 Prozent an die Fahrgäste weiterreicht.

„Eine Preisanhebung ist keine Maßnahme, mit der man sich Freunde schafft“, sagt er. „Uns ist sehr bewusst, dass es vor allem die Nutzer des Nahverkehrs sind, die die steigenden Aufwendungen mitfinanzieren. Die Budgets für den Nahverkehr sind in den öffentlichen Haushalten größtenteils gedeckelt. Gleichzeitig steigt der Anspruch der Bewohner in Mitteldeutschland an die Möglichkeiten einer guten Mobilität. Die Partner im MDV versuchen das Gesamtsystem und damit ihre Leistungen stetig zu verbessern.“

Gerade über das gedeckelte Budget wurde im Leipziger Stadtrat im Jahr 2015 erstmals wieder ernsthaft diskutiert, meist mit obskuren Argumenten auf Seiten der Verteidiger eines viel zu knapp bemessenen Budgets. Was auch der eigentlich propagierten Verkehrspolitik der Stadt völlig widerspricht. Wer den Nahverkehr nicht auskömmlich finanziert, wird keinen Zuwachs der ÖPNV-Nutzung bekommen.

Ein seit fünf Jahren bei 45 Millionen Euro „gedeckelter“ Zuschuss ist nun einmal ein faktischer Rückgang der Zuschüsse. Dass, um „auch in Zukunft den Anforderungen der Fahrgäste gerecht zu werden“, in Infrastruktur und Fahrzeuge investiert werden muss, das muss man den Fahrgästen wohl eher nicht erklären. Sie erleben ja live, wie es sich fährt, wenn es seit Jahren an Investitionen mangelt.

Dabei ist das eigentliche Problem die Unausgewogenheit der Finanzierung. Wenn Kommunen sich auf die Position zurückziehen, dass sie ihre finanzielle Unterstützung des ÖPNV zurückfahren können, bleiben die Mehrkosten logischerweise an den Fahrgästen hängen.

Auch die für die steigenden Personalausgaben

„Aktuell sind es vor allem die steigenden Lohn- und Gehaltskosten der reichlich 4.000 Beschäftigten in den Verkehrsunternehmen Mitteldeutschlands, die eine Tariferhöhung im laufenden Jahr erfordern“, teilt der MDV mit – als wären tatsächlich die Fahrgäste allein dafür verantwortlich, die Steigerung zu übernehmen.

Oder mit den Worten des Verkehrsverbundes: „Notwendige Tariflohnabschlüsse und die Gewährleistung der Attraktivität als Arbeitgeber auf dem Fachkräftemarkt haben einen direkten Einfluss auf die Gestaltung der Fahrpreise. Das betrifft alle Verkehrsanbieter im MDV-Gebiet in gleichem Maße. – Durchschnittlich 3,5 Prozent Lohn- und Gehaltssteigerung der eigenen Mitarbeiter gilt es zu finanzieren. Die Einführung des Mindestlohnes bei Subunternehmen verursacht ebenfalls zusätzliche Kosten. Ziel der Verkehrsunternehmen im MDV ist es, durch die aktuelle Tarifanpassung etwa 7,5 Millionen Euro an zusätzlichen Erlösen zu erzielen. Diese Mittel werden jedoch nur anteilig die Kostensteigerungen decken.“

Da kann man gespannt sein, wo die Verkehrsbetriebe dann die fehlenden Deckungsbeiträge noch zusammenscharren will. Und dabei ist die Diskussion über die Finanzierung des ÖPNV überfällig.

Obwohl Leipzigs Stadtrat schon vor vier Jahren den Auftrag gab, über Alternativen nachzudenken. Das Ergebnis war dann die eher blamable Kostenstudie, die der MDV 2014 vorstellte, in der solche Erkenntnisse standen, wie sie der MDV jetzt wieder und wieder anführt und damit auch die lokalen Politiker erschreckt: „Eine Studie zum Finanzierungsbedarf des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) in Mitteldeutschland, die der MDV auf Wunsch der lokalen Politik in Auftrag gegeben hatte, geht davon aus, dass die Kosten für laufende Aufwendungen unter anderem für Löhne, Energie und Material, jährlich um durchschnittlich 19 Millionen Euro beziehungsweise 3 % für den Betrieb von Zug, Tram und Bus steigen werden. Aktuell liegen diese Ausgaben bei mehr als 525 Millionen Euro, die etwa zur Hälfte durch den Fahrscheinverkauf gedeckt werden. Die Ausgaben für die nötigen Investitionen werden sich von 120 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 170 Millionen Euro im Jahr 2025 erhöhen.“

Das nennt man wohl: Veräppelung der Öffentlichkeit

Denn bei 525 Millionen Euro lagen die Kosten im MDV auch schon 2013. Die tatsächlichen Kostensteigerungen der vergangenen Jahre lagen nicht bei 3 Prozent, sondern eher zwischen 1 bis 2 Prozent. Von 19 Millionen Euro zusätzlich, wie es die wilde Kostenstudie von 2014 ausgerechnet hat, ist der MDV weit entfernt – auch weil die Unternehmen immer wieder auch Synergien gesucht und gefunden haben. Tatsächlich steckt hinter den systematischen Tarifsteigerungen, die die „Gesellschafter“ so honorig absichern, über die Jahre eine Verschiebung der Kostenanteile – weg von den Kommunen, hin zu den Fahrgästen.

Und wer die Leipziger Zahlen sieht, sieht die LVB eben nicht nur „zur Hälfte“ durch die Fahrgäste finanziert, sondern mittlerweile zu über 70 Prozent. Anteil steigend.

Die Tabelle mit den beschlossenen Fahrpreissteigerungen für August 2016.

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