Ob die Linksfraktion mit dieser Auskunft zufrieden sein wird? Man darf zweifeln. Im Januar hatte die Fraktion Die Linke beantragt, dass bis zur Verabschiedung des neuen Nahverkehrsplanes für Leipzig keine Strecken der LVB mehr stillgelegt werden sollen. Quasi als Brems-Beschluss, nachdem man die Stilllegung der Linie 9 nach Markkleeberg-West nicht verhindern konnte.

Das Drama um die Stilllegung des Streckenastes haben L-IZ-Leser ja quasi live miterlebt. Aber die Diskussion um den neuen Nahverkehrsplan ist schließlich 2015 auch wegen der Linie 9 in Gang gekommen. Die ziemlich flotte Einstellung der Straßenbahnstrecke hat einigen Stadträten erst vor Augen geführt, wie überfällig ein neuer Nahverkehrsplan ist – und wie wenig der von 2009 tatsächlich den Bedingungen einer wachsenden Großstadt genügt. Es kann also eine Weile dauern, bis man sich wirklich klar darüber ist, was für einen Nahverkehr eine Stadt wie Leipzig braucht, die derzeit mit Volldampf auf die 600.000 Einwohner zurattert.

Ob es die Linksfraktion freilich tröstet, dass das Dezernat für Planung und Bau jetzt betont, weitere Streckenstilllegungen seien gar nicht vorgesehen?

„Eine Reduzierung von Nahverkehrsleistungen ist weder vorgesehen noch außerhalb von Beschlüssen des Stadtrates möglich, ein zusätzlicher Beschluss daher entbehrlich“, heißt es in der Stellungnahme des Planungsdezernats. „Für die Erbringung der Nahverkehrsleistungen in Leipzig ist zum einen der Nahverkehrsplan in seiner jeweils gültigen Fassung sowie in seiner Umsetzung gefasste Stadtratsbeschlüsse und zum anderen die durch den Stadtrat erfolgte Betrauung der LVB zur Erbringung von Nahverkehrsleistungen maßgeblich.“

Aber die schmerzhafte Erinnerung an die Versäumnisse von 2009 erspart das Dezernat in seiner Stellungnahme auch nicht: „Der aktuell gültige, vom Stadtrat beschlossene Nahverkehrsplan (erste Fortschreibung aus dem Jahr 2007) enthält sogenannte Untersuchungsaufträge für einige Straßenbahnstrecken. Neben möglichen Erweiterungsstrecken sind dort für wenige andere Strecken, auf denen das Verkehrsaufkommen rückläufig oder weiterhin niedrig war und für die in den nächsten Jahren Investitionsentscheidungen anstanden, ergebnisoffene Untersuchungen im Hinblick auf eine mögliche Umstellung auf Busbetrieb aufgeführt. Dies umfasst die Streckenabschnitte der Linie 9 zwischen Connewitzer Kreuz und Markkleeberg-West sowie zwischen Richard-Lehmann-Straße und Bayrischem Platz und der Linie 14 in der Wittenberger Straße. Bezüglich der Linie 9 wurde im Jahr 2009 vom Stadtrat beschlossen, den Straßenbahnbetrieb zwischen Bayrischem Platz und Richard-Lehmann-Straße langfristig zu erhalten und somit den Status als Untersuchungsstrecke aufzuheben (vgl. RBV-81/09).“

Wahrscheinlich hatten 2009 einige Stadträte auch das Gefühl, da müsste ja auch der Streckenast nach Markkleeberg-West außer Gefahr sein. Denn die nächsten sechs Jahre kümmerte sich keiner wieder um diese Strecke – bis dann in Markkleeberg und in Borna die gewählten Volksvertreter die Hände hoben und die finanzielle Unterstützung der Strecke umverteilten, was das Ende für die Straßenbahnverbindung war. Der Beschluss von 2009 – auch das wird vielen Stadträten nicht bewusst gewesen sein – bedeutete auch, dass die LVB keinen müden Euro mehr in den Erhalt von Gleisen und Fahrleitungen steckten. Die Strecke wurde auf Verschleiß gefahren. Was dann 2015 bedeutete, dass kurzfristig ein paar Millionen Euro fällig geworden wären, hätte man den Weiterbetrieb beschlossen.

Was dann natürlich die Entscheidung befeuerte, das Ende tatsächlich zu beschließen.

Mit den Worten des Planungsdezernates: „Die Umstellung des Streckenabschnittes zwischen Connewitz, Kreuz und Markkleeberg-West auf Busbetrieb wurde am 28.10.2015 in der Ratsversammlung beschlossen (vgl. VI-DS-1558), nachdem bereits in der zuvor genannten Ratsentscheidung zum langfristigen Erhalt des inneren Streckenastes, die Konsequenzen einer Nichtbestellung der Verkehrsleistung auf dem äußeren Abschnitt durch den Landkreis, aufgezeigt waren. Die Einstellung des Straßenbahnbetriebes in der Wittenberger Straße/Apelstraße (Linie 14 – Nordabschnitt, vgl. RBIV-1314/08) wurde mit Beschluss der Ratsversammlung vom 17.09.2008 bestätigt.”

Auch das eine Erinnerung, die so langsam einer Verwirrung weichen dürfte. Denn genauso wie die Linie 9 auf dem Streckenabschnitt in der Wolfgang-Heinze-Straße vor der Umstellung des Betriebs verzeichnet auch die Linie 14 seit ihrem hart erkämpften Erhalt wieder deutliche Fahrgastzuwächse – gerade im Wachstumsquartier Plagwitz/Lindenau macht sich hier der Bevölkerungszuwachs bemerkbar. Das war 2008 überhaupt noch nicht absehbar.

Eigentlich geht es nicht um Linieneinstellungen, wie die Linke befürchtet, sondern es müsste um die Erweiterung des jetzigen Linienangebots gehen. Die 14 ist dafür ein ganz beredtes Beispiel.

Was das Planungsdezernat freilich zu den Prüfungen sagt, dürfte man eher mit Stirnrunzeln lesen: „Somit wurden alle im Nahverkehrsplan enthaltenen Streckenabschnitte mit Untersuchungsaufträgen entsprechend überprüft und Entscheidungen herbeigeführt, sodass sich aus dem aktuell gültigen Nahverkehrsplan kein offener Untersuchungsbedarf als Grundlage für eine Umstellung einer Straßenbahntrasse auf Busbetrieb oder gar einer Strecken- bzw. Teilstreckenstilllegung ergibt.“

Aber dann erfährt man zumindest etwas, was in der Diskussion bislang kaum ausgesprochen wurde: Bei Linienoptimierungen wird den LVB ein Spielraum von plus/minus 2 bis 4 Prozent zugestanden. Nur was drüber hinausgeht, muss der Stadtrat beschließen.

Das Planungsdezernat dazu: „Auch der Beschluss zur Betrauung der LVB vom 28. Oktober 2009 lässt keine Reduzierung der Nahverkehrsleistungen in Form von Streckenstilllegungen oder Umstellungen von Straßenbahn auf Bus zu. Die Betrauung steht den LVB nur die zur eigenständigen Betriebsoptimierung notwendige Schwankungsbreite von +/- 2 % bei der Straßenbahn bzw. +/- 4 % im Busbereich (in Bezug auf den Basisfahrplan) zu. Eine Änderung der vom Stadtrat festgelegten und damit betrauten Linien ist (siehe Anlage 2 der Betrauung) – sowohl was die Einstellung als auch die Neueinrichtung von Linienverkehr auf Strecken oder Streckenabschnitten betrifft – nur mit Zustimmung des Stadtrates möglich.“

„Angebotsänderungen in Bezug auf einen Basisfahrplan von mehr als 2 % bei der Straßenbahn (bezogen auf die Fahrplankilometer) bzw. mehr als 4 % beim Bus bedürfen dabei der Zustimmung der Stadt Leipzig“, heißt es weiter unten. „Über darunter liegende Änderungen können die LVB im Rahmen ihrer Optimierungen selbst entscheiden.“

Ein Beispiel hierfür sei der am 28. November 2015 eingeführte 10-Minuten-Takt samstags auf allen Straßenbahnlinien (außer der Linie 14) bzw. die „maßvolle Reduzierung des Angebots in den Sommer- und Weihnachtsferien auf den Linien 2, 8 und 10.“

Für das Planungsdezernat besteht also gar kein zwingender Grund, jetzt weitere Streckenstilllegungen zu untersagen, da ja nun mal keine geplant seien: „Weder der gültige Nahverkehrsplan noch die Betrauung der LVB lassen bis zur Verabschiedung eines neuen Nahverkehrsplanes Strecken- oder Teilstreckenstilllegungen oder Umwandlung von Straßenbahn- zu Busbetrieb zu, ohne dass der Stadtrat dies beschließen würde. Es gibt auch keine Untersuchungsaufträge in dieser Richtung, da alle mit dem aktuell gültigen Nahverkehrsplan diesbezüglich beauftragten Untersuchungen vorgenommen und Stadtratsbeschlüssen zugeführt wurden.“

Aber wie gesagt: Das ist der Stand von 2009, als man auf Strecken wie der 9 und der 14 überhaupt noch so denken konnte. Die Veränderung der Sichtweise auf den ÖPNV in Leipzig ist überfällig. Das Angebot muss wieder wachsen. Und das durchaus auch mit neuen Linienangeboten im Straßenbahnnetz.

Der Antrag der Linksfraktion.

Die Stellungnahme des Planungsdezernats komplett.

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Es gibt 5 Kommentare

Ach so, von wegen “Stilllegungen seien keine geplant”. Im Nahverkehrsforum wird man fündig werden, welche Strecken noch drankommen könnten.

Der heißeste Kandidat ist die Strecke nach Taucha (Linie 3).

Gibt ja ne S-Bahn dorthin, also kann man schon mal üben, das Wort “Parallelverkehr!” zehnmal hintereinander zu plärren, ohne Luft zu holen.

Gibt aber noch mehr Strecken, die von den LVB massakriert werden könnten.

Also weiterhin: Wachsam bleiben!

Wenn die LVB *wollen*, dann machen die das auch.

Der Nahverkehrsplan wird nicht “unabhängig” von den LVB erstellt, sondern wird mit den LVB abgesprochen. Der NV-Plan sichert nur ein Minimum ab (wie auch diese 2-4%-Klausel sehr schön illustriert). Der NV-Plan enthält keine Forderungen, die in einer nahen Zukunft zu befriedigen wären (etwa Tram-Anschluss des Herzzentrums).

Wenn die LVB etwas stilllegen wollen, dann haben sie verschiedene politische Möglichkeiten, um im Hinterzimmer darauf hinzuwirken.

Der südliche Streckenast der Linie 9 wurde schon seit ca. 1999 auf Verschleiß gefahren. Es war mehr als ein Jahrzehnt ein offenes Geheimnis, dass die LVB die südliche 9 loswerden wollten.

Nach der Netzreform 2002 wurde das Fahrkilometerangebot eher umverteilt als eigentlich gekürzt. Die Außenäste wurden sogar häufiger bedient. Die Reisezeiten sind jedoch leicht länger geworden, weil es keine guten Anschlüsse mehr gibt, sondern man bei jedem Umstieg faktisch einen Takt abwarten muss. Das ist bis heute so geblieben. Man kann 45 Minuten von Eutritzsch nach Südvorstadt verbraten, kein Problem.

Seit der Netzreform sind aber die Linien 13 und 28 komplett verschwunden. Jedesmal immer ein bisschen längere Reisezeit. Man muss wohl seine Freunde und Bekannten nur danach auswählen, ob man zu ihnen ohne Umsteigen kommt – sonst wird es gleich eine Weltreise.

Die LVB wollten schon seit der Jahrtausendwende die Linie 14 komplett (auch auf der Karl-Heine-Straße!) stilllegen. Für mich bis heute erstaunlich, dass der Stadtrat nicht mitgezogen, sondern stattdessen die berühmte Ringfahrt unter dem Vorzeichen “Kulturtram” beschlossen hat. Kaum dass die ersten Wagen der Linie 14 auf dem Ring kurvten, setzte vor allem am Leuschnerplatz ein Run ein, wie wenn die Welt auf den Direktanschluss Leuschnerplatz-Plagwitz gewartet hätte. Und die LVB haben sich kräftig blamiert – spielen sie sich doch immer als NV-Experten auf, die den Bedarf abschätzen könnten. Leipzig wächst jährlich um eine Kleinstadt, aber im LVB-Netz wird kein einziger zusätzlicher Fahrplankilometer eingerichtet. Die massiven Mängel in puncto Gebietsabdeckung und Querverbindungen sowie einem unzureichenden Takt bleiben eisern bestehen.

Aber was kann man von einem Stadtrat erwarten, der bräsig sich in Tiefschlaf wiegt, zu jedem Außentermin mit dem Auto anfährt und dem der öffentliche Stadtverkehr eigentlich egal ist.

Nein Patricia, von einem Küchenkalender.
Aber schön, dass sich jemand aus der Verwaltung gemeldet hat.

Die Vokabeln “Drama”, “Stilllegung”, “Reduzierung”, “schmerzhafte”, “Versäumnisse”, “Stirnrunzeln”, “umverteilten”, “Reduzierung”, …

Als Bürger erlebt man die Entwicklungen der Stadt anders, als wäre man im Kreise der Entscheider und deren Vollstrecker.
[ein Hitler Vergleich bleibt aus]

Wo haben Sie denn das her JG? Aus dem Band “Totschlagargumente leicht gemacht.” Band 1? Wollen Sie nicht gleich noch irgendeinen Hitler-Vergleich ziehen, dass kommt doch gerade gut.

Die Leipziger Verwaltung hat derart oft überraschend gehandelt, dass mir nur einfällt, dass seinerzeit auch niemand vorhatte, eine Mauer zu errichten”.

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