Im ersten Entwurf hatte es keines der wichtigen sächsischen Bahnprojekte in die Umsetzungsliste des Bundesverkehrswegeplans geschafft. Und das, obwohl das Bundesverkehrsministerium genug Zeit hatte, die sächsischen Streckenprojekte zu prüfen. Das ist bis heute nicht passiert. Eine Höherstufung scheiterte jetzt auch noch im Verkehrsausschuss des Bundestages.

Denn wo Ministerien versagen und ihre Aufgaben nicht ableisten, haben in der Regel die Abgeordneten ein Wörtchen mitzureden und können die Minister dazu verpflichten, endlich ihre Aufgaben zu erfüllen. Doch auch in den Ausschüssen entscheiden wieder Mehrheiten. Und einmal mehr hat Sachsen das Nachsehen. Diesmal augenscheinlich, weil die Ausschussmehrheit von Union und SPD einen vernünftigen Bahnverkehr in Sachsen für nicht notwendig hält.

Am Mittwoch, 23. November, tagte der Verkehrsausschuss des Bundestages wieder und behandelte abschließend die Änderungsanträge zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. Und der Änderungsantrag der Grünen zu den sächsischen Schienenprojekten wurde dabei abgelehnt.

„Bisher ist keines der wichtigsten sächsischen Bahnvorhaben im Bundesverkehrswegeplan tatsächlich abgesichert. Die Elektrifizierung der Strecken Chemnitz – Leipzig, Dresden – Görlitz, Cottbus – Görlitz und der Mitte-Deutschland-Verbindung, die für die Fernverkehrsanbindung Südwestsachsens von Bedeutung ist, sind bis zum heutigen Tag vom Bund nicht bewertet worden. Daher werden die Vorhaben nur im sogenannten Potentiellen Bedarf aufgeführt“, kommentiert Stephan Kühn, sächsischer Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen im Bundestag, die verfahrene Lage.

„Nur mit einer Hochstufung in den Vordringlichen Bedarf haben diese Schienenprojekte eine reelle Chance, geplant und im Anschluss realisiert zu werden. Es ist für mich völlig unverständlich, warum sich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen bei diesen wichtigen und in Sachsen unstrittigen Bahnprojekten unseren Änderungsanträgen verweigert haben.“

Am Mittwoch hätte für die Parlamentarier die letzte Gelegenheit bestanden, aktiv Einfluss auf die Einordnung der Vorhaben zu nehmen. Die Verweigerung ist zumindest ein starkes Zeichen dafür, dass die Regierungsparteien den nachhaltigen Umbau der Verkehrssysteme in Deutschland noch immer nicht begriffen haben. Immer noch dominiert der Aus- und Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen und die Stärkung stark befahrener Schienenverbindungen innerhalb von Metropolregionen im Westen der Republik.

Dass ein elektrifizierter Nahverkehr auch für nicht so dichte Wirtschaftsregionen überlebenswichtig ist, scheint den Abgeordneten nicht mal bewusst zu sein. Gerade in Mitteldeutschland sind mehrere wichtige Städte – wie eben Chemnitz – abgehängt. Wenn diese Projekte jetzt nicht hochgestuft werden, ist an eine Elektrifizierung der so wichtigen Verbindungen vor 2030 nicht mehr zu denken.

Eine winzige Chance gibt es noch, stellt Kühn fest.

„Zwar könnten nach Abschluss der Projektbewertung die Vorhaben des Potentiellen Bedarfs noch in den Vordringlichen Bedarf aufrücken, allerdings gibt es hier keinen Automatismus“, sagt er. „Die Fraktionen von Union und SPD gefährden mit ihrer passiven Haltung die Bahnprojekte. Denn jetzt kann die Regierung selbst entscheiden, wie sie mit den Projekten umgeht. Es besteht die Gefahr, dass sich der Ausbau der Schienenstrecken auf den Sankt-Nimmerleinstag verschiebt. Im schlimmsten Fall werden diese aus sächsischer Sicht vier wichtigsten Projekte sogar ganz gestrichen.“

Seine Kritik an der Zurückhaltung von Union und SPD ist deutlich: „Mit unseren Änderungsanträgen wollten wir die Hochstufung der vier unbedingt notwendigen Schienenprojekte absichern und die Entscheidung dem Parlament überlassen. Doch Schwarz-Rot mangelt es am bahnpolitischen Gestaltungswillen.“

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