In seiner Landtagsrede zum Doppelhaushalt 2019/2020 in Sachsen kam Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am Ende auch auf das Thema zu sprechen, über das es derzeit den heftigsten Streit gibt: Die Landesverkehrsgesellschaft und die Pläne, endlich ein sachsenweites Bildungsticket einzuführen. Geld hat er dafür eingeplant, aber zu wenig, findet Marco Böhme, Sprecher der Linksfraktion für Klimaschutz, Energie und Mobilität im Landtag.

„Der Öffentliche Personennahverkehr brennt den Menschen unter den Nägeln wie kaum ein anderes Thema. Jeder, der in den vergangenen Jahren in Sachsen zu Gesprächsrunden unterwegs war, weiß das“, hatte Dulig in seiner Rede betont.

„Wir haben vor allem mit dem Vorgängerhaushalt die finanziellen Grundlagen für einen nachhaltigen ÖPNV und Schienenpersonennahverkehr geschaffen. Diese lässt sich der Freistaat über 1,4 Milliarden Euro für 2019/2020 kosten. Rund 88 Millionen Euro in 2019 und 85 Millionen Euro in 2020 werden für moderne Busse, Bahnen und Infrastruktur bereitgestellt.“

Aber es sollte ja noch mehr passieren. Dafür wurde ja extra eine Kommission eingesetzt.

„Zudem haben wir für die Umsetzung der Ergebnisse der ÖPNV-Strategiekommission finanziell vorgesorgt“, sagte Dulig. „Für die Finanzierung des Bildungstickets, die Einführung des Sachsen-Tarifs und die Verbesserung der Erreichbarkeit des ländlichen Raumes über ein PlusBus- und Takt-Bus-System, haben wir anfänglich weitere Mittel in Höhe von 23,5 Mio. Euro in 2019 und 51,5 Mio. Euro in 2020 vorgesehen. Eine Einigung mit den Vorsitzenden der Zweckverbände ist vorerst gescheitert.“

Also bekommt Sachsen eben doch eine Landesverkehrsgesellschaft, so Dulig: „Doch die finanzielle Nachhaltigkeit kommt an ihre Grenzen, wenn die Strukturen bremsen. Das erleben wir gerade im ÖPNV. Und deshalb wird es eine Landesverkehrsgesellschaft geben. Wenn sich die Landräte jetzt konstruktiv und kooperativ an der Gestaltung der Landesverkehrsgesellschaft beteiligen, ist es möglich, bereits auf dem Wege dahin die Mittel des Haushaltes zweckentsprechend fließen zu lassen.“

Die Zahlen, die sein Ministerium in den Haushalt eingestellt hat, hat sich Marco Böhme nun genauer angeschaut. Und er zeigt sich enttäuscht.

„Das Junge-Leute-Ticket, das jetzt als Lösung verkauft wird, ist alter Wein in alten Schläuchen. Es ist mit etwa 50 Euro pro Monat zu teuer für Menschen, die nur ein paar hundert Euro Lehrlingsgeld bekommen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der Freistaat ein kostengünstiges Bildungsticket finanziert.

Wir stellen uns 10 Euro im Monat vor und zusätzlich eine sachsenweite Gültigkeit. Das würde den Ausbildungsstandort und den Nahverkehr in Sachsen wirklich einladend machen“, kommentiert er die unterschiedlichen Auffassungen davon, was ein preiswertes Bildungsticket eigentlich kosten darf.

Duligs Vorschläge und die Änderungsvorstellungen der Linksfraktion. Tabelle: Linksfraktion Sachsen
Duligs Vorschläge und die Änderungsvorstellungen der Linksfraktion. Tabelle: Linksfraktion Sachsen

50 Euro sind zwar ein gewaltiger Fortschritt gegenüber den aktuell üblichen Preismodellen, die mit Überschreiten der Tarifzone in der Regel gleich noch teurer werden. Aber sie liegen für die eher bescheidene Azubi-Bezahlung eben doch in einem sehr hohen Bereich.

Und die Tarifzonen machen ja auch allen anderen Nutzern zu schaffen. Warum ein kleines Bundesland wie Sachsen so viele Tarifzonen hat, ist beim besten Willen nicht mehr erklärlich. Das gehöre so eigentlich abgeschafft, findet Böhme.

„Ein moderner öffentlicher Nahverkehr bleibt in Sachsen auch mit diesem Haushalt in weiter Ferne. Immerhin soll das von uns geforderte Kompetenzzentrum zur Einführung eines Sachsentarifs, der die Verbundgrenzen überwindet, kommen – ebenso ein landesweites Plus-Bus-Netz. Aber nur für das Bildungsticket steht Geld im Haushalt, für die Harmonisierung der Tarifverbünde und die landesweiten PlusBusse nicht! Hier hat Martin Dulig nicht mehr geliefert als Worte“, kritisiert der Landtagsabgeordnete die eher spärliche Vorgabe des Verkehrsministers.

„Klar, es gibt mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr. Aber die Regierung verwaltet nur, anstatt zu klotzen. Dabei sind wirkliche Investitionen nötig, damit sich am System etwas ändert. Sachsen braucht auch im Verkehrsbereich ein übergreifendes Ziel: Jeder Mensch soll auch ohne eigenes Auto mobil sein können. Der Nahverkehr in den Großstädten muss wieder bezahlbar werden, weshalb wir auch für ein Tarifmoratorium streiten, damit die Fahrpreise nicht weiter steigen. Die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich müssen sinken. Der Freistaat sollte die Kommunen zudem bei der Einführung von Sozialtickets unterstützen.“

Das wird in Sachsens Landespolitik sowieso eher selten mal erwähnt, dass der ölgetriebene Verkehrsbereich einen gewichtigen Anteil an den Treibhausgas-Emissionen des Freistaats hat. Und dass viele Menschen mit dem Auto unterwegs sind, hat direkt mit fehlenden ÖPNV-Angeboten zu tun. Wobei das PlusBus-System in diversen Pilotprojekten längst gezeigt hat, dass es in seiner direkten Verknüpfung von Schiene und Straße erfolgreich ist.

„Mittelfristig wollen wir die umweltfreundliche Mobilität günstiger und langfristig entgeltfrei gestalten“, benennt Böhme die Vorstellungen der Linken. „Vorbild ist zum Beispiel die Stadt Tallinn. Wir streben ein Modellprojekt ‚Entgeltfreier ÖPNV‘ in einem Mittelzentrum an. Dort soll ein solidarisches Finanzierungskonzept in Form einer Nahverkehrsabgabe schrittweise umgesetzt werden und in einen Bürgerentscheid münden, in dem geklärt wird, ob die Bürgerinnen und Bürger ein solches Modell wünschen.

Außerdem soll ein ÖPNV-Beteiligungsgesetz die Fahrgastrechte stärken. Die Bedürfnisse und Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger sollen in die Ausgestaltung des ÖPNV einfließen.“

Die Landesverkehrsgesellschaft als Ping-Pong-Spiel kindischer Männer in verantwortlichen Positionen

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