2018 wurde ja nicht nur heftig über die katastrophale Situation in der Inneren Jahnallee diskutiert. Unzumutbare Parksituationen gibt es längst in vielen innerstädtischen Vierteln. Viel zu viele Pkw sind im öffentlichen Straßenraum dauerhaft abgestellt. Dafür haben Lieferdienste, Pflegedienste und Handwerker größte Probleme, überhaupt noch irgendwo parken zu können. Im Januar 2018 beantragte die Linksfraktion deshalb, ob man vielleicht besondere Parkplätze für Wirtschaftsverkehr ausweisen könnte.

Das wurde dann im August 2018 tatsächlich zum Stadtratsbeschluss.

Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat geprüft.

Aber so einfach ist das nicht mit besonders eingerichteten Wirtschaftsparkplätzen. Denn die Selbstverständlichkeit, mit der in Leipzig angenommen wird, dass es für wirtschaftliche Belange immer auch Parkplätze geben müsse, hat nichts mit dem geltenden Verkehrsrecht zu tun.

„Im bundesdeutschen Straßenverkehrsrecht gibt es keine Ermächtigung zur Reservierung von Parkraum ausschließlich für den Wirtschaftsverkehr. Das würde einer Reservierung von Parkraum gleichkommen, was dem Gemeingebrauch der öffentlichen Straße – d. h. die Nutzung ist lt. § 14 Sächsisches Straßengesetz jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Regeln gestattet – entgegensteht. Somit dürfen auch Kurzzeitparkplätze und Lieferzonen von jedermann benutzt werden.

Beschränkungen des Verkehrs – auch des ruhenden – können aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs vorgenommen werden. Gemäß §§ 39 Abs. 1 und 45 Absatz Abs. 9 StVO sind Verkehrszeichen aber nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund besonderer Umstände zwingend geboten ist.“

Und für wirtschaftliche Belange vorgesehene Parkzonen brauchen ebenso eine starke und zwingende Begründung. Und die lässt sich nicht überall im Stadtgebiet finden.

„Ladebereiche mit eingeschränktem Halteverbot (Zeichen 286 StVO) oder Kurzzeitparkplätze, die von jedermann genutzt werden, können somit nur ausgewiesen werden, wenn entsprechender Bedarf vorhanden ist. Das ist insbesondere in Geschäftsstraßen und ihren Nebenstraßen der Fall oder kommt infrage, wenn mehrere Geschäfte o. ä. an einem Standort ansässig sind und die Lademöglichkeiten bzw. Kurzzeitparkplätze zur Andienung oder von Kunden verschiedener Einrichtungen genutzt werden können. Solche Lösungen sind im Stadtgebiet bereits vielfach umgesetzt und werden weiter angewendet“, stellt das Planungsdezernat fest.

Und es nennt auch Beispiele: „In der Leipziger Innenstadt wurde bereits als Grundlage ein System verkehrsrechtlicher Anordnungen mit Lieferzonen und gebührenpflichtigen Kurzzeitparkplätzen etabliert, das im Rahmen eines breiten und erfolgreich geführten Abstimmungsprozesses unter Mitwirkung von Interessenverbänden wie IHK und City e.V. entstand.“

Deswegen brachte der Antrag der Linksfraktion eigentlich nichts Neues auf den Tisch.

„Die Prüfung und Einrichtung von Kurzzeitparkplätzen ist immer Bestandteil des Verwaltungshandelns im Rahmen der Anordnung von verkehrsorganisatorischen Maßnahmen oder beim Um- und Ausbau von Straßen.“

Aber wie sieht es in zugeparkten Wohngebieten aus?

Anwohnerparken hat Vorrang vor wirtschaftlichen Parkbedürfnissen

„In Wohn- und Mischgebieten hat die Gewährleistung eines möglichst großen Parkraumangebotes für die Bewohner in der Regel Vorrang gegenüber der Ausweisung von Kurzzeitparkplätzen oder Ladebereichen für einzelne gewerbliche Anlieger, aber eben auch gegenüber den am konkreten Ort selten oder unregelmäßig auftretenden Parkbedürfnissen für Paketdienstleister, Handwerker, Pflegediensten usw.“, betont das Planungsdezernat im Hinblick auf die zunehmenden Parkraumprobleme in den Wohnquartieren, wo nicht nur Handwerker, Liefer- und Pflegedienste immer öfter Probleme sehen, ihre Fahrzeuge irgendwo auch nur kurzzeitig StVO-gerecht abstellen zu können.

Wären da nicht extra ausgewiesene Stellplätze extra für diese kurzfristigen Bedarfe ausweisbar?

Nein, teilt das Planungsdezernat mit: „Nur dort, wo entsprechender Bedarf konzentriert vorhanden ist, ist die Ausweisung von Kurzzeitparkplätzen oder von eingeschränkten Haltverboten zur Gewährleistung des Be- und Entladens möglich und wird auch so umgesetzt. Jede konkrete Anfrage seitens der Wirtschaft wird im Rahmen des Verwaltungshandelns geprüft und wenn möglich, die gewünschten Regelungen angeordnet. Dies ist bereits geübte gute Praxis.“

Und das Fazit aus dem Prüfauftrag: „Zusammengefasst muss festgestellt werden, dass eine pauschale flächendeckende Prüfung und Ausweisung von Parkplätzen speziell nur für den Wirtschaftsverkehr im öffentlichen Raum als Kurzzeitparkplätze nicht möglich ist, zumal nach den rechtlichen Bestimmungen zu jeder straßenverkehrsbehördlichen Entscheidung eine Einzelfallprüfung erforderlich ist.“

Havarieeinsätze von Handwerkern

Für Handwerker im Havarieeinsatz gab es ja noch einen gesonderten Prüfauftrag. Aber auch hier stellt sich dasselbe Problem, nicht ganz so streng, denn für Handwerker gibt es schon eine wichtige Ausnahme, wenn auch keine besonderen Parkplätze.

„Nach Auffassung der Verwaltung gibt es bei einem Havarieeinsatz keine Zeit für Überlegungen bezüglich der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 StVO, denn die Erteilung von Ausnahmen ist nur im konkreten Einzelfall und erst nach Einzelfallprüfung möglich. Auch kann für einen nicht vorhersehbaren Notfalleinsatz kein Parkraum vorgehalten oder über Ausnahmegenehmigungen geschaffen werden“, stellt das Planungsdezernat fest.

„Umgangssprachlich sind Havarien/Notfälle plötzlich auftretende Störungen durch Brand, Explosion, Sturm, technische Schäden u. a., die eine unmittelbare Gefahr für das Leben und die Gesundheit für Menschen darstellen bzw. zur Beschädigung oder Zerstörung von Sachwerten, z. B. von Gebäuden, Gebäudeteilen, Ausrüstungs- und Ausstattungsgegenständen führen.“

Da Handwerker da quasi in einer Art Feuerwehreinsatz sind, gibt es für sie eine schon eingespielte Regelung, wenn auch keine besonders sorgenfreie, es sei denn „die Stadtpolizei erkennt beim widerrechtlich parkenden Handwerkerauto den gerade aktuellen Notstand an: Für solche Fälle hat der Gesetzgeber im Ordnungswidrigkeitenrecht im § 16 OWiG den Begriff des ‚Rechtfertigenden Notstandes‘ geschaffen. Hier können die Dienstleister selbst entscheiden, ob die eingetretene Störung den Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften rechtfertigt und müssten dies dann erforderlichenfalls in einem möglichen Ordnungswidrigkeitsverfahren darlegen.“

Der Stadtrat tagt: Verwaltung prüft Einrichtung von Sonderparkplätzen für den Wirtschaftsverkehr

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Die überbordende Nutzung von Anliegerparkplätzen – welche ohnehin knapp sind – durch dauerhaft parkenden Wirtschaftsverkehr lässt meiner Ansicht nach die Situation eskalieren.
Wie oft sehe ich in heimischen Straßen parkende Kleintransporter von Firmen oder ebensolche PKW, teils auch LKW. Also auch in der Nacht!

Müssen diese im Wohngebiet parken?
Gibt es nicht Firmengelände?

Die Firmen machen es sich ganz einfach: sie müssen auf ihrem Gelände nicht so viele Parkplätze bereit halten und der Mitarbeiter ist “flexibel”. Auf Kosten der Bürger, die nun staunend sehen, wie Anliegerparkplätze durch privat wirtschaftendes (und Gewinn erzielendes) Gewerbe besetzt werden.

Zunehmend herrscht ja die Meinung “Wir sind wichtiges Gewerbe und uns müssen Parkplätze bereit stehen”, bis hin zu Händlern in der Jahnallee: “Wir haben nun unseren Laden hier – sichert uns Parkplätze, damit wir überleben können!”

Für Havarieeinsätze sehe ich das gern ein – aber für gewöhnliche Firmentätigkeiten muss man innerhalb eines so dicht besiedelten Stadtgebietes einfach relativieren.

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