Es ist, als würde immer wieder dieselbe kaputte Platte aus dem fernen Jahr 1950 gespielt. Rund um die Internationale Automobilausstellung (IAA) maulen wieder diverse deutsche Automanager über das EU-weite Verbrenner-Aus ab 2035, obwohl der Umbau der Technologie hin zur Elektromobilität längst begonnen hat. Und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stimmt öffentlich in den Klagegesang ein und fordert „Technologieoffenheit statt pauschaler Verbote“.
„Das geplante Verbrenner-Aus 2035 ist ein Irrweg“, verkündete er am Dienstag, dem 9. September, in Dresden. Und behauptete auch: „Es ist ideologisch getrieben, gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit und zerstört industrielle Wertschöpfung in Deutschland. Wir brauchen Technologieoffenheit statt pauschaler Verbote. Moderne Motoren in Kombination mit klimaneutralen Kraftstoffen können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten – und gleichzeitig unsere Industrie wettbewerbsfähig halten.
Es darf nicht sein, dass europäische Politik Zukunftschancen zerstört und Arbeitsplätze in unserem Land gefährdet. Wer heute den Verbrennungsmotor verbietet, schwächt unsere Industrie und spielt anderen Weltregionen in die Hände.“
Und dann hängte er noch an: „Unser Ziel muss es sein, Innovation zu fördern, Mobilität bezahlbar zu halten und den Weg zu einer klimafreundlichen Zukunft mit Vernunft zu gestalten. Ich erwarte von der Europäischen Union mehr Realismus, mehr Vernunft und mehr Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst.“
Klimafreundliche Zukunft? Mit Verbrennern? Kennt der Ministerpräsident die Zahlen zum CO₂-Ausstoß im Verkehr nicht?
Fossile Floskeln
„Begriffe wie Verbrenner-Aus oder Verbrennerverbot sind fossile Floskeln“, sagt hingegen Christian Hochfeld, seit 2016 Direktor des gemeinnützigen Thinktanks Agora Verkehrswende, der im Rahmen der IAA Mobility auch an verschiedenen Diskussionsrunden teilnahm.
„Sie suggerieren, dass etwas verloren ginge, wenn ab 2035 alle Neuwagen beim Fahren emissionsfrei sind. Auch der Fokus auf 2035 lenkt von den aktuellen Problemen ab. Entscheidend ist im Moment nicht, ob wir 2035 zu 100 Prozent elektrische Neufahrzeuge haben werden. Entscheidend ist, dass wir so schnell wie möglich den Elektroanteil bei Neuzulassungen über 50 Prozent heben.“
Und wie soll die wehklagende deutsche Autoindustrie damit umgehen? „Mit Blick auf die Sicherung der Automobilbranche am Standort Deutschland sollte für die Politik die Leitlinie gelten: Nur das, was die Transformation zur Klimaneutralität fördert und beschleunigt, nutzt auch der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie“, sagt Hochfeld etwas, was den Unionspolitiken, die gegen das Verbrenner-Aus wettern, einfach nicht einleuchten will. Die Transformation ist längst im Gang. Und die innovativeren unter den deutschen Autokonzernen haben längst attraktive E-Auto-Modelle am Markt.
Hochfeld: „Setzt die Politik die Abschottung der Automobilmärkte zukünftig fort, bedeutet dies das Ende des Weltautos. Das würde gerade die europäischen Hersteller besonders negativ treffen, weil damit die Wirtschaftlichkeit Ihres Geschäftsmodells gefährdet ist. Gleichzeitig würden Fahrzeuge für Käufer generell teurer. Beides würde die Transformation zur klimaneutralen Mobilität verzögern und den Automobilstandort Deutschland noch stärker unter Druck setzen.“
Die falsche Technologieoffenheit
Und wie ist es mit der von Kretschmer mal wieder geforderten Technologieoffenheit, womit in der Regel nicht die E-Autos gemeint sind, sondern die viel beschworenen E-Fuels? Ein Thema, mit dem sich Prof. Dr. Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg beschäftigt. Sie hat an der Dienstag, dem 9. September, veröffentlichten Szenarienanalyse zu E-Fuels im Pkw-Bereich 2045 des IKND mitgearbeitet.
Und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: „Die Elektrifizierung bleibt im Pkw-Bereich ökonomisch die erste Wahl. Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass E-Fuels zu einem breiten Einsatz im PKW-Bereich kommen, dann ist das ein sehr teuer erkaufter Weg der politisch oftmals geforderten Technologieoffenheit im Vergleich zur Elektromobilität.“
Und so sieht es auch Carolin Friedemann, Gründerin und Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND), die am Dienstag die Szenarienanalyse zu E-Fuels im Pkw-Bereich 2045 vorgelegt hat.
„Die Studie ist ein Realitätscheck für E-Fuels und zeigt sehr eindrücklich, welche Kosten und Abhängigkeiten der Einsatz von E-Fuels mit sich bringt. Die zu tragenden Kosten sind enorm hoch und das Geld, das Verbraucher an der Tankstelle in die Hand nehmen müssten, wäre im Konsum anderer Güter besser aufgehoben“, sagt Friedemann.
„Bei allem Wunsch nach Technologieoffenheit, ist es geboten, die damit einhergehenden Kosten zu kommunizieren, damit es nicht zu einem bösen Erwachen kommt. Daher müssen Anreize geschaffen werden, dass der Hochlauf der Elektromobilität deutlich gesteigert wird.“
Die IAA findet von bis zum 14. September in München statt.
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Es gibt 7 Kommentare
Und hier noch eine nette Ergänzung ob der Wichtigkeit fossiler Energieträger:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/gasnetzbetreiber-machen-traum-renditen-auf-kosten-der-verbraucher-a-84075b4e-9186-411d-b150-eaffb08520a9
Deutschland besitzt auch massenweise Ökostrom, den wir abregeln, weil die Netzbetreiber den Trassenausbau verzögert oder verhindert haben. Bzw. weil man durch den Solarboykott von Altmeier und Frau Reiche (!) und den verhinderten Speicherausbau die Abhängigkeit der Fossilen verschlimmerte.
Man müsste den MP von Sachsen mal öffentlich damit konfrontieren, was die Automobilindustrie direkt und indirekt in den letzten 20 Jahren an Subventionen erhalten bzw. davon profitiert hat. das sind einige 100 Milliarden Euro! Und das neben erfolgreichem Lobbyeinfluss, wie höhere Flottengrenzwerte als geplant oder Bevorzugung des MIV.
Es ist so eine furchtbar dämliche Naivität zu glauben und zu publizieren, noch mehr Zeit und Zugeständnisse würden der Automobilindustrie “helfen”.
Auch wenn einem die Gesellschafts- und Wirtschaftsform in China Sorgen bereiten darf – Man hat dort nicht geschlafen, sondern geklotzt.
Eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Fakten würde den lobbygetriggerten Politikern in Deutschland gut tun.
In Deutschland sind sicher noch ein paar gute Ingenieure übrig, aber sie werden durch die rückwärtsgewandte politische Aristokratie ausgebremst.
Sehr schönes Thema … hier zwei (bzw drei) Links, aus denen die folgenden Zitate stammen:
https://web.archive.org/web/20230919112021/https://www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-antrieb/alternative-antriebe/synthetische-kraftstoffe
“Der Wirkungsgrad von E-Fuels liegt aktuell bei gerade mal 15 Prozent, das ist ein katastrophaler Wert.”
https://de.wikipedia.org/wiki/Dampfmaschine
“Hochdruckmaschinen erreichten im Jahre 1910 beispielsweise einen Steinkohlenverbrauch von 0,5 kg pro PS-Stunde mit „mittlerer Steinkohlenqualität“. Das entspricht einem Wirkungsgrad von über 18 %”
Interessantes Detail: O.g. Version der Seite vom ADAC ist von 2023, in der aktuellen Version beim ADAC ist das Interview mit Hr.Berninghausen nicht mehr drin. Warum wohl?
Aber selbst die aktuelle Version spricht Bände zur haarsträubenden Ineffizienz von E-Fuels, zumindestens im KFZ-Sektor.
Deutsche Ingenieurskunst würde sicherlich in der Tat sinnvolle Lösungen hervorbringen, wenn man sie denn ließe.
Norwegen ist nicht Mitglied der EU (aber des Europäischen Wirtschaftsraum), da kann einiges anders sein. Norwegen hat massenweise Ökostrom vor der Haustür, klar, das der nix kostet. Die verkaufen ihre Fossilen lieber. Und bevor es in D Strafsteuern beim Kauf eines Verbrenners setzt wie in Norwegen (ich lache mich kaputt nur bei der Vorstellung dessen), wird der Wurstfresser Freileitungen durch sein Unterleibsland bauen, die auch noch 10x billiger und schneller gebaut wären. Aber die Kartoffeln stehen halt auf teuren Strom. Und was will man auch gegen Wutbürger tun…vom Strom abklemmen kann man sie ja auch nicht, dann verpassen sie ja die neueste Wurst.
Jaaa und wenn wir nicht alle flexibler und geschmeidiger werden, dann braucht es die zusätzlichen GW. Steht das C in CDU (und CSU) nicht für Flexibilität, Geschmeidigkeit, Geschwindigkeit, Ahnung? Ich dachte kurz für Cleverness…aber dann habe ich an den Drehonkel aus Dresden gedacht.
Ups natürlich “nicht ohne”
Auch wenn es bei einigen Kommentierenden ohne Beleidigungen geht, hätte ich mal einige Gedanken zu dem Thema.
1. das EU-weite Verbrenner-Aus ab 2035 bezieht sich nicht auf staatliche Akteure
2. Wir sollten mal einen Blick nach Norwegen werfen, die ganz Stolz darauf sind wie stark der Anteil der E-Autos bei den Neuwagen sind. Sehen wir uns mal die Rahmenbedingungen an. Mehrwertsteuer für kleinere E-Autos Norwegen 0% Deutschland 19%. Preise deutscher Anbieter sind in Norwegen auch geringer als in Deutschland. Über Stromkosten sollte man zwar nicht reden (Nordnorwegen 2 Cent) aber es ist schon erstaunlich das man in Norwegen an den Ladesäulen den selben Preis bezahlt wie im Haushalt, Deutschland eher mehr. Zusätzlich ist es in Norwegen bei Neubauten Eigentum oder Mietwohnung Pflicht eine Wallbox pro Einheit zu installieren und der Smartmeter kostet genauso viel wie der normale digitale Stromzähler.
3. Ohne Smartmeter bzw. die Einbeziehung von privaten Speichern zur Netzstabilisierung werden wir die zusätzlichen 36 GW an fossile Kraftwerksleistung im Jahr 2035 benötigen. Kleine Bemerkung am Schluss, in einigen Gebieten Sachsen ist die Installation einer Wallbox zur Zeit verboten. (Fragen die dazu den Elektroinstallationsbetrieb ihres Vertrauens)
“Michael Kretschmer liegt völlig falsch” hätte als Beitrag schon gereicht.
Was Moskau-Micha einfach nicht verstehen will: Entweder verkaufen deutsche Automobilhersteller ab 2035 emissionsfreie Autos in der EU oder es werden andere Hersteller tun.
Die deutschen Automobilhersteller können natürlich auch über 2035 hinaus ihre Verbrenner in den USA und China verkaufen. Da die heutige deutsche Auto-Krise aber eine USA- und China-Krise ist, ist es dann wohl vorbei.
Wer macht dem Sachsen-Söder und dem Fetisch-behafteten Wurstfresser eine Skizze?