Das große Problem unserer Gesellschaft ist die Wegschmeißmentalität. So, wie wir mit den immer kurzlebigeren Gütern unserer Konsumwelt umgehen, so gehen wir ja auch mit unseren Mitmenschen um. Deswegen sorgen einige Vorstöße aus dem Jugendbeirat oder – wie in diesem Fall – aus der Grünen-Fraktion auch jedes Mal für einigen Wirbel. Denn das Selbstverständliche ist nicht selbstverständlich. Manchmal sorgt ein stiller Paragraph für Unmöglichkeiten.

Wobei es Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal gar nicht mal politisch meint, wenn er den Grünen jetzt Auskunft gibt zur Abfalltrennung im Rathaus und in den städtischen Kitas. Oder vielmehr dazu, dass es keine gibt. Zumindest nicht konsequent.

So im Großen und Ganzen funktioniere es schon, erklärt jetzt Heiko Rosenthal auf die Anfrage der Grünen-Fraktion, betont aber, dass er seine Informationen vor allem aus den Tiefen des Dezernates Umwelt, Ordnung und Sport und des Eigenbetriebs Stadtreinigung hat.

„Ja, in vielen kommunalen Liegenschaften der Stadt Leipzig (über 80 %) wird eine Abfalltrennung praktisch und konsequent entsprechend der Abfallwirtschaftssatzung durchgeführt, es wird entsprechend nach Restabfall und Wertstoffen (Papier, Pappe und Leichtverpackung) getrennt. Stichprobenartig erfolgen Kontrollen durch eigenes Personal bzw. Entsorgungsunternehmen, um eine zufriedenstellende Trennung zu sichern. Sofern die Voraussetzungen, d.h. entsprechende Trennsysteme, nicht vorhanden sind, werden diese sukzessive nachgerüstet, um auch an diesen Liegenschaften die Abfalltrennung zu ermöglichen“, führt er aus.

Was eigentlich nicht so sehr der zentrale Punkt in der Grünen-Anfrage war. Die haben sich eher mal Gedanken darüber gemacht, was in den vielen hundert Restmüllkübeln in der Verwaltung (und in den Fraktionen) landet und was daraus wird: „Im Neuen Rathaus gibt es das Trennsystem für Abfälle und Wertstoffe. An den vorgesehenen Tagen stehen die vollen Papierkörbe vor den Bürotüren und werden vom Hausdienst geleert. Auf den Etagen stehen in den Teeküchen und Toiletten spezielle Abfallsammelbehälter zum getrennten Entsorgen von Restmüll, Kunststoffen und Glas bereit.“

Ihr Kummer: „Die getrennte Sammlung von Biomüll wird unserer Kenntnis nach bisher in Verwaltungsstandorten und Kitas nicht angeboten. Da ansonsten alle privaten und gewerblichen Haushalte zur Aufstellung einer Bio-Mülltonne (Anschlusszwang) verpflichtet sind, ist es fraglich, warum gerade die Verwaltung hierbei nicht mitzieht oder ausgeschlossen ist. Zudem wird in Cröbern eine Vergärungsanlage gebaut, hierfür ist auch eine Bio-Müll-Sammlung ein weiterer Grund.“

Und gerade Kaffee wird ja in Amtsstuben jede Menge getrunken. Logische Frage: „Das Rathaus duftet morgens, mittags und nachmittags nach frisch gebrühtem Kaffee, bisher gibt es keine Möglichkeit z. B. diese zahlreichen Kaffeefilter und anderen Biomüll sach- und umweltgerecht zu entsorgen. Wann wurde zuletzt geprüft, ob die Rathäuser, Außenstellen der Stadtverwaltung und kommunalen Kitas Biomüll trennen und ob und wann sie an die Entsorgung angeschlossen werden könnten?“

Und da taucht nun ganz unverhofft ein kleiner Paragraph auf, der auch die Grünen zum Staunen bringen dürfte: „Der in den genannten Einrichtungen anfallende Bioabfall ist aufgrund seiner derzeitigen Art und Beschaffenheit (Pausenversorgung, eigene Speisenzubereitung) überwiegend kein Bioabfall nach der geltenden Abfallwirtschaftssatzung (dort § 2 Abs. 8). Es liegt keine Vergleichbarkeit mit ‚haushaltstypischem Bioabfall‘ vor, seine Beschaffenheit lässt bisher keine Verwertung durch die von der Stadtreinigung beauftragten Firmen (Kompostierungsanlagen) zu. Für diesen Abfall besteht daher keine Überlassungspflicht an den Eigenbetrieb Stadtreinigung, weshalb auch keine Überprüfung der beschriebenen Einrichtungen angezeigt ist. Hiervon ausgenommen sind Küchenabfälle, welche durch die Caterer separat entsorgt werden. Die in den Einrichtungen anfallenden Abfälle könnten derzeit lediglich durch private Entsorger kostenpflichtig gesammelt und einer abfallwirtschaftlichen Behandlung zugeführt werden.“

Heißt: Bioabfall wird auch im Rathaus nicht extra gesammelt. Die Filtertüten mit Kaffeesatz landen im Restmüll. Paragraph 2 Abs. 8 will es so.

Man kann gespannt sein, was sich die Grünen nach der Weihnachtspause dazu ausdenken. Denn dass es dabei nicht nur um Befindlichkeiten oder Sorge um die Umwelt geht, haben sie in ihrer Anfrage auch klargemacht. Denn die Abfallentsorgung in städtischen Einrichtungen kostet auch Geld.

Den Bürgern wird bei der Vorstellung der jährlichen Gebührensatzung immer wieder gepredigt, sie sollten ihre Abfälle sorgsam trennen, damit die Kosten der Entsorgung nicht ausufern.

Aber irgendwie gelten im Rathaus etwas andere Regeln. Oder niemand hat Lust, sich mit dem Thema jetzt schon wirklich zu beschäftigen.

Trotzdem kostet das Ganze jedes Jahr mehr Geld.

„Wie entwickelte sich das Abfallaufkommen in den Sektionen Restmüll, Glas, Papier und Kunststoffe und die dadurch entstehenden jährlichen Kosten in den Verwaltungsstandorten und kommunalen Kitas insgesamt in den letzten fünf Jahren?“, haben die Grünen nämlich auch noch nach den Kosten gefragt.

„Exakte Mengenangaben konnten wegen des größeren Datenaufwandes in der für die Beantwortung verfügbaren Zeit nicht ermittelt werden“, meint Rosenthal in seiner Antwort. „Grundsätzlich ist von einem steigenden Abfallaufkommen auszugehen, welches auf die Schaffung neuer Einrichtungen, steigende Nutzerzahlen und den persönlichen Umgang mit Umverpackungen zurückzuführen ist.“

Aber genau da fängt es an. Denn auch für die städtischen Einrichtungen gilt: „Die Sammlung von Papier, Kunststoffen und Glas steht allen nichtgewerblichen Nutzern ohne separate Kostenberechnung zur Verfügung.“

Extra-Kosten verursacht vor allem der unsortierte Restmüll.

Und da hat das Umweltdezernat auch gleich mal die zugehörigen Kosten mitgeliefert.

Die finanziellen Aufwendungen für die Restmüllentsorgung in Verwaltungsgebäuden, Schulen und Kitas stellen sich ab 2014 folgendermaßen dar:

2014:836.400,00 €

2015:910.300,00 €

2016:928.400,00 €

2017:769.100,00 € * Jahr noch nicht abgeschlossen, Stand vom 11.12.2017

Fast eine Million Euro also für die Restmüllentsorgung in städtischen Einrichtungen.

Womit man wieder bei der Frage nach den Kaffeefiltertüten wäre. Oder – in vorsichtigem Nachfragen der Grünen: „Wäre mit der Einführung der Biomüll-Sammlung eine Kostenersparnis verbunden, da der Restabfall wesentlich reduziert anfallen dürfte? Mit welchem Effekt könnte die Verwaltung rechnen?“

Und siehe da: Es hätte einen Effekt.

Oder mit den Worten des Umweltbürgermeisters: „Wenn in den Verwaltungseinrichtungen Bioabfall gem. § 14 Abs. 2 Abfallwirtschaftssatzung gesammelt würde, könnten durch die Bereitstellung der kommunalen Biotonne und die im Vergleich zur Restabfallgebühr (Leerungsgebühr/Verwertungsgebühr) niedrigere Biotonnenfestgebühr ca. 20 T€/Jahr eingespart werden. Dies ist im Zusammenhang mit der geplanten Bioabfallvergärungsanlage zu prüfen, die diese vor allem aus Speiseresten bestehenden Abfälle dann auch verarbeiten kann.“

Die Stadt könnte also sparen. Auch wenn es erst mal nur 20.000 Euro im Jahr wären.

Über die geplante Bioabfallvergärungsanlage informierte Heiko Rosenthal den Stadtrat im November. „Derzeit werden die getrennt gesammelten Bioabfälle der Stadt Leipzig vorrangig kompostiert. Für die Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen hochwertigen Verwertung von Bioabfällen (§ 8 KrWG) kommt ausschließlich eine Vergärung nach Stand der Technik in Betracht“, hieß es in seiner Vorlage. „Die Vergärungsanlage wird für eine Annahmemenge von 35.000 t/a technisch ausgelegt. Dies entspricht einer Verarbeitungskapazität für einen Mengenanfall an Bioabfällen von ca. 40 kg je Einwohner (im Verbandsgebiet des ZAW) jährlich und liegt damit im unteren Bereich des Erwartbaren. Mit dieser konservativen Mengenplanung wird sichergestellt, dass keine überdimensionale Anlage errichtet wird. (…) Die Genehmigungsplanung wird voraussichtlich für eine Menge um 42.000 t/a erfolgen, um auf Mengenschwankungen reagieren zu können.“

Falls also in Leipziger und Bornaer Amtsstuben noch mehr Kaffee getrunken wird.

2020 soll die Anlage ihren Betrieb aufnehmen. Oder mit den Worten der Vorlage: „Das Investitionsvolumen beläuft sich auf ca. 16 Mio. € (netto) und wird von der WEV vollständig aus Eigenmitteln finanziert. Die Behandlungskosten in der Vergärungsanlage betragen ca. 70 €/t (netto). (…) Nach Realisierung des Projektes (Planungen, Genehmigungsverfahren, Bau- und Inbetriebnahmephase) wird die Übernahme der Bioabfälle in die Vergärungsanlage ab 01.01.2020 erfolgen.“

Die Informationsvorlage zur Bioabfallvergärungsanlage am Standort Cröbern.

Wie hält es eigentlich die Verwaltung mit der Mülltrennung im Neuen Rathaus?

Wie hält es eigentlich die Verwaltung mit der Mülltrennung im Neuen Rathaus?

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar