Ganz so schnell wie vermutet verschwindet Vattenfall noch nicht aus Westsachsen. Am Dienstag, 13. August, haben die Stadtwerke Leipzig und Vattenfall einen neuen Vertrag über Fernwärmelieferung aus dem Kraftwerk Lippendorf, wo Vattenfall einen der beiden Kraftwerksblöcke betreibt, vereinbart. Der Vertrag ist Teil der Stadtwerke-Konzeption, immer größere Teile des Leipziger Stadtgebietes mit Fernwärme zu versorgen.

Fernwärme aus Lippendorf bekomme die Stadtwerke Leipzig (SWL) dabei schon seit mehreren Jahren geliefert. “Dieser Vertrag ermöglicht es uns, unsere Leipziger Kunden auch künftig mit nahezu 100 Prozent umweltfreundlicher Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mit einem ausgezeichneten Primärenergiefaktor von 0,31 zu beliefern”, erklärt Raimund Otto, Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig.

Letzterer sei besonders interessant für Hauseigentümer, so Otto: Wer seine Immobilie mit Fernwärme beheizt, erfüllt damit bereits die Auflagen des Erneuerbare Energien-Wärmegesetzes und muss keine weiteren Erneuerbaren Energien anschließen oder zusätzliche Kosten für Dämmung, Schornstein oder Ähnliches einkalkulieren. Die Fernwärme in Lippendorf wird als “Beiprodukt” aus der Stromerzeugung gewonnen. Und es ist wie bei jeder anderen Energieerzeugung, bei der die Abwärme nicht einfach in die Luft geblasen wird, sondern zur Wärmegewinnung genutzt wird: Die zusätzliche Wärmeauskopplung kann den Ausnutzungsgrad des Energieträgers Rohbraunkohle erhöhen. Für die Umwelt ein Plus gegenüber der getrennten Erzeugung, so Otto. Andererseits auch eine Abnahmegarantie für die Fernwärme aus Lippendorf. Rund die Hälfte der Leipziger Fernwärme kommt aus Lippendorf.

“Das Kraftwerk Lippendorf erfüllt alle Anforderungen einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage. Selbst bei extremen tiefen Außentemperaturen kann aus dem Kraftwerk Lippendorf eine thermische Leistung bis zu 330 MW in das Netz der Stadt eingespeist werden, wodurch Vattenfall einen großen Beitrag für eine stabile Wärmeversorgung in der Stadt Leipzig leistet”, sagt denn auch Klaus Aha, Vorstandsmitglied der Vattenfall Europe Mining AG und Vattenfall Europe Generation AG. “Als heimischer und wettbewerbsfähiger Energieträger sichert die Braunkohle im Osten der Republik die Arbeitsfähigkeit der Industrie und viele Tausend Jobs.”

Knapp 2.000 Jobs in der Region. Bis ungefähr 2035. Bis dahin reicht die Betriebsgenehmigung für das Kraftwerk Lippendorf.

Bereits 1996 vereinbarten die Stadtwerke Leipzig die Fernwärmelieferung aus Lippendorf – damals für 20 Jahre mit der VEAG, später Vattenfall Europe Generation AG. Der Rückblick auf die letzten 15 Jahre zeige, dass dies die richtige Entscheidung war, meint Raimund Otto. “Der Bezug aus Lippendorf lief immer zuverlässig. Und diese wirtschaftlich gute und verlässliche Kooperation ist nun die Basis der Zusammenarbeit für weitere zehn Jahre.”
Der Vertrag umfasst eine Grundlastlieferung von 200 MW thermischer Energie – ebenso viel, wie die Gas- und Dampfturbinenanlage der Stadtwerke Leipzig selbst leisten kann. Darüber hinaus können im Bedarfsfall bis zu 130 MW thermische Energie zusätzlich geliefert werden.

Die verhandelten finanziellen Konditionen sind ähnlich geblieben. Aufgestockt wurde jedoch in punkto Sicherheit mit dem sogenannten “Doppelblock-Betrieb”: “Bei technischen Anlagen können Störungen nie ganz ausgeschlossen werden. Darum erlaubt es uns der neue Vertrag, in Lippendorf bei Außentemperaturen von weniger als -4 °C die Wärmelieferung aus zwei Blöcken statt aus nur einem zu bestellen”, erklärt es Raimund Otto. Den zweiten Block in Lippendorf betreibt die EnBW, das Gesamtkraftwerk Lippendorf aber betreibt Vattenfall, das noch vor Kurzem über einen Verkauf des Kraftwerksblocks nachgedacht hat. Was ja damit nicht vom Tisch ist. Der neue Vertrag sichert ja mit den Stadtwerken Leipzig einen Fernwärmeabnehmer bis Ende 2023.

Die SWL freilich bauen auch an anderer Stelle weiter an einer Sicherung der Wärmeversorgung für Leipzig.

Bis Herbst 2014 wolle sie eine neue Wärmeerzeugungsanlage im Heizwerk Nordost fertigstellen. Die neue Anlage soll damit 35 MW zusätzliche Heizkapazität bereit stellen und im Notfall rund 7.000 Wohnungen mit Wärme versorgen. Neben ihrer Gas- und Dampfturbinenanlage im Herzen Leipzigs betreiben die Stadtwerke Leipzigs bereits heute drei Heizwerke. Damit sichern sie die Versorgung vor allem dann, wenn es draußen besonders kalt ist. Darüber hinaus sind die Heizwerke vor allem Bestandteil des Besicherungskonzeptes der Stadtwerke.

“Unser Ziel ist es, die Leipziger im wahrsten Wortsinn unter allen Umständen sicher versorgen zu können – egal wie kalt es ist und egal, welches technische Problem gerade bei den tiefsten Minusgraden an einer der Anlagen gelöst werden muss”, hebt Raimund Otto die Gründe für den Neubau hervor. Das erfordert entsprechende Kapazitäten, die nun mit diesem zusätzlichen Heizwerk im Leipziger Nordosten für rund 2,5 Millionen Euro Investitionssumme komplettiert werden.

Die Stadtwerke Leipzig wollen bis zum Herbst 2014 noch ein weiteres Bauprojekt stemmen: die Errichtung ihres ersten thermischen Speichers.

Ein solcher Speicher ist quasi das Netz zum doppelten Boden für die Wärmeversorgung der Stadt Leipzig. Der Speicher fasst 3.000 m³ und ist an das Heizwasserverbundnetz angeschlossen. Wenn eine Heizanlage durch einen technischen Defekt ausfiele, verzögert der Speicher das Auskühlen des Fernwärmesystems um sechs bis sieben Stunden. Wertvolle Zeit, die die Monteure des Unternehmens für Reparaturarbeiten gewinnen, ohne dass auch nur ein Leipziger in einer kühlen Wohnung sitzen muss.

“Aber dieser Speicher sichert nicht nur den Ernstfall ab”, erklärt Raimund Otto. Er liefert dem Unternehmen darüber hinaus zusätzliche Flexibilität innerhalb der Erzeugung. “Kurz gesagt: Er ergänzt im Winter unser Besicherungskonzept und in der Übergangszeit hilft er uns, noch wirtschaftlicher zu agieren”, so Otto. Heißt: “Vor allem dann Wärme und damit Strom zu erzeugen, wenn wir letzteren an der Börse auch gut verkaufen können.” Ansonsten nämlich speisen die Stadtwerke das Fernwärmenetz aus dem Speicher und verzichten in der Zeit auf die eigene Erzeugung. In diesen Speicher will das Leipziger Energieunternehmen im nächsten Jahr rund 3,5 Millionen Euro investieren.

www.swl.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar