Da dürfte wohl auch Leipzigs OBM Burkhard Jung wieder etwas beruhigter schlafen: Am Donnerstag, 5. März, vermeldete die Verbundnetz Gas AG einen Jahresüberschuss von 184 Millionen Euro. Das klingt richtig gut, wenn man bedenkt, dass die VNG 2011 auch ihre Anteilseigner schockte mit einem Minus von 211 Millionen Euro. Da mussten sogar die Rücklagen angegriffen werden. Aber das ist 2014 nicht mehr so. Trotz Witterung.

Denn eigentlich hat das warme Jahr 2014 (über den Fast-Temperaturrekord haben wir ja berichtet) den Verkäufern von Energie so richtig die Suppe verhagelt, die Margen verdorben, die Geschäfte vermiest. Kein kalter Winter, und schon gehen die Energieverkäufe deutlich zurück. Und zwar besonders bei Erdgas, dem, was ja nun einmal bei VNG das Geschäft ausmacht. Erdgas ist einer der wichtigsten Energieträger bei der Wohnungswärme. 2014 erlebte der Absatz bei Erdgas einen fetten Rückgang um 14 Prozent. Zum Vergleich: Bei Braunkohle (aus der in der Regel parallel zu Strom auch noch Fernwärme gemacht wird), waren es nur 2,3 Prozent.

Und auf der anderen Seite geht der Umbau der deutschen Energieerzeugung unvermindert weiter, auch wenn die vier großen Energiekonzerne im Verein mit fünf verbündeten Landesregierungen überall bremsen und mauern und zu verhindern versuchen, dass auch nur einer ihrer großen Kraftwerksblöcke vom Netz geht. Und sie haben in den vergangenen fünf Jahren, seit dem 2010 verkündeten “Ausstieg aus dem Ausstieg” viel Geld und Kraft darin investiert, die Politik zum Einlenken und Umkehren zu bewegen. Und 2009, 2010, als sie sogar noch ihre Lieblingsregierung CDU/CSU/FDP bekommen hatten, waren sie sich kurzzeitig sogar sicher gewesen, das Spiel gewonnen zu haben und die Energiewende in Deutschland zum Stillstand gebracht zu haben. Ein in manchen Zeitungen geradezu lautstarker Triumph, der umso schräger wirkte, weil auch damalige Umfragen zeigten, dass die Mehrheit der Deutschen die Energiewende will.

Die Bürger gehen nur auf die Straße und an die Decke, wenn über ihre Köpfe hin geplant und entschieden wird, etwa wenn es um Stromtrassen geht, das Dauerthema seitdem. Mittlerweile der tägliche Gesang des bayerischen Ministerpräsidenten, der in jedem Unternehmen der freien Wirtschaft längst hochkant gefeuert worden wäre für seine Unfähigkeit, für sein Unternehmen wichtige Entscheidungen zu treffen und sie auch umzusetzen. Bremsen hat nichts mit politischem Gestalten zu tun. Wirklichkeitsverweigerung auch nicht. Worauf dann just am Donnerstag, 5. März, auch eine Mahnung aus der Bundesnetzagentur aufmerksam machte: Wenn der mit Wind und Sonne im Norden und Osten erzeugte Strom nicht nach Bayern geleitet werden kann, werden die Südländer künftig saftige Strompreise bekommen.

Und Stromtrassen sind nicht das einzige Thema, bei dem die Bundes- und Provinzpolitik nun satte fünf Jahre hinterher hängt, ohne eine mit den Bürgern abgestimmte Lösung hinbekommen zu haben. Beim Thema Kapazitätsreserve von Kraftwerken, die im Bedarfsfall zugeschaltet werden könnten, geht es weiter. Wer mauert hier? – Wieder Bayern.

Die Leipziger Firmenzentrale der VNG. Foto: Ralf Julke
Foto: Ralf Julke

Und völlig undiskutiert: das Thema Speicherreserven. Denn wenn man schon bei Sonnenschein und flottem Wind billigsten Strom produziert, dann ist es doch das Sinnvollste, diese Strommengen irgendwo zu speichern, um sie später, wenn’s kalt oder dunkel wird, abzurufen. Die klassische Methode sind Pumpspeicherwerke. Aber so viele Gebirge und Gebirgstäler kann Deutschland gar nicht mit Speicherbecken zubauen, um die riesigen Strommengen zwischenzuspeichern, die Windkraft- und Solaranlagen in Spitzenzeiten produzieren.

Deswegen predigen die Vorstandssprecher der Verbundnetz Gas AG nun schon seit Jahren, man solle doch endlich beginnen, die Erdgasspeicher auch als Speicher für die Energiewende zu betrachten. So auch Dr. Karsten Heuchert wieder am Donnerstag, 5. März, zur Bilanzpressekonferenz der VNG, auf der er zwar ein gutes Jahresergebnis präsentieren konnte. Aber überall dort, wo sich das Geschäftsfeld der VNG mit dem Thema Energiewende schneidet, sieht es eigentlich belämmert aus. Der Markt für Energiespeicher liegt eigentlich am Boden, ganz Europa ist mit Erdgas geradezu geflutet. Was nicht nur an der miserablen Wirtschaftentwicklung weltweit und in den anderen europäischen Staaten liegt (weniger Produktion, weniger Erdgasbedarf), sondern auch an den sinnlosen Preisschlachten, die sich OPEC- und Nicht-OPEC-Staaten seit fünf Jahren auf dem Öl- und Gasmarkt liefern – allen voran die USA, die noch unter George W. Bush ihr gigantisches Fracking-Programm und die Exploration der Ölsande angeschoben haben.

Und was heißt das nun für die VNG?

Erst einmal kein Drama. Das Drama gab es 2011, als das Unternehmen mit etlichen Langzeitverträgen, die noch auf deutlich höheren Marktpreisen basierten, saftig ins Minus geschlittert war. “Mittlerweile haben wir alle Verträge zu marktnahen Konditionen neu verhandelt”, sagt Heuchert. Einen Einbruch wie 2011 werde es also nicht wieder geben. Und weil die Konditionen besser sind, hat sich auch der Absatzeinbruch im warmen Jahr 2014 nicht so heftig auf die Bilanz ausgewirkt. Der Umsatz schrumpfte deutlich – von 10,99 Milliarden Euro auf 9,98 Milliarden. Darin steckt vor allem der gefallene Marktpreis.

Denn der Gasbezug selbst blieb im Grunde auf Vorjahresniveau: 364,5 Milliarden Kilowattstunden Erdgas, knapp 44 Milliarden aus Norwegen, 57 Milliarden aus Russland und 263 Milliarden von den Spot- und Terminmärkten. Letztes steht für den Überfluss an Erdgas, der derzeit die Märkte schwemmt und die Preise drückt.

Wie lange hält das VNG noch aus, wollte ein Journalisten-Kollege wissen. “Ein paar Jahre durchaus”, sagte Heuchert. Man habe sich auf das Preisniveau eingestellt. Andererseits rechne er wieder mit steigenden Preisen. Der Markt werde sich auf einem etwas höheren Preisniveau einpegeln.

Und dann würden auch die langfristigen Investitionen in die Öl- und Gasfelder auf dem norwegischen Schelf sich bezahlt machen, wo VNG im Jahr 2014 eine zweistellige Millionensumme investiert hat und – praktisch im Gegenzug – auch mit Explorationserfolgen beschenkt wurde. In den nächsten fünf Jahren kann es also durchaus sein, dass ein guter Teil des von VNG vermarkteten Erdgases aus den eigenen Gasquellen vor der norwegischen Küste kommt.

Nur eines wollte er am Donnerstag nicht genauer auseinander klamüsern: Welchen Anteil der Verkauf der Anteile an der Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen (EVG) am Unternehmensgewinn ausgemacht hat. Er steckt eindeutig mit drin in den 184 Millionen Euro Überschuss. Die EVG-Beteiligung war aus VNG-Sicht strategisch nicht mehr sinnvoll, Synergieeffekte nicht mehr spürbar. Also hat man sich getrennt. “Aber über das Ergebnis haben wir Stillschweigen vereinbart. Darüber werden wir also auch nichts sagen”, erklärte Bodo Rodestock, der für die Finanzen zuständige Vorstand der VNG.

Kann man also rätseln. Etwa wenn man den Gewinn von 2013 zum Vergleich nimmt, als die VNG ein Plus von 89 Millionen Euro vermeldeten. Und da das operative Geschäft, wie der für Handel zuständige Vorstand Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht betonte, sich nicht verschlechtert hat im Vergleich zum Vorjahr, wird das reine Betriebsergebnis auch etwa in dieser Größenordnung liegen und auf den EVG-Verkauf mindestens eine hohe zweistellige Summe entfallen.

Die Aktionäre haben auch wieder etwas davon (was in den Vorjahren nicht immer der Fall war): 73 Millionen Euro von den erwirtschafteten 184 Millionen werden an die Aktionäre ausgeschüttet, zu denen auch (innerhalb der Kommunen in der VUB-Gruppe) Leipzig gehört: Knapp 5 Millionen Euro wären das, die nun in Richtung LVV fließen, die für Leipzig die Anteile verwaltet.

Änderung innerhalb der VUB-Gruppe

Erst am Mittwoch, 4. März, hatte ja die LVV vermeldet, dass man sich innerhalb der VUB-Gruppe geeinigt habe, wer die 0,55 Prozent Anteile der Stadtwerke Nordhausen übernimmt, die sich von ihrem VNG-Engagement verabschieden.

Das Aktienpaket wurde zu 79 Prozent von der Leipziger LVV und zu 21 Prozent von den Wittenberger Stadtwerken gekauft, meldete die LVV. Beide gehören zu den bisher zehn ostdeutschen Kommunen, die in der Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H. (VUB) ihren Einfluss an der VNG Verbundnetz Gas AG (VNG) in Leipzig bündeln und eine Sperrminorität von 25,79 Prozent der Aktien halten.

Hans-Joachim Herrmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Wittenberg: “Das Engagement in der VNG ist für uns ökonomisch und strategisch sinnvoll. Deshalb lag es auf der Hand, gemeinsam mit den Leipziger Partnern die Nordhäuser Anteile an dem wirtschaftlich starken und zukunftsfähigen Unternehmen VNG zu übernehmen.”

Clemens Schülke, Geschäftsführer der VUB: “Wir bedauern das Ausscheiden eines langjährigen, verlässlichen Partners, freuen uns aber um so mehr, durch das Engagement Leipzigs und Wittenbergs die Anteile in der kommunalen Gemeinschaft halten zu können.”

Die Nordhäuser Stadtwerke haben sich im vergangenen Jahr aus unternehmerischen Gründen entschieden, ihre Aktien zu veräußern, um mit den so möglich werdenden Investitionen ihr Unternehmen zu stärken. Sie sind sehr zufrieden, dass dieser Prozess so schnell und professionell mit den Partnern zu einem guten Ende gebracht wurde. Die Stadtwerke Nordhausen hatten im vergangenen September die Veräußerung ihrer rund 702.000 Aktien angekündigt. Mit dem angebotenen Stückpreis von 9,96 Euro haben sie rund sieben Millionen Euro eingenommen. Zum Veräußerungspreis teilten die Nordhäuser mit: “Die Vertragspartner waren auf der Grundlage einer gutachterlichen Verkehrswertermittlung darin einig, dass der angebotene Verkehrswert den aktuell realen Aktienwert der VNG-Aktien unter Berücksichtigung der erwarteten zukünftigen Entwicklung abbildet. Die Stadtwerke Nordhausen konnten mit diesem Verkaufspreis ihr Aktienpaket mit einem positiven Ergebnis zum Verkauf bringen.”

Am 27.02.2014 sind die Stadtwerke Nordhausen folgerichtig auch aus dem Kreis der kommunalen Gesellschafter der VUB ausgeschieden. Die Geschäftsanteile an der Beteiligungsgesellschaft haben die LVV und die Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg anteilig übernommen.

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