„Eine saubere und allzeit verfügbare Energiequelle“, so pries das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus am 31. Oktober die Kernfusion an. Die immer wieder gepriesene Wundertechnologie, die mal irgendwann die alten Energiequellen ersetzen soll. Anlass war die Gründung der „Allianz zur Fusionsforschung“ durch sechs Bundesländer – darunter der Freistaat Sachsen.

„Das ehrgeizige Ziel: Der Bau eines kommerziell genutzten Fusionsreaktors, der die Kernfusion als saubere und schier unerschöpfliche Energiequelle nutzbar macht.“ Das ist Sachsen. Beim Windkraftausbau bremsen, aber mit einer Jubelmeldung eine Energie anpreisen, von der keiner weiß, ob sie je funktionieren wird.

Im Grunde entstand die Forschung zur Kernfusion parallel zur Entwicklung der Atombomben. Und genauso alt – inzwischen 80 Jahre – sind die Verheißungen, man könne die Kernfusion binnen weniger Jahrzehnte praxistauglich umsetzen. Und nun wird die Kernfusion insbesondere von Unionspolitiken auch noch als Alternative zu erneuerbaren Energien angepriesen.

Aus dem Mund von Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow klang das dann so: „Sachsen ist ein herausragender Forschungs- und Wirtschaftsstandort im Bereich der Physik, Materialentwicklung, Energietechnik und Anlagenbau, mit umfangreichen Forschungskompetenzen beim Thema Fusionsenergie. Diese Allianz macht die wissenschaftliche Exzellenz Deutschlands und den festen Willen zur Technologieführerschaft in einem der wichtigsten Forschungs- und Technologiefelder unserer Zeit, der Kernfusion, noch sichtbarer.

Sie basiert auf starken Forschungs- und Transfernetzwerken wie zum Beispiel SAXFUSION, in dem führende Forschungs- und Hochschuleinrichtungen aus Sachsen, wie etwa das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf auf dem Gebiet der Fusionsforschung, bereits heute eng mit Unternehmen und anderen institutionellen Partnern weit über Sachsen hinaus Forschung und Technologieentwicklung betreiben.

Der Bau eines deutschen Fusionsreaktors kann und wird eine Vielzahl an technologischen Innovationen hervorbringen, von denen in den nächsten Jahrzehnten gerade auch unsere hochspezialisierten Unternehmen in Sachsen profitieren können.“

Noch mehr Geld in eine teure Forschung

Als wenn der deutsche Fusionsreaktor schon in naher Zukunft entstehen könnte. Was das kostet, haben die sechs Unterzeichner übrigens nicht verraten. Aber die Technologie klingt so zukunftsmächtig, dass Regierungen dafür nur zu gern Milliarden bereitstellen.

Und genau diese zusätzlichen Ausgaben für die Wundertechnologie deutet die Meldung des sächsischen Wissenschaftsministeriums auch an: „Die sechs Länder haben auf diesem Zukunftsfeld seit Jahren jeweils erhebliche Vorleistungen erbracht. Sie sollen jetzt gebündelt, vernetzt und nochmals erheblich ausgeweitet werden. Dazu wurde eine enge Abstimmung der Partner untereinander und gegenseitige Unterstützung vereinbart, auch mit Blick auf die Hightech Agenda Deutschland und den Aktionsplan Fusion des Bundes.“

Nur mit der Lösung der aktuellen Energiewende hat das so überhaupt nichts zu tun.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sachsen (BUND Sachsen), kritisierte denn auch am 12. November die in dem Papier geweckten Erwartungen als wissenschaftlich nicht belastbar. In der gemeinsamen Länder-Pressemitteilung wird Kernfusion als künftige „saubere, sichere und weitgehend unabhängige Energiequelle“ angepriesen, die einen wichtigen Baustein der Energieversorgung bilden soll. Auch fördere der Freistaat mit SAXFUSION ein eigenes sächsisches Kompetenznetzwerk zur Kernfusion.

Doch der BUND Sachsen kritisiert: Diese Versprechen verschweigen zentrale Risiken und Grenzen der Kernfusion.

Eine Technologie voller Risiken

In der gemeinsamen Pressemitteilung zur Gründung der Allianz heißt es, die Kernfusion solle langfristig fester Bestandteil eines sicheren, klimafreundlichen und bezahlbaren Energiemixes werden. Doch fällt auch beim Fusionsreaktor radioaktives Material ab, so der BUND. Im Vergleich zu den Abfällen aus der heutigen Atomkraft klingt die Strahlung zwar schneller ab, doch weisen die entstehenden radioaktiven Materialien anfangs eine hundertmal höhere Radiotoxizität aus.

„Für den Klimaschutz in Sachsen und Deutschland zählt das nächste Jahrzehnt“, geht Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, auf das eigentliche Problem ein. „Selbst optimistische Szenarien gehen davon aus, dass Kernfusion frühestens in 20 bis 30 Jahren einen Beitrag leisten könnte.

Sie kann den dringend nötigen Ausbau von Wind-, Solar- und Speichertechnologien nicht ersetzen – im Gegenteil: Sie lenkt öffentliche Gelder und Aufmerksamkeit von den echten Lösungen ab. Sachsen investiert mit Millionenbeträgen in eine Technologie, die weit in der Zukunft liegt, während beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz noch immer Rückstand besteht.“

Eine Technologie, die keiner braucht

Um die in einem Fusionsreaktor entstehende Radioaktivität zu begrenzen, sind zudem hochreine Stahlsorten erforderlich. Solche Materialien existieren bislang nicht und ihre Erforschung und Entwicklung dürfte äußerst kostenintensiv sein. Dass Kernfusion also schnell günstigen Strom liefern wird, ist nicht zu erwarten.

Studien gehen von mehr als 20 Cent pro Kilowattstunde für Strom aus Fusionsenergie aus, während Wind- und Solarstrom heute schon zu 5 bis 10 Cent pro Kilowattstunde erzeugt werden. Zudem müsste man wie bei Atomreaktoren etwa zwei Drittel der Energie als Abwärme wegkühlen, es gehen also große Mengen an Energie verloren.

Kernfusion kann zudem keine verlässliche Grundlastversorgung gewährleisten. Denn die Reaktoren laufen nicht ewig. Auch sie müssen nach einigen Jahren für mehrere Monate stillgelegt werden – bei Störfällen ohne Vorwarnung und ohne Ersatz.

Um eine Kernfusion in einem Reaktor herbeizuführen, ist eine entscheidende Komponente Tritium, also radioaktiver Wasserstoff. Dieser Brennstoff soll im Reaktor selbst gewonnen werden. Doch ist nicht klar, ob dies überhaupt so möglich ist. Zudem ist Tritium schwer einzufangen und kann zu einer erheblichen radioaktiven Belastung der Umwelt beitragen. Fachwissenschaftler des Bundestags fordern daher, dass zunächst geklärt werden sollte, ob die Kernfusion ihren Brennstoff überhaupt herstellen kann.

Für eine künftige Energieversorgung und den Klimaschutz wird Kernfusion schlicht nicht gebraucht , stellt der BUND fest, kostengünstige und sichere Alternativen gebe es schon. Der BUND fordert daher den Stopp der Förderung der Kernfusion. Neben dem Büro für Technikfolgen des Bundestags haben auch die Akademien der Wissenschaft und der VDE auf erhebliche Probleme der Kernfusion hingewiesen.

Die Politiker der Bundesregierung und von sechs Bundesländern ignorieren diese Argumente und fahren in einem Blindflug in die Sackgasse der Kernfusion mit Verschwendung öffentlicher Gelder.

Der BUND Hessen informiert auf seiner Themenseite ausführlich zur Kernfusion.

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Wenn man die Kernkompetenz des weltweit ersten atomaren Zwischenfalls der Geschichte in seinen Geschichtsbüchern trägt, darf man bei einem “historischen Tag für die Energieforschung in Deutschland” nicht fehlen. Blöd nur dass man schon vor Jahren die Forschung komplett nach nach Frankreich ausgegliedert hat. Die “Koalition der Willigen” ist halt nicht auf dem Laufenden. Der Arc-Reaktor läuft seit Jahren völlig problemlos, einsatzerprobt und bietet schon jetzt „eine saubere und allzeit verfügbare Energiequelle“. Power off.

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