Wenn die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) zum Pressegespräch am 31. Januar mit dem Sächsischen Wirtschaftsminister Dirk Panter, dem Aufsichtsratsmitglied und Bundestagsabgeordneten Holger Mann und dem Direktor der SPRIND Rafael Laguna de la Vera, einlädt, kann man alles erwarten, nur kein langweiliges Gespräch. Genau so kam es auch, es ging um viele Themen, die mit dem fünfjährigen Jubiläum der SPRIND, dem einjährigen des SPRIND-Freiheitsgesetzes und der wissenschaftlichen Evaluation der Arbeit der SPRIND zusammenhängen.
Der Wirtschaftsminister war da, um sich über die Arbeit der SPRIND, die schließlich ihren Hauptsitz in Leipzig hat, zu informieren. Holger Mann konnte nur sporadisch per Video dabei sein, als Bundestagsabgeordneter genoss die Anwesenheit bei der Parlamentssitzung selbstverständlich Priorität.
Das Gespräch dauerte fast zwei Stunden, es wurde eine Vielzahl von Themen diskutiert. Wir werden in Folge einige bereits von uns behandelte Themen, aus Gründen der gebotenen Kürze des Artikels, verlinken und uns auf die neuen Themen und Zahlen konzentrieren.
Zu Anfang sprach Rafael Laguna über die Gründung der SPRIND und die Gründe warum es überhaupt dazu kam, darüber redeten wir mit ihm bereits im Januar 2023 ausführlich. Konzentrieren wir uns auf den aktuellen Stand und kommen auf den vorgelegten Tätigkeitsbericht, bzw. Jahresleistungsbericht 2023/24.
Projekt-Einreichungen und Challenges
Seit der Gründung der SPRIND wurden 2.111 Projekte eingereicht und geprüft, 163 davon wurden von SPRIND finanziert und davon waren 21 Großprojekte mit Finanzierungssummen zwischen 3 und 90 Millionen Euro.
Die Projekte kamen hauptsächlich aus den Bereichen Energietechnik, Bauwesen und Infrastruktur, Hardware und Elektronik, Informationstechnologie, Biotechnologie und Medizintechnik, Fertigungsindustrie und Werkstofftechnik sowie Umwelt und Agrartechnik.
Nicht nur für den Minister ist interessant: Die Projekte kommen aus ganz Europa, der überwiegende Anteil aus Deutschland und Sachsen ist das fünftstärkste Einreicherland in Deutschland. Nach Aussage der SPRIND gilt für alle geförderten Projekte: „Zentral ist, dass diese Dienstleistungen, Produkte oder Systeme unser Leben nachhaltig besser machen.“
Soviel zu den Einreichungen. Diese können von jedem Menschen, der eine „revolutionäre“ Idee zur Lösung eines Problems hat, eingesendet werden. Es gibt noch einen zweiten Teil, die Challenges. Rafael Laguna sagte dazu: „Was wir aber auch machen, wann immer wir auf Grundlagenprobleme stoßen, wenn wir feststellen, es gibt einfach ein Systemproblem, etwas zu tun für Innovation, dann gehen wir das auch an.“
Den Ablauf einer Challenge, von der Aufgabenstellung bis zum Finale, schilderte uns Rafael Laguna im Interview und wir berichteten auch über die Auswahl der Teams für den Endausscheid der Challenge „Carbon-to-Value“.
Betriebswirtschaft für Gründer
Egal ob Einreichung oder Challenges, es geht um Finanzierung der Arbeit, aber es gibt zumindest einen weiteren wichtigen Punkt. Soll aus einer Idee ein Produkt, bzw. ein Unternehmen werden, dann reicht Geld nicht aus. Unter anderem ist betriebswirtschaftliches Wissen gefragt. Dazu sagte Rafael Laguna, als es um Ideen und Gründungen ging: „Die Gründe sind natürlich auch vielschichtig. Zum Beispiel, dass wir Entrepreneurship außerhalb der Business Schools nicht lehren. Wir treffen ja immer auf Wissenschaftsteams, die sind wissenschaftlich super, aber komplett blank in allem Wirtschaftlichen.
Du triffst dann auf 30-, 35-, 40-jährige Menschen, die hochintelligent, hochkompetent auf ihrem Gebiet sind, aber keine Ahnung haben, wie eine Firma geht. Deswegen haben wir unsere Akademie ‚Talentwerk.‘ Wir bilden diese Leute aus, wir haben eine richtige, so eine Art interne Uni. Das ist ein bisschen ein sehr großes Wort, aber wir trainieren die Leute, damit sie lernen, was ein Cap Table ist, was eine Venturefinanzierung ist, was eine Bilanz ist und so, damit sie die Grundlagen haben.“

Privates Kapital für Start-ups
Um die Finanzierung der Start-ups durch privates Kapital zu fördern, hat die SPRIND ein weiteres Instrument aufgelegt, die „Venture SPRIND“. Was das ist, haben wir 2023 so zusammengefasst: „Es ist eine Art Speed-Dating. In sechs thematischen Sessions ‚pitchen‘ die startups, das heißt die Unternehmen stellen sich und ihr Unternehmen in jeweils fünf Minuten vor. In einer weiteren Session ‚Reverse Pitch‘ stellen sich die Investoren (Kapitalfonds) vor und es finden mehrere Runden Speed-Dating zwischen Start-ups und Investoren statt.“
Beim ersten „Venture SPRIND“ waren 50 Venture Capital Firmen und 25 Start-ups am Start, im April 2024 waren es 200 Investoren und 61 Teams. Rafael Laguna rechnet für April 2024 mit 200 bis 300 Venturefirmen. Auch dieses Instrument scheint also erfolgreich zu sein.
Der Evaluationsbericht
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beauftragte das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und die Technopolis Deutschland GmbH mit einer Evaluation der SPRIND. Ziel der Evaluation war es, den Förderansatz der SPRIND, ihre Ablaufeffizienz, ihre Governance sowie die Wirksamkeit ihrer bisherigen Instrumente zur Förderung und Finanzierung von Sprunginnovationen zu bewerten.
Zum Ergebnis sagte Rafael Laguna: „Wir sind gerade mit der Evaluation fertig geworden, die sehr, sehr, sehr positiv ausgefallen ist heute Abend. Die hätte, glaube ich, besser nicht sein können.“
Die Zusammenfassung des Berichts ist online verfügbar.
Projekte der SPRIND
Das wohl bekannteste, von der SPRIND geförderte, Projekt ist wohl das Höhenwindrad nach einer Idee vom Leipziger Ingenieur Horst Bendix (1930–2023). Darüber wurde schon viel geschrieben und es ist auch schon im Bau. Es wurde aber auch über andere, ebenso wichtige Projekte gesprochen. Eines der interessantesten ist wohl Rulemapping und Rule Based AI der Rulemapping Group. Dabei geht es um die Digitalisierung von Gesetzen und mehr, wie Rafael Laguna ausführte:
„Wir haben jetzt viele geschriebene Gesetze, die kann eine KI lesen und in eine sogenannte ‚Rule Map‘ übersetzen. Das heißt: Digitalisierung der bestehenden nicht digitalisierten Gesetze. Dann werden auch die ganzen unlogischen Schritte deutlich. Dann hast du es da drin und dann siehst du, was deine Gesetze sind.
Nächstes Thema: Gesetzesnovellen haben wir ständig, das ist ja eine ständige Prozedur mit sehr viel manueller Arbeit. GitHub heißt da so eine Technologie, da können Sie sagen: Was sind denn die Änderungen zwischen der Version und der Version. Und hier können Sie wieder eine KI verwenden, um daraus einen Text zu machen. Und jetzt kommt der eigentliche Clou.
Jetzt haben Sie das in dieser Rule Map drin. Jetzt drücken Sie den Knopf und das Zeug generiert die Software, die der Antragstellende auf der einen Seite benutzt und der Antragbearbeitende oder Freigebende auf der anderen Seite. Das gilt dann auch, wenn eine Gesetzesänderung kommt, diese Änderung in der Rule Map. Ein Knöpfchen und die Software hat die Veränderung.“
Das wäre doch auch Bürokratieabbau.
Beim Kampf gegen Alzheimer ist die PRInnovation GmbH mit ihrem Wirkstoff in der klinischen Phase zwei. Weitere Projekte, wie CO₂-freier Beton, Laser für die Kernfusion, Transmutation von Atommüll und andere wurden angesprochen.
Selbstverständlich beteiligten sich Wirtschaftsminister Panter und Holger Mann rege am Gespräch. Der Minister zeigte sich bei vielen Themen interessiert und will zu einem späteren Zeitpunkt, ohne Presse, darauf zurückkommen.
Wir fragten zum Schluss: „Herr Minister, es war Ihr erster Besuch bei der SPRIND, was nehmen Sie mit?“
„Was habe ich mitgenommen? Ganz viele spannende Projekte und die Festigung meiner Überzeugung, dass es unglaublich gut ist, dass wir diese SPRIND hier in Leipzig haben. Und dass wir da noch mehr miteinander machen können. Hätte ich so in der Art gar nicht gedacht. Ich habe schon auch mitgenommen aus dem Haus, dass die gesagt haben: Schau mal, ob wir nicht irgendwie vielleicht auch kooperieren können.
Muss nicht alles eine Sprunginnovation sein, was uns helfen kann in diesem Land. Aber ich glaube, ich habe noch ein bisschen mehr mitgenommen. Also, das ist eine tolle Geschichte. Kann ich nur zu gratulieren. Und da würden wir gerne auch davon ein bisschen profitieren, wenn das geht, von der Erfahrung. Und sonst bin ich immer unterwegs und sage, wenn ich helfen kann, soll man sagen. Ich glaube, hier würden wir gerne mal Hilfe annehmen.“
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Keine Kommentare bisher