Zentral in Leipzig, versteckt im Gewerbegebiet Lagerhofstraße, liegt das Objekt der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND). Man muss schon ein bisschen suchen. Am 19.01.2023 war ich dort mit Rafael Laguna de la Vera, dem Direktor der SPRIND, zu einem Gespräch verabredet. Herr Laguna ist Jahrgang 1964, in Leipzig geboren und 2019 mit der Berufung zum Gründungsdirektor von SprinD wieder in der Messestadt angekommen.

Die Entwicklung der von SPRIND vorangetriebenen Projekte ist rasant, für Außenstehende kaum zeitnah zu verfolgen, so hat mich drei Tage vor unserem Gespräch der Podcast zum dreijährigen Bestehen der SprinD überrascht, der einige Fragen beantwortete und viele neue Fragen aufwarf.

Teil 1: Science Fiction, Technikoptimismus, Sprunginnovation, Höhenwindrad

Herr Laguna, Menschen die sich mit Innovationen und Zukunftstechnologien beschäftigen, wurden oft schon in der Jugend mit Science Fiction angefixt. In Ihrem Buch zitieren Sie ja auch aus den „Drei Sonnen“ von Cixin Liu, wer hat Sie beeinflusst? Bei mir waren es Isaac Asimov und Stanislav Lem.

In meiner DDR-Zeit, ich war ja hier bis ich 10 war, bin ich noch nicht so damit in Berührung gekommen. Ich habe danach auch die beiden gelesen, es war wahrscheinlich die Foundation-Triologie, die mich am meisten beeinflusst hat. Später kam dann Arthur C. Clarke dazu, Rendezvous mit Rama, aber auch die lustigen von Douglas Adams.

Star Wars?

Nein, Star Wars fand ich blöd. Als Film ist das ok, aber ich mag lieber hard science. The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, das ist etwas nicht so ernst zu Nehmendes, aber lustig. Cixin war natürlich auch durchaus bemerkenswert, wenn auch viel zu pessimistisch für meinen Geschmack.

Es ist eine Dystopie.

Ja, aber so eine finale, das ganze Universum betreffend.

Sie haben, mit Thomas Ramge, ein Buch geschrieben. Der Titel: „Sprunginnovation – wie wir mit Wissenschaft und Technik die Welt wieder in Balance bekommen.“ Große Worte, aber hat ein bisschen den Touch: Macht alle weiter wie bisher, wir bringen das nachher schon wieder in Ordnung.

Jein. Also erstmal insofern ja, weil wir es als Menschheit bisher immer geschafft haben, unsere Probleme zu lösen. Dass Weltuntergangspropheten noch immer im Geschäft sind, muss einen eigentlich wundern. Bisher haben die nie Recht behalten. Die Welt ist nicht untergegangen. Unser Leben wird immer besser. Stell Dir Dich einmal selber im Zahnarztstuhl vor. Wir haben jetzt 2023. Stell Dir vor: Es ist 1923, 1823, 1723. Dann weißt Du ungefähr, warum ich das sage, dass unser Leben besser beständig geworden ist.

Das heißt aber nicht, dass wir einen Freibrief haben, zu machen, was wir wollen. Denn nicht alle Probleme sind lösbar – man kann es auch übertreiben. Aber man kann Dinge, die jetzt schlecht laufen, ersetzen durch bessere Dinge, sodass es gar nicht so weit kommt.

Aber wir werden die Erderwärmung nicht rückgängig machen können.

Vielleicht sogar das, aber wir sollten nicht darauf pokern. Vor allem ginge das nicht so schnell und wir sollten aufhören, das überhaupt zu machen.

Thomas Ramge bezeichnet Sie als Technikenthusiasten und wenn ich von fliegenden Autos in Städten und Atomkraft lese, dann erinnert mich das an unseren Enthusiasmus in den 1960ern. Was für eine Art Enthusiast sind Sie?

Natürlich, die fliegenden Autos und die Donut-förmigen Space Stations, das kommt aus der Zeit. Das symbolisiert das ja auch heute noch bei den Jüngeren. Ich bin ein Technikoptimist, ich bin auch ein technikbegeisterter Mensch. Zum einen sind neue Technologien voller Überraschungen. Zum anderen ist Wissen ansammeln eins meiner größten Hobbys und auch das der Menschheit. Wir sind als Menschen auch Entdecker und Abenteurer.

Wir haben das vielleicht ein bisschen verloren, seit wir die Erde einmal entdeckt hatten. Aber es gibt noch genug zu entdecken, in den Ozeanen zum Beispiel, aber auch im Weltraum. Deswegen bin ich auch Science-Fiction-Enthusiast. Da kann man das mal ein bisschen spielen. Wie gesagt, das ist es auch etwas, das uns Menschen von Tieren unterscheidet, dass wir solche Sachen machen können. Erkenntnis sammeln, unser Leben besser machen. Letztlich geht es darum, das zu tun. Das ist, glaube ich, der Sinn des Lebens.

Sprunginnovation, das ist ja das, was Sie machen. Unser aller Verkehrsminister Wissing hat sich letztens gefreut, als ein Journalist im Spiegel das 9€-Ticket als Sprunginnovation bezeichnet hat. Der Begriff erschließt sich ja nicht automatisch.

Ich verstehe es so, dass ich Erfindungen, Innovationen und Sprunginnovationen trenne? Otto und Diesel erfanden Motoren, Carl Benz baute das erste Auto, als Innovation und Henry Ford machte es mit dem „Model T“ und der Fließbandproduktion massentauglich. Otto und Diesel waren Erfinder, Benz war Innovator, Sprunginnovator war Ford.

Ja, man muss es in die Welt bringen und das hat er gemacht. Sein Ziel, dass sich jeder seiner Arbeiter auch ein Auto leisten konnte, war ja auch eine soziale Innovation. Das geht übrigens häufig Hand in Hand, dass eine technologische Innovation, in dem Falle die Massenfertigung, auch eine soziale Innovation auslöst.

Nun stand Ford ja auf den Schultern von Giganten, ohne die Vorgenannten hätte er nicht erfolgreich sein können. Deswegen sind die zumindest Teil dieser Sprunginnovation und haben damit auch einen Orden verdient. Das Smartphone ist ein gutes Beispiel. Nehmen wir das iPhone. Damit ist erstmals eine Kombination von Technologien gelungen, die es zu diesem Zeitpunkt schon gab. In einem Paket, was es so bisher nicht gab. Das hat unser aller Leben verändert. Das ist eine Sprunginnovation.

Gerade für mich als Leipziger wichtig, das Höhenwindrad von Horst Bendix ging ja schon zig-mal durch die Medien. Ich habe gelesen, dass zwei Prototypen und eine Höhenwind-Messanlage gebaut werden. Gibt es da noch Unwägbarkeiten? Als Ingenieur sehe ich da immer noch eine Herausforderung mit den Leistungsverlusten bei der Übertragung vom Rotor zum Generator über 300 Meter. Ist das schon ausgeräumt?

Wir haben das Intellectual Property an der Konstruktion des Höhenwindrades von Horst Bendix übernommen und dann den Aufbau mit eigenen Ingenieuren überarbeitet. Wir haben geschaut, wie schnell wir das bauen können – Sprunginnovation muss in die Welt kommen, sonst ist es keine Sprunginnovation – und haben festgestellt, dass es wahrscheinlich noch Jahre dauert, um eine richtig gute Lösung zu entwickeln, um die mechanische Energie zum Fuß des Windrades zu übertragen, wo sie im Generator in elektrische Energie umgewandelt wird.

Deshalb haben wir gesagt, wir machen im Schritt 1 erst mal was anderes. Wir nehmen einen ganz normalen Generator und stellen den nach oben, weil wir festgestellt haben, dass wir oben die doppelte, wenn nicht dreifache Gesamtleistung im Vergleich zu einem normalen Windrad erreichen können. Das betrifft die insgesamt geernteten Megawattstunden, nicht die Megawatt in der Spitze. Erstere sind aber für die Effizienz eines Windrades entscheidend.

Wir brauchen also keine Konstruktionsrisiken bei der Energieübertragung eingehen, wenn wir das Ding mit einer Nabenhöhe von 300 Meter hinstellen. Zudem sehen die Konstruktionen von Prof. Bendix einen größeren Propeller vor, um die höhere Leistung zu erzeugen. Dazu brauchten wir dann Wasserwege, um den Propeller hinzubringen, weil der sich nicht über die Straße transportieren ließe. Denn nach heutigem Stand gibt es keine Propeller in der Größe, die vor Ort montiert werden können.

Wir wollen neue Propeller bauen, die das leisten. Wir wollen auch die Übertragung der mechanischen Energie nach unten weiter verfolgen. Aber wir haben gesagt: „Diese beiden Parameter verzögern das zu stark.“ Deshalb haben dann die Ausschreibung gemacht und gesagt: „Hier ist unser Konstruktionsvorschlag. Aber ihr, die an der Ausschreibung teilnehmt, dürft das gern weiterentwickeln. Ihr müsst nicht genau das bauen, was wir beschrieben haben.“

Wir haben 6 oder 7 Einreichungen bekommen. Bei allen wurde die Konstruktion modifiziert. Wir haben nun zwei Anbieter mit unterschiedlichen Konstruktionen mit dem Bau je eines Höhenwindrades beauftragt. Das eine ist in Teleskopbauweise, da braucht man keinen so hohen Kran. Die andere ist einfach ein hoher Turm, auf den ein normales Windrad gestellt wird. Also eine ganz drastische Vereinfachung der Konstruktion. Die beiden Prototypen können Ende nächsten Jahres stehen.

Sehr schön, ich freue mich darauf. Diese Höhenwindmessanlage, die weltweit höchste, ist also dazu da, zu messen, wie die Windverhältnisse da oben jetzt wirklich sind?

Auch so Dinge wie Vogelflug übrigens, dazu gibt es sehr viele Aussagen, aber keine wissenschaftliche Untersuchung, was Windräder eigentlich tun. Es gibt sehr viele Aussagen – darunter auch sehr polemische.

So wie Vogelschredder.

Das ist natürlich Quatsch. Aber man muss untersuchen, was da oben wirklich fliegt. Das ist wichtig, aber vordringlich wollen wir natürlich den Wind messen, mit der welthöchsten Windmessanlage.

Im Zusammenhang mit dem Höhenwindrad schreiben Sie in Ihrem Buch „Stellt euch vor, man könnte Strom so billig erzeugen, dass es sich nicht lohnt ihn abzurechnen“ und von einer Flatrate für Energie. Halten Sie das für realistisch, wenn die großen Energiekonzerne diese Anlagen bauen und betreiben?

Erstmal, es ist realistisch. Wir sind umgeben – wir schwimmen in einem Meer von Energie. Ich denke, wir sind technologisch auf einem Niveau, wo wir vieles von diesem Meer abschöpfen können. Die klassischen Methoden, dazu zähle ich Solar- und Windenergie, die können wir optimieren und auch sprunghaft innovieren, wie wir das jetzt tun.

Wir haben aber auch noch ganz andere vor uns, über Kernfusion wird jetzt viel gelächelt, weil die nicht fertig wird. Aber es gibt da ein paar Technologiesprünge, die passiert sind bei den Lasern und supraleitenden Magneten, vielleicht passiert da jetzt so ein Sprung. Ich will nicht ausschließen, dass wir in 10 bis 15 Jahren ein Fusionsenergiekraftwerk haben.

Die Fortsetzung des Gesprächs folgt.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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