Eigentlich sollte es am Mittwoch, 19. Juni, zur Bilanzkonferenz der Leipziger Gruppe nicht unbedingt um den konkreten Termin des Kohleausstiegs für Leipzig gehen. Darüber diskutiert der Aufsichtsrat der Leipziger Stadtwerke ja erst am heutigen 20. Juni. Am Mittwoch sollte endlich öffentlich Bilanz gezogen werden für das vergangene Jahr. Immerhin sind die Zeiten noch nicht lange her, da war die Stadtholding LVV ein Zuschussgeschäft.

Mittlerweile hat die Stadtholding zehn Jahre Umbau hinter sich, einen Wasserwerke-Skandal und einen aufsehenerregenden Prozess in London, den die Wasserwerke gewannen.

Gleichzeitig wurde der Zuschuss an die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) deutlich gekürzt. Fast sah es so aus, als könne der umgebaute Stadtkonzern fortan ungestört von Einmischungen aus dem Stadtrat agieren. Aber dieser begriff 2018 auch, dass Entwicklungen in der Daseinvorsorge auch politische Entwicklungen sind. Und es ist der Stadtrat, der Ziele vorgeben muss, die ein Stadtkonzern auch umsetzen muss. Dazu gehörte 2018 der Beschluss, für zwei Jahre die Fahrpreise bei den LVB einzufrieren. Und es gehört der Prüfauftrag dazu, zu untersuchen, wann Leipzig aus der Fernwärmelieferung aus dem Kraftwerk Lippendorf aussteigen kann.

XL-Straßenbahn am Goerdelerring. Foto: Ralf Julke
XL-Straßenbahn am Goerdelerring. Foto: Ralf Julke

Der Beschluss zum Tarifmoratorium kam überhaupt nicht unzeitgemäß, denn 2018 erreichten die LVB eine neue Höchstmarke bei den Abo-Kunden: 110.000 Menschen fahren mittlerweile mit einem Abo in Bus und Straßenbahn. Das sorgte auch dafür, dass die Erlöse aus den Linienentgelten weiter stiegen, von 95 auf 98 Millionen Euro. Geplant waren 100 Millionen, aber die Zahl wurde verfehlt, weil man die Fahrgastzahlen nicht wie geplant steigern konnte.

Erstmals machte sich im LVB-System bemerkbar, dass ein eingeschränktes Angebot (Stichwort: Ferienfahrplan), zunehmende Fahrplanuntreue und der spürbare Mangel am Fahrern eben auch Folgen haben: Neukunden fühlen sich weniger geneigt, die Tram zu benutzen, fahren lieber mit dem Rad. Und das Mobilitätskonzept, das einen verstärkten Ausbau des Angebots bringen soll, beginnt gerade erst in der Umsetzung.

Was auch an Investitionszahlen deutlich wird: In guten Jahren haben die LVB 60 Millionen Euro investiert, in nicht so guten eher 40 Millionen. Die Summe soll auf 70 bis 80 Millionen Euro steigen.

Aber wie verträgt sich das mit gedeckelten Fahrpreisen? Oder gar mit dem 2019 beschlossenen Prüfauftrag des Stadtrats, in Leipzig ein 365-Euro-Ticket einzuführen?

Übrigens keine Leipziger Sondererscheinungen: Dutzende deutsche Großstädte wollen den ÖPNV nicht nur ausbauen, um endlich die Verkehrswende zu schaffen, sie wollen auch die Benutzung deutlich preiswerter machen – mit einem 365-Euro-Jahresticket oder gleich ganz kostenfrei.

Schon für 2019 bedeutet das übrigens für die LVB, dass der Zuschuss über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag steigen muss. 2018 war er schon leicht gestiegen auf 46,4 Millionen Euro. In den nächsten Jahren wird er auf 54 und 55 Millionen Euro steigen.

„Und unsere Sorge muss es sein, dass wir ihn auch so erwirtschaften“, sagt Volkmar Müller, Kaufmännischer Geschäftsführer der Leipziger Gruppe. Er konnte am Mittwoch ein erfolgreiches Jahr bilanzieren.

Stadtwerke 59,3 Millionen, Wasserwerke 46,2 Millionen, LVV 41 Millionen

Im zurückliegenden Geschäftsjahr hat die Leipziger Gruppe mit 200,4 Millionen Euro ihre Investitionen in die gewachsene Stadt Leipzig nochmals erhöht (2017: 178 Millionen Euro). Der Konzernumsatz stieg binnen Jahresfrist von 2.389,6 Millionen Euro auf 2.803,7 Millionen Euro. Im Umsatz stecken vor allem Handelsergebnisse der Stadtwerke mit Strom und Gas.

Das bedeutet nicht, dass die Gruppe am Ende auch Überschüsse erwirtschaftet. Die erarbeitet man sich im Tagesgeschäft.

„Unsere Unternehmen haben erneut gut gewirtschaftet“, bilanzierte Volkmar Müller. „Die Verkehrsbetriebe haben kontinuierlich ihre Stammkundenzahl erhöht, sodass Ende des 1. Quartals 2019 der Rekord von mehr als 110.000 Abo-Kunden verbucht werden konnte“, so Müller. Die Umsätze hätten sich erneut erhöht – von 135 Millionen Euro binnen Jahresfrist auf 141 Millionen Euro.

„Und die Wasserwerke haben nicht nur die Zahl der versorgten Einwohner um 6.000 auf 694.400 gesteigert, sondern einmal mehr ihre Ergebnisabführung an die Gruppe.“ Durch Sondereffekte (ertragswirksame Vereinnahmung von 13 Millionen Euro aus einer Prozesskostenrückerstattung von UBS aus CDO-Prozessen) erhöhte sich das Ergebnis von 30,1 Millionen Euro (2017) auf 46,2 Millionen Euro.

Spatenstich für den Laborneubau auf der Wasserversorgungsanlage Probstheida: v.l. Heiko Schulze (Leiter des Betriebslabors der Leipziger Wasserwerke), Dr. Ulrich Meyer (Technischer Geschäftsführer) und Heiko Rosenthal (Bürgermeister für Umwelt, Ordnung, Sport der Stadt Leipzig und Aufsichtsratsvorsitzer) besiegeln mit einer Schaufel Sand den symbolischen Baubeginn. Foto: Leipziger Gruppe
Spatenstich für den Laborneubau auf der Wasserversorgungsanlage Probstheida: v.l. Heiko Schulze (Leiter des Betriebslabors der Leipziger Wasserwerke), Dr. Ulrich Meyer (Technischer Geschäftsführer) und Heiko Rosenthal (Bürgermeister für Umwelt, Ordnung, Sport der Stadt Leipzig und Aufsichtsratsvorsitzer) besiegeln mit einer Schaufel Sand den symbolischen Baubeginn. Foto: Leipziger Gruppe

Die Wasserwerke haben sich zu einem stabilen Ergebnisbringer entwickelt. 2016 lag das Ergebnis noch bei 24 Millionen Euro. Auch das schon erstaunlich nach der ganzen Rumpeltour um die CDO-Geschäfte und den Prozess in London. Aber nicht nur der Gesamtwasserabsatz in Leipzig steigt (und stieg 2018 wegen Dürre und Hitze besonders), auch der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser steigt – von einst unter 90 Liter pro Tag und Einwohner auf mittlerweile fast 95 Liter. Im Bundesvergleich ist das immer noch um 25 Liter niedriger. Aber die Steigerung sorgt für wachsende Umsätze und Gewinne.

Die Stadtwerke haben ein selbst aus Unternehmenssicht gutes Ergebnis abgeliefert. Sie bewegen sich in einem hart umkämpften Markt und die Geschäftsführung wagte kaum, dasselbe Ergebnis wie 2017 anzuvisieren: 54 Millionen Euro.

Am Ende wurden es 59 Millionen Euro. Die Querfinanzierung der LVB war gesichert und auch das Plus für die Konzernmutter LVV, die am Ende ein Plus von 41 Millionen Euro bilanzieren konnte. Wovon Leipzig übrigens auch profitiert: 10 Millionen Euro davon fließen als Steuern ab.

Das Gaskraftwerk der Stadtwerke in der Eutritzscher Straße. Foto: Ralf Julke
Das Gaskraftwerk der Stadtwerke in der Eutritzscher Straße. Foto: Ralf Julke

Je besser die Eigenmittelausstattung der LVV ist, umso sicherer sind die geplanten Investitionen – immerhin insgesamt 1,6 Milliarden Euro bis 2023. Da ist die Anfinanzierung für das neue Gastkraftwerk mit enthalten.

„Unsere Investitionsoffensive kommt den Menschen in und um Leipzig zugute“, erklärt Michael M. Theis, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Gruppe. „Vor dem Hintergrund schwieriger Märkte und schwieriger bundesweiter Rahmenbedingungen stellen wir so vor Ort Versorgungssicherheit und Zukunftsfähigkeit in Sachen Energie, Mobilität und Wasser her. Darin sehen wir unsere Verantwortung. Wir stemmen dieses Programm, um Leipzig zunehmend nachhaltig, ökologisch und digital zu machen und die Energie- und Mobilitätswende vor Ort umzusetzen.“

Immerhin 200 Millionen Euro wurden in allen drei Tochterunternehmen 2018 investiert. Die Stadtwerke wollen bis 2023 insgesamt 676 Millionen Euro investieren (das meiste in das neue Wärmekonzept), die LVB wollen 509 Millionen Euro stemmen und die Wasserwerke 411 Millionen.

„Bis 2030 wird die Leipziger Gruppe mehr als vier Milliarden Euro investieren. Merken werden das die Bürgerinnen und Bürger vor allem bei Bussen und Bahnen“, sagte Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und Aufsichtsratsvorsitzender der LVV, im Rahmen der Bilanzkonferenz am Mittwoch. „Wir wollen das Netz ausbauen, neue Fahrzeuge anschaffen und damit unseren Teil für eine saubere und für die Menschen bezahlbare Mobilität beitragen. Wir müssen auch über neue Mobilitätsformen nachdenken – eine in das Netz eingetaktete Seilbahn sollten wir mindestens ernsthaft untersuchen.“

Wobei er die Seilbahn auch als Hingucker und touristische Attraktion beschreibt. Aber auch als ökologische Alternative – denn sie ist wesentlich preiswerter als ein neuer Tunnel und muss keine wertvollen Naturräume zerstören.

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Es gibt 2 Kommentare

Übrigens: Genug Geld, woher kommt es? Von den Wasserwerken. Aha, alle, auch die ärmsten, zahlen für’s Wasser. Da kann man echt gut Gewinne abschöpfen und verteilen. Fragt sich nur, wohin?

Eine Seilbahn? Ernsthaft Untersuchen? Und woran hängen wir die Seile auf? Alle 75m ein Siemens-Lufthaken? Und Stationen braucht die auch nicht, jedenfalls keine, die Platz beanspruchen, die Leute springen unterwegs einfach auf oder ab? Und viele Leute werden auch nicht auf einmal bewegt, sonst bräuchte man ja Rettungswege und Bauwerke dafür. Wird sicher total preiswert und bringt eine echte Entlastung für den ÖPNV im Zentrum. Klar, schmeißt Geld zum Fenster raus, ihr habt ja genug davon.

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