Schon im Herbst 2018 schockierten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), als sie auf der Linie 10 den Ferienfahrplan einfach verlƤngerten. Das bedeutete den Ausfall jeder zweiten Bahn auf dieser Linie. Ursache war der gravierende Fahrermangel bei den LVB. Als dann im Februar weitere solcher verlƤngerten FerienfahrplƤne vermeldet wurden, wandte sich Sebastian Stoppe mit einer Einwohneranfrage direkt an die Stadtverwaltung. Denn wer ist eigentlich verantwortlich, wenn Fahrplanleistungen einfach nicht erbracht werden?

Eigentlich, so sahen es ja auch viele andere Leser, ist letztlich die Stadt verantwortlich. Sie beauftragt den Nahverkehrsbetrieb mit einem Mindest-Leistungsumfang. Die LVB haben sich verpflichtet, ihn zu erbringen. Also mĆ¼sste ja die Stadt auch dafĆ¼r sorgen, dass solche Fehlstellen im tƤglichen Betrieb abgestellt werden. Aber irgendwie ist dem nicht so.

Und so fragte Sebastian Stoppe: ā€žWelche konkreten MaƟnahmen unternimmt die Stadt Leipzig in ihrer Eigenschaft als AufgabentrƤger, damit der Leistungserbringer die Anforderungen des Nahverkehrsplans auch entsprechend umsetzt und welche Sanktionen sind gegenĆ¼ber dem Leistungserbringer im Falle der Nichterbringung durchfĆ¼hrbar?ā€œ

Worauf das Baudezernat dann doch etwas unbekĆ¼mmert antwortete: ā€žZunƤchst sei darauf hingewiesen, dass weitgehende AngebotsverƤnderungen ā€“ wie die in der Anfrage dargestellten ā€“ jeweils von der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH im Vorfeld ihrer Umsetzung mit der Stadt Leipzig als AufgabentrƤgerin abgestimmt werden. Die Stadt Leipzig wurde im Fall der VerlƤngerung des Ferienfahrplans mit einem Schreiben vorab informiert.

Die AngebotsverƤnderungen resultieren im konkreten Fall insbesondere aus der angespannten Personalsituation im Fahrdienst. Die in 2018 und 2019 durch die LVB bereits deutlich verstƤrkten Rekrutierungs- und AusbildungsmaƟnahmen kƶnnen aufgrund der intensiven Einarbeitung jedoch nur schrittweise und nicht sofort vollstƤndig entlastend wirken.

Hinsichtlich der Rolle der Stadt als AufgabentrƤgerin fĆ¼r den ƶffentlichen Personennahverkehr in Leipzig stellt die Betrauung der LVB durch die Stadt die Grundlage fĆ¼r die DurchfĆ¼hrung der Verkehrsleistung dar. Die LVB ist berechtigt, in den engen Grenzen der Betrauung und der BeschlĆ¼sse des Stadtrates entsprechende AngebotsverƤnderungen auf einzelnen Linien durchzufĆ¼hren.

Damit wird die LVB in die Lage versetzt, kurzfristig auf Stƶrungen zu reagieren, welche sich z. B. aufgrund des dargestellten Personalmangels ergeben. Diese MaƟnahmen liegen ausdrĆ¼cklich in der unternehmerischen Verantwortung der LVB, sofern damit keine grundlegende Abweichung vom Anforderungsprofil, z. B. des Nahverkehrsplans, verbunden ist.

Die ohne Zustimmung der Stadt zulƤssigen AngebotsverƤnderungen bezogen auf den Basisfahrplan betragen 4 % beim Bus und 2 % bei der StraƟenbahn. Diese Werte werden durch die Angebotsreduzierungen nicht Ć¼berschritten.

Bestandteil der Betrauung ist zudem die ErfĆ¼llung von ergƤnzenden Anforderungen, Ć¼ber deren Umsetzung die LVB der Stadt in einem 2-Jahres-Rhythmus berichten und die MaƟnahmen erlƤutern, welche sie zur ErfĆ¼llung der Anforderungen des Nahverkehrsplans erbracht haben.

Die Finanzierung der Aufwendungen der LVB fĆ¼r die ErfĆ¼llung der in der Betrauung festgelegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen wird Ć¼ber den bestehenden Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag abgedeckt, welcher dafĆ¼r einen Hƶchstbetrag festlegt. Die Zahlungen an die LVB dĆ¼rfen diese Kosten der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht Ć¼berschreiten ā€“ andersherum wĆ¼rde sich eine Reduzierung der Finanzierung daher aber auch nur dann ergeben, wenn von den LVB vorgenommene Angebotsreduzierungen zu einem unter dem Hƶchstbetrag liegenden Ausgleichsbetrag fĆ¼hren.ā€œ

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Dass die KĆ¼rzung des Angebots auf einer stark frequentierten Linie wie der 10 trotzdem Folgen hat, zeigte dann das geradezu minimale Fahrgastwachstum der LVB im Jahr 2018. Das Unternehmen machte zwar vor allem den langen warmen Sommer fĆ¼r die geringe Steigerung von 156.021.000 auf 156.372.000 FahrgƤste verantwortlich (+ 0,2 Prozent). Aber in den Jahren zuvor konnten die LVB immer FahrgastzuwƤchse im Millionenbereich und Ć¼berm Bevƶlkerungswachstum verzeichnen. Aber das Bevƶlkerungswachstum lag 2018 bei 1,04 Prozent. Und die EinschrƤnkungen im Linienbetrieb sorgten fĆ¼r hƶrbaren Unmut bei den FahrgƤsten, die auch immer ƶfter die Erfahrung machen, dass mitten im Berufsverkehr viel zu kleine Bahnen eingesetzt werden.

Logisch, dass Sebastian Stoppe eben trotzdem wissen wollte, was die Stadt zu unternehmen gedenkt. Denn eine EinschrƤnkung im Linienangebot von 2 Prozent verstƤrkt ja nur noch Effekte, unter denen die FahrgƤste schon seit Jahren leiden: unplanmƤƟige AusfƤlle von Bahnen und Bussen und eine ganze Kette von VerspƤtungen, die rund um das Nadelƶhr Innenstadt entstehen.

ā€žWelche MaƟnahmen unternimmt die Stadt Leipzig in ihrer Eigenschaft als mittelbarer Anteilseigner (Ć¼ber die LVV GmbH) an dem Leistungserbringer, damit die geforderten und bestellten Leistungen tatsƤchlich erbracht werden und welche Sanktionen sind gegenĆ¼ber dem Leistungserbringer im Falle der Nichterbringung durchfĆ¼hrbar?ā€œ, wollte Stoppe deshalb wissen.

Die Antwort ist erstaunlich wattig: ā€žAls mittelbarer Gesellschafter ist die Stadt Leipzig berechtigt, jederzeit umfassende Informationen und AuskĆ¼nfte zu verlangen und nicht zuletzt Ć¼ber die Wirtschaftsplanung entscheidenden Einfluss zu nehmen. Der Stadt Leipzig stehen alle gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Einflussmƶglichkeiten auf die Leipziger Verkehrsbetriebe zu.ā€œ

Man kƶnnte es auch eine Nicht-Antwort nennen. Denn die Stadt nennt hier keine einzige MaƟnahme, die sie unternommen hat. Also gab es auch keine. Das klingt nicht wirklich nach Einflussnahme.

Und wie sieht es mit dem Stadtrat aus? Stoppes Frage: ā€žWelche MaƟnahmen unternimmt die Ratsversammlung gegenĆ¼ber der Verwaltung, um die Kontrolle der Einhaltung des Nahverkehrsplans durchzusetzen?ā€œ

Die Antwort ist ganz Ƥhnlich gestrickt, auch wenn hier eigentlich die Ratsfraktionen selbst gefragt wƤren, die ja bekanntlich 2018 erstmals angefangen haben, die Stadtverwaltung beim Thema LVB ernsthaft in die Pflicht zu nehmen, die ZuschĆ¼sse zu erhƶhen und fĆ¼r zwei Jahre ein Fahrpreismoratorium zu akzeptieren.

Die Antwort des Planungsdezernats: ā€žDer Stadtrat wird durch die Verwaltung und die LVB Ć¼ber deren Anstrengungen zur Minimierung der Auswirkungen auf den Fahrplan und die MaƟnahmen zur Verbesserung der Situation informiert. Auch in den AufsichtsrƤten von LVV und LVB nehmen StadtrƤte und Verwaltung ihre Informations- und Kontrollmƶglichkeiten wahr.

AbschlieƟend mƶchte ich noch einmal unterstreichen, dass die Stadt im Sinne der FahrgƤste und unserer MobilitƤtsziele selbstverstƤndlich eine vollstƤndige Leistungserbringung durch die LVB erwartet und befƶrdert ā€“ wir aber auch die ā€“ im Ɯbrigen bundesweite ā€“ Problematik der Personalgewinnung fĆ¼r Nahverkehrsunternehmen sehen und die Anstrengungen der LVB, dieser erfolgreich zu begegnen.ā€œ

Zur Personalproblematik kƶnnte man an dieser Stelle viel schreiben. Denn dieses Thema wurde auch nicht erst 2018 oder 2017 aktuell. TatsƤchlich steht es als Rosa Elefant seit 2010 im Raum. Nur richtig ernst haben es in Sachsen fast alle Behƶrden nicht genommen. Bis 2018. Da wurden dann die Folgen auch fĆ¼r die LVB-FahrgƤste spĆ¼rbar.

Die Probleme der LVB entstanden durch jahrelange Sparauflagen und BremsermentalitƤt

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