Dass es nicht leicht werden würde, die Strom- und Gasnetze in den 1999/2000 eingemeindeten Ortsteilen übernehmen zu können, das war den Leipziger Stadtwerken schon vor acht Jahren klar. Da hatte der Stadtrat deutlich gemacht, dass beide Netze von den Stadtwerken Leipzig bzw. ihrer Tochter Netz Leipzig übernommen werden sollten. 2015 gab der Stadtrat seine Zustimmung, dass die Gasnetze von der MITGAS übernommen werden können. Doch die MITGAS zog vor Gericht und löste damit einen fünfjährigen Marathon aus.

Der Hebel, mit dem die Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH (Mitgas) versuchte, die Übernahme auszuhebeln, war geradezu obskur. Wäre das oberste deutsche Gericht dem gefolgt, hätte keine einzige Kommune mehr die Chance gehabt, solche Übernahmebeschlüsse zu fassen.

Doch: Allein die Mitwirkung von Stadträten, die zugleich im Auftrag der Stadt Leipzig oder als deren Vertreter Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke Leipzig sind, am Stadtratsbeschluss vom 15. April 2015, führt nicht zur Nichtigkeit des zwischen der Stadt Leipzig und den Stadtwerken abgeschlossenen Gaskonzessionsvertrags. So lautet das Fazit des Bundesgerichtshofs im am Donnerstag, 7. Mai, begründeten Urteil (Az.: EnZR 99/18).

Leipzig hatte im Jahr 2015 einen neuen Konzessionsvertrag für Gasnetze mit den Leipziger Stadtwerken geschlossen. Die Altkonzessionärin Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH (Mitgas) weigerte sich aber, die Netze herauszugeben. Sie begründete ihr Vorgehen damit, dass der Konzessionsvertrag nichtig sei, da neun an der Abstimmung beteiligte Stadträte gleichzeitig auch Aufsichtsratsmitglieder bei den stadteigenen Stadtwerken waren. Damit landete der Fall vor Gericht – und ging durch mehrere Instanzen.

In erster Instanz hatte das Landgericht Magdeburg eine unbillige Behinderung der MITGAS im Leipziger Gasnetzstreit verneint. In der Berufungsinstanz nahm das Oberlandesgericht Naumburg aber an, dass die Mitwirkung der Doppelmandatsträger gegen das Neutralitätsgebot verstoße und der Konzessionsvertrag mit den Stadtwerken schon deshalb nichtig sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieses Urteil bereits wegen der Unzulässigkeit der von MITGAS erhobenen Zwischenfeststellungswiderklage aufgehoben. Ferner folgt der BGH dem OLG Naumburg auch in der Sache nicht.

Der BGH nimmt nun zur materiellen Rechtslage Stellung und folgt im Ergebnis im Wesentlichen der ersten Instanz. Die alleinige Teilnahme von Stadtratsmitgliedern, die auch Aufsichtsräte bei den Stadtwerken sind, macht entgegen der Auffassung des OLG Naumburg den Konzessionsvertrag nicht unwirksam. Es bedürfe dazu weiterer unzulässiger Einflussnahme. Diese liegt aus Sicht der Leipziger Stadtwerke nicht vor, da die Stadt ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren durchgeführt habe.

Karsten Rogall, Geschäftsführer Leipziger Stadtwerke, erklärt dazu: „Wir freuen uns über diese deutliche Einschätzung. Nun wird sich das Landgericht Magdeburg wieder mit der Frage beschäftigen. Wir sind positiv gestimmt.“

Damit bestätigt der BGH das von ihm entwickelte Gebot der Neutralität von Vergabestellen in Gemeinden, die sich mit Eigenbetrieben oder Eigengesellschaften am Wettbewerb beteiligen, stellt aber zugleich fest, dass allein aus der Teilnahme von sogenannten Doppelmandatsträgern an dem abschließenden Beschluss des Gemeinderats keine unbillige Behinderung eines unterlegenen Bieters folgt.

Führte allein das Eigeninteresse einer Gemeinde, den Konzessionsvertrag mit den eigenen Stadtwerken abzuschließen, zu einem Verstoß gegen das Neutralitätsverbot, träfe dies auf den gesamten Gemeinderat zu. Die Konzessionierung von kommunalen Unternehmen wäre ausgeschlossen. Das wäre mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nicht vereinbar.

Der bei der Bewerbung einer kommunalen Eigengesellschaft grundsätzlich bestehende Interessenkonflikt wird durch die Mitwirkung eines Gemeinderats mit Doppelmandat bei der Beschlussfassung für sich genommen nicht vertieft. Die Mitwirkung von Doppelmandatsträgern bei der abschließenden Beschlussfassung führt nicht per se zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages.

Vielmehr müsse der unterlegene Bieter im Einzelnen darlegen und beweisen, dass eine Beeinflussung der Entscheidung durch die Mitwirkung möglich war. Bei der einstimmigen Entscheidung des Leipziger Stadtrats zugunsten der Stadtwerke im Jahr 2015 ist das laut BGH nicht ersichtlich.

Denn dann wäre eine Mehrheit auch bei Stimmenthaltung der betroffenen neun Stadtratsmitglieder zustande gekommen.

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