Jetzt bekommt Christian Fürchtegott doch noch eine Geburtstagstorte. Nicht gerade auf dem Uni-Campus oder am Nikolaikirchhof, wo er gewohnt hat, sondern in Gohlis. Mit dem kleinen Dörfchen im Norden der alten Stadt hat er zwar nicht so viel zu tun gehabt. Aber da sind ein paar Leute, die können mit Gellert was anfangen. Und ein Denkmal steht da auch rum, heimlich, im Garten des Schlösschens.

Wer Christian Fürchtegott Gellert erst einmal kennenlernen möchte, weil dieser einst berühmteste Leipziger Dichter nun wirklich nicht mehr im Literaturunterricht dran kommt (nicht mal in der fünften Klasse, wenn die Fabeln dran sind), der kann ab heute ins Schillerhaus pilgern. Das steht in der Menckestraße in Gohlis, war mal Sommerquartier von Friedrich Schiller im O-Freude-Jahr 1785, hat aber mit Gellert nichts zu tun. Der berühmte Poetikprofessor ist schon 1769 geboren. Goethe hat ihn kurz zuvor noch kennengelernt.

“Dichter und Moralphilosoph. Christian Fürchtegott Gellert zum 300. Geburtstag”

Seit heute ist aber trotzdem im Schillerhaus eine kleine feine Ausstellung “Dichter und Moralphilosoph. Christian Fürchtegott Gellert zum 300. Geburtstag” zu sehen. Das Schillerhaus ist eine Außenstelle des Stadtgeschichtlichen Museums. Und weil die Kompetenz für dieses ganze komische Dichterzeitalter 18. Jahrhundert nun mal da draußen in Gohlis beheimatet ist, passt Gellert eben doch irgendwie. Für Kenner dieser wilden Literaturepoche zwischen Aufklärung, Anakreontik, Sturm und Drang und Klassik sowieso. Leute wie Gellert (und Gottsched und Lessing und Klopstock und Herder usw.) waren ja die Taufpaten dessen, was wir heute manchmal etwas verschämt Nationalliteratur nennen.

Sie haben schon für eine deutsche Dichter- und Gelehrtenrepublik geworben, als die deutschen Michels noch ihre jeweiligen Kleinfürsten angebetet haben. Und sie haben es ganz praktisch gemacht. Auch wie Gellert – indem sie nämlich öffentlich gezeigt haben, wie großes Denken geht. Gellert hat dabei auch schon mal gewagt, den etwas grimmigen Friedrich Zwo von Preußen zu belehren – schön durch die Blume. Der Bursche hat’s trotzdem gemerkt. Und war verschnupft.

Dass man Gellert auch 300 Jahre nach seiner Geburt in Hainichen lesen und lieben kann, hat Werner Marx ja erst jüngst mit seiner liebevollen Gellert-Auswahl gezeigt. Auch den verschlägt es jetzt, wo sich der richtige 300. Geburtstag am 4. Juli nähert, nach Gohlis.

Selbst das Stadtgeschichtliche Museum schwärmt ein bisschen in der Werbung für die kleine Gellert-Ausstellung im Schillerhaus: “Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) lebte und wirkte seit 1734 in Leipzig. Als Hochschullehrer hielt er aufsehenerregende Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit sowie Moral. Dafür wurde er deutschlandweit geehrt und geschätzt. Die Ausstellung blickt auf sein umfangreiches wie bedeutendes Werk zurück und auf die unglaubliche Verehrung, welche Gellert nach seinem Tod erfuhr. Sie zeigt den großen Dichter und Moralphilosoph in Wort und Tat und verdeutlicht seine Bedeutung weit über seine Zeit hinaus.”

Beschauen und genießen kann man die Ausstellung vom 1. Juli bis zum 6. September im Schillerhaus (Menckestraße 42).

Diese Termine in der Ausstellung kann man sich schon mal vormerken

Samstag, 4. Juli, 19 Uhr (das ist der Geburtstag!): “Je minder sich der Kluge selbst gefällt, um desto mehr schätzt ihn die Welt”. Geburtstagsfeier für C. F. Gellert mit dem Schillerhaustheater und der Musikschule Leipzig “Johann Sebastian Bach”. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung in das Gohliser Schlösschen verlegt. Eintritt 6 Euro, ermäßigt 4 Euro.

Sonntag, 12. Juli, 11 Uhr: “Gellert – Der alte Dichter & der junge Criticus”, Führung durch die Ausstellung mit Dr. Werner Marx

Sonntag, 19. Juli,  11 Uhr: “Gellert – Der alte Dichter & der junge Criticus”, Führung durch die Ausstellung mit Dr. Werner Marx

Szenenwechsel: Gellert im Gohliser Schlösschen

Am Sonntag, 5. Juli, um 11 Uhr lädt der Freundeskreis „Gohliser Schlösschen“ e. V. zu einer Matinee zu Ehren Christian Fürchtegott Gellerts in den Festsaal ein. Und auch hier gibt es nur lobende Worte über den Dichter: “Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) war Mitte des 18. Jahrhunderts der meistgelesene deutsche Schriftsteller. Er verfasste zahlreiche Fabeln, Lustspiele, einen Roman, religiöse und moralische Dichtungen sowie Abhandlungen. Gellert lebte, lehrte und starb in Leipzig. Sein Geburtstag jährt sich in diesem Jahr zum dreihundertsten Mal. Ein Anlass seiner zu erinnern, sein Werk zu würdigen und dem Monument im Garten des Gohliser Schlösschen Aufmerksamkeit zu schenken.”

Mit dabei ist auch hier Werner Marx, der Herausgeber des Gellert-Lese-Buches.

Die Matinee zu Ehren Gellerts im Gohliser Schlösschen (Festsaal) beginnt am Sonntag, 5. Juli, 11 Uhr. Mit dabei sind Autor Werner Marx, Schauspieler Friedhelm Eberle, Sopranistin Friederike Urban und am Klavier Ketevan Warmuth.

Werner Marx beschreibt in biografischen Auszügen den großen Geist der Aufklärung  und gibt eine wirkungsgeschichtliche Einordnung. Friedhelm Eberle rezitiert ausgewählte Fabeln und Briefe. Ketevan Warmuth und Friederike Urban präsentieren musikalische Kostproben der durch Carl Philipp Emanuel Bach vertonten Dichtungen Gellerts.

Dr. Werner Marx. Foto: Freundeskreis Gohliser Schlösschen
Dr. Werner Marx. Foto: Freundeskreis Gohliser Schlösschen

Es kommen Fabeln und Briefe Gellerts zum Vortrag. Und Dr. Werner Marx hält einen Vortrag mit Einbettung eines Auszugs aus Gelles berühmtesten Roman „Das Leben der schwedischen Gräfin von G***“.

Eintritt zur Matinee 15 Euro/12,50 Euro. Freie Platzwahl. Vorverkauf: Musikalienhandlung M. Oelsner (Schillerstr. 5), Ticketgalerie Leipzig GmbH (Hainstr. 1/Im Barthels Hof). Reservierung: kontakt@gohliser-schloss.de, Tel. (0341) 58969-0 und oder Kartentelefon (0177) 8930807. Einlass: ab 10:30 Uhr, Eingang/Schlosskasse: Menckestr. 23/Hofseite der Schlossanlage.

Szenenwechsel: das Gellert-Sulzer-Denkmal im Garten des Gohliser Schlösschen

„Nicht Eitelkeit, sondern ein warmes Herz, errichteten Gellert und Sulzer dieses Denkmal. Beide waren im Leben Freunde, beide auch die meinigen, und als Schriftsteller meine Wohltäter. Liebe und Dankbarkeit sind für den ehrlichen Mann angenehme Pflichten. – Von Seiten der Kunst ist dies Monument für den ländlichen Garten eines Bauerngütgens vielleicht zu schön; aber für mein Herz konnte es nie schön genug sein…“, schrieb der Buchhändler Philipp Erasmus Reich am 1. März 1782.

Im Garten des Gohliser Schlösschens steht heute vor der östlichen Arkade auf einem mit Efeu bewachsenen Hügelchen ein Denkmal in Erinnerung an zwei große Gelehrte der deutschen Aufklärung: den Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) und den Philosophen Johann Georg Sulzer (1720-1799) – zwei Männer, die im Leben eng verbunden waren. Ein Anlass für den Freundeskreis Gohliser Schlösschen, das Denkmal wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken.

Ein bekränztes Urnengefäß, dem ein aufgeschlagenes Buch sowie Palmen- und Lorbeerblätter zur Seite liegen, steht auf einem kannelierten Säulenstumpf. Auf der einen Seite ist Gellerts und auf der anderen Sulzers Bildnis mit Kränzen umwunden eingehauen. Am Fuße befindet sich die Aufschrift „Gellert und Sulzers Andenken gewidmet. 1781“. Es ist eines der beiden Gellert-Denkmale in Leipzig. Das andere steht in der Lennéanlage an der Schillerstraße.

Im Zeitalter der Empfindsamkeit wurde dem Tod, dem Sterben eine besondere existentielle wie auch ästhetische Bedeutung eingeräumt. Grab- und Erinnerungsmale fanden in Gärten Aufstellung und gehörten zum wichtigsten Bestandteil der Landschaftsgestaltung. Ziel war es, auf das Vergängliche allen Lebens zu verweisen, Melancholie und Ehrfurcht vor den Gedanken und Leistungen der Verstorbenen anzuregen, sanfte Rührung zu erzeugen.

Der Leipziger Buchhändler Philipp Erasmus Reich (1717-1787) beauftragte 1781 seinen Freund Adam Friedrich Oeser (1717-1799) mit dem Entwurf und der Ausführung des Doppeldenkmals in sächsischem Marmor für die Aufstellung in seinem Gutsgarten in Sellerhausen bei Leipzig. Es zählt neben dem von Oeser 1774 entworfenen Gellert-Denkmal für den Verleger Johann Wendler (1713-1799) zu den frühesten deutschen Dichtermonumenten.  Nach dem Tod von Reich im Jahre 1787 stiftete seine Witwe Friederike Louise Reich, geb. Heyl, um 1803 das Denkmal für den Garten des Gohliser Schlösschens.

Zunächst erhielt es in einer Nische vor der westlichen Gartenarkade seinen Platz. Allerdings war somit nur das Bildnismedaillon Gellerts sichtbar, das von Sulzer nicht. Im Zuge der Gartenneugestaltung 1937 wurde das Denkmal in den südöstlichen Teil des Schlossgartens zwischen Gartenmauer und Arkade umgesetzt. Während des II. Weltkrieges wurde es durch Bombeneinwirkungen beschädigt. Im Sommer 1948 erfolgte eine erneute Umsetzung in die westlichen Grünflächen des Schlosshofes. Im Zuge der Generalsanierung des Gohliser Schlösschens in den 1990er Jahren wurde das Denkmal restauriert und erhielt die bis heute bestehende würdige Aufstellung im Schlossgarten.

Der Geburtstag von Christian Fürchtegott Gellert jährt sich in diesem Jahr zum dreihundertsten Mal. Ein Anlass, seiner zu erinnern, sein Werk zu würdigen und dem Monument Aufmerksamkeit zu schenken, findet der Freundeskreis Gohliser Schlösschen. Eine Einladung, die man beherzigen darf.

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