In einer eigenen Museumszeitung mit dem Namen „MuZe“ lässt das Stadtgeschichtliche Museum die Leipziger seit einiger Zeit teilhaben an dem, was auch hinter den Kulissen des Museums passiert. Und das Meiste passiert tatsächlich hinter den Kulissen. Jetzt ist Nr. 3 dieser Zeitung erschienen, die auch schon einmal ankündigt, womit sich eine große Ausstellung im nächsten Jahr beschäftigen wird. „Achtung, Baustelle!“, warnt Museumsdirektor Anselm Hartinger.

Denn er hat mit der Übernahme des Amtes auch ein Museum im Umbau bekommen. Besonders auffällig ist das natürlich am Alten Rathaus selbst, wo quasi eine Baustelle der anderen folgt. Durften die Besucher gerade erst über den sanierten und teilweise umgebauten Festsaal staunen, geht es in anderen Teilen des alten Kastens schon wieder weiter.

„Nach der Festsaaletage im Alten Rathaus stehen jetzt die noch geschlossenen Naschmarkträume sowie der verwaiste Museumsshop und irgendwann das historische Kellerverlies auf der Tagesordnung“, zählt Hartinger auf. „Gerade haben wir das runderneuerte Schillerhaus bezogen, da steht die Wiedereinrichtung des sanierten Museums zum Arabischen Coffe Baum vor der Tür.“

Streit um berühmte „Ode an die Freude“

Eine Nachricht, die zumindest Zuversicht verbreitet, denn auch aus Sicht der Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist es eine verdammt lange Zeit, die der Arabische Coffe Baum nun geschlossen ist, weil die Installation komplett erneuert werden muss. Seit 2018 ist das Haus geschlossen. Wenn alles nach Plan läuft, sollte 2023 noch eine Wiedereröffnung stattfinden.

Und auch beim Sportmuseum, um das inzwischen seit rund 20 Jahren gerungen wird, geht es ja endlich voran. Auch hier, so Hartinger, laufen die Planungen.

Das Schillerhaus hat ja schon im März wieder eröffnen können und lenkt den Blick der Besucher seitdem direkt auf den Freundeskreis um Christian Gottfried Körner, der Schiller nach seiner Kündigung in Mannheim aus einer bedrückenden Lebenssituation half. Mit einem Sommeraufenthalt in Gohlis, in dem Schiller seine Befreiung ja bekanntlich in der „Ode an die Freude“ niederschrieb.

Wobei Poser den Streit der Städte nicht wegließ, denn auch Dresden reklamiert dieses Lied für sich, wo Schiller nach seinem Leipzig-Aufenthalt 1785 wieder unter Körners Fittichen eine Zuflucht fand.

V.l.n.r.: Steffen Poser (Kurator der Ausstellung), Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke, Franziska Jenrich-Tran (Projektkoordination Schillerhaus) und Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger eröffnen die Ausstellung „Götterfunken“ im Schillerhaus Leipzig. Foto: SGM, Kai Bergmann
Steffen Poser (Kurator der Ausstellung), Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke, Franziska Jenrich-Tran (Projektkoordination Schillerhaus) und Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger eröffnen die Ausstellung „Götterfunken“ im Schillerhaus Leipzig (von links nach rechts), Foto: SGM, Kai Bergmann

Wobei dieser Streit völlig egal ist, wie Poser feststellt, denn das Lied an die Freude gilt nicht Leipzig, sondern den Menschen, die Schiller damals in einer Situation der Not tatsächlich geholfen haben.

Es geht immer um Menschen

Und genau das sind die Geschichten, die Museen natürlich lebendig machen. Zu sehen auch in der aktuellen Ausstellung „Hakenkreuz und Notenschlüssel“, die eben auch Musikern wieder ein Gesicht gibt, die in der NS-Zeit in Leipzig Amt und Wirkungsort verloren haben. Sie würdigt auch Kerstin Sieblist in ihrem Beitrag. Und im Gespräch mit Klaus-Michael Rohrwacher, Vorsitzender des Fördervereins Völkerschlachtdenkmal e. V., kann Anselm Hartinger eben auch jene Unterstützer würdigen, ohne welche die Sanierung des Völkerschlachtdenkmals in einer Zwei-Jahrzehnte-Aktion so nicht gelungen wäre.

Es geht immer um Menschen und ihre Schicksale. Weshalb auch die Provenienzforschung wieder ein Thema in der Zeitung ist. Lina Frubrich berichtet von der Untersuchung der insbesondere zwischen 1933 und 1945 ins Museum gekommenen Kunstwerke, von denen da und dort durchaus Zweifel angebracht waren, ob sie mit rechten Dingen ins Museum kamen und nicht aus dem Besitz etwa von jüdischen Mitbürgern. Menschen, die damals nicht nur vertrieben und getötet wurden, sondern auch nach Strich und Faden ausgeplündert.

Aber die meisten Sammlungsstücke, so Frubrich, sind auch damals auf rechtem Weg ins Stadtgeschichtliche Museum gekommen – zumeist als offizielle Schenkungen von Bürgern. Mit einer „Provenienzampel“ wurde die Klärung der Herkunft markiert.

Wenn sie eindeutig auf unrechtmäßigem Weg in die Bestände kamen, erhielten die Kunstwerke die Ampelfarbe Rot – was immerhin auf sieben Kunstwerke von 323 zutrifft, bei 68 Kunstwerken ist die Klärung noch nicht ganz abgeschlossen, was auch damit zu tun hat, dass wichtige Aktennachweise fehlen. Sie bleiben also quasi in der weiteren Untersuchung, bis man eine eindeutige Herkunft festmachen kann.

Wobei der Nachweis einer bedenklichen Herkunft noch nicht heißt, dass das Kunstwerk zurückgegeben werden kann, denn oft erweist sich die Suche nach möglichen Erben und eine rechtssichere Restitution als noch viel aufwändiger. In dem Buch „Vergessene Rück(an)sichten“ hat das Museum ja schon einen Einblick in diese Suche nach der wirklichen Herkunft der Kunstwerke gegeben.

Nächstes Jahr ist das Thema Tod auf dem Programm

Die Zeitung verrät aber auch den Erwerb dreier wichtiger Fotokonvolute für das Museum – so die 3.000 Motive umfassende Sammlung des Leipziger Fotografen Friedrich Wilhelm Georg Zschäpitz (1879 – 1950) und die Arbeiten von Sigrid Schmidt und Hans Anders, die insbesondere das Leipzig der Nachkriegszeit festgehalten haben.

So gesehen wieder ein hübscher Lesestoff für alle Leipziger, die Hartingers Einladung nur zu gern annehmen, auch mal die „Baustelle“ Stadtmuseum zu besuchen.

Und „Baustelle“ sind eigentlich auch die Leipziger Friedhöfe. Die selbst eine Ausstellung wert sind, gerade weil mit einigen regelrecht Schindluder getrieben wurde. Aber das Thema für die nächste große Ausstellung im März 2024 ist erst einmal der Tod – und damit unser Umgang mit diesem so gern versteckten Finale im Leben jedes Menschen.

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