Nicht Goethe, sondern Schiller war der Klassiker, den die Deutschen um 1840 verehrten. Das hatte mit der vorrevolutionären Stimmung zu tun. Schiller war der Dichter der Freiheit. Auch in Leipzig gründete sich 1842 ein Schillerverein, in dem der Most der Freiheit gärte. Mitinitiator war kein anderer als Robert Blum, der Schillers Sommerdomizil von 1785 im Jahr 1841 in Gohlis ausfindig gemacht hatte. So hatte die Freiheit auch einen Ort, an dem man ihr huldigen konnte.

Und die Leipziger hatten eine originale Dichtergedenkstätte. Wenn auch wenige Originale. Denn Friedrich Schiller war ja nur auf der Durchreise, eingeladen von seinen Leipziger Verehrern und Verehrerinnen. Allen voran Christian Gottfried Körner, der Schiller erst nach Leipzig und dann nach Dresden eingeladen hatte.

„Im Schillerhaus verbrachte im Jahr 1785 der 25-jährige Friedrich Schiller unbeschwerte und literarisch beflügelnde Sommerwochen“, fasst das Stadtgeschichtliche Museum diesen Sommeraufenthalt im heute ältesten erhaltenen Bauernhaus im Leipziger Stadtgebiet zusammen. Während Schiller in der oberen Stube schlief, die extra für Sommergäste aufgestockt worden war, schlief im ehemaligen Stallanbau, der ebenfalls zum Feriendomizil umgebaut worden war, der Verleger Georg Joachim Göschen.

Was auch die Stadtbilderklärer gern vergessen: Göschen gründete im selben Jahr in Leipzig seine G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung, die sich zur ersten bedeutenden Verlagsbuchhandlung für die Weimarer Klassik mausern sollte. Und Schiller nahm er sofort mit in sein Programm auf. Gleich 1785.

Goethe kam 1786 dazu, war aber ein verlegerisch nicht sehr erfolgreiches Projekt. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Die neue Ausstellung im Schillerhaus

Aber was macht man, wenn die originalen Schillerstücke alle in Weimar zu sehen sind? Da müssen sich die Leipziger Museumsdirektoren und Kuratoren doch immer wieder etwas einfallen lassen.

Blick in die neu gestaltete Dachstube mit „Freude“. Foto: SGM, Kai Bergmann
Blick in die neu gestaltete Dachstube mit „Freude“. Foto: SGM, Kai Bergmann

Diesmal versuchen sie es mit dem Menschen Schiller. „Friedrich Schiller wird den Gästen in der neuen Ausstellung vor allem als authentischer Mensch mit nachvollziehbaren Sorgen und Freuden begegnen. Im Zentrum der Ausstellung steht der von ihm bejubelte Wandel seiner schwierigen Lebenssituation, der ihn zu seinem Lied ‚An die Freude‘ inspirierte“, beschreibt das Stadtgeschichtliche Museum den jetzt gewählten Ansatz.

„Die Besucher lernen die Freunde kennen, die ihn in jenen Wochen begleiteten, erspüren den Ursprung seines Glückstaumels und verfolgen die weltweite Karriere seiner bekanntesten Verse, des Liedes ‚An die Freude‘. Dieses ist ein immer wiederkehrendes Element in Haus und Garten, das ganz unvermittelt auf Wänden, hinter Sträuchern oder auf Bänken auftaucht.“

Wobei die Forschung davon ausgeht, dass in Leipzig eine erste Fassung der Ode „An die Freude“ entstand, die endgültige dann in Dresden. Und mit dem „Don Carlos“ beschäftigte er sich intensiv, dem nächsten aufrührerischen Stück („Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ ), nachdem er mit „Die Räuber“, „Fiesco“ und „Kabale und Liebe“ in Mannheim schon Furore gemacht hatte, aber dann – nach seiner Flucht 1782 aus Stuttgart – 1785 auch aus Mannheim fliehen musste.

Eine Würdigung für Robert Blum

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist die Person Robert Blums, jenes Märtyrers der Revolution von 1848, ohne dessen Engagement Sommerwohnung und Aufenthalt Schillers in Gohlis wohl längst vergessen wären.

Steffen Poser (Kurator der Ausstellung), Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke, Franziska Jenrich-Tran (Projektkoordination Schillerhaus) und Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger eröffnen die Ausstellung „Götterfunken“ im Schillerhaus Leipzig (von links nach rechts), Foto: SGM, Kai Bergmann
Steffen Poser (Kurator der Ausstellung), Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke, Franziska Jenrich-Tran (Projektkoordination Schillerhaus) und Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger eröffnen die Ausstellung „Götterfunken“ im Schillerhaus Leipzig (von links nach rechts), Foto: SGM, Kai Bergmann

Naturbelassene hölzerne Oberflächen mit sonnengelben Akzenten sollen der einstigen Landidylle gerecht werden. Dem historischen Dorf Gohlis kann durch zahlreiche Objekte und Medienstationen ebenso nachgespürt werden wie im Film festgehaltenen Momenten, in denen des Dichters Trinklied zum heroischen Hymnus, zum emotional aufgeladenen Freiheitslied oder zum chaotisch explodierenden Kultsketch gerät.

Immer wieder zu entdeckende spielerische Elemente laden ein, sich dem oft zur dekorativen Marmorbüste erstarrten genialen Dichter unbefangen zu nähern und zu bestätigen: Auch wir haben Momente des plötzlichen „Götterfunken“ schon erlebt.

Im Spannungsfeld von lebendiger Klassikeraneignung, historischem Bauernhaus, nachbarschaftlichem Ruheort und gegenwartsbezogener Begegnungsstätte treibt das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig auch heute die Entwicklung des Schillerhauses als zugleich ältester wie nahbarster Literaturgedenkstätte Deutschlands voran. Es ist dabei Ziel, dass das idyllische Haus und sein Garten als Oase der Entspannung im hektischen Großstadtalltag angenommen werden – gern auch mit Kindern zwischen Sandkasten und Sonnendach.

Zugleich will das Museum auch künftig in den Sommermonaten mit Theaterspiel, Lesungen, Vorträgen und Workshops das bühnenmäßige und lyrische Erbe Schillers pflegen, deutet es jedoch im zwanglosen Ambiente der Weinreben und Sommermusiken sowie durch die Einbeziehung von Improvisationsformaten für heute neu.

Das Museum erinnert dabei auch dankbar an Waltraud Pia Geißler aus Stuttgart. Ihr Vermächtnis ermöglichte die Neugestaltung des Hauses 2023.

Am Samstag, dem 1. April, ist die Ausstellung bei einem „Tag der offenen Tür“ kostenfrei von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Schillerhaus, Menckestraße 42, 04155 Leipzig

Öffnungszeiten: März: Di – So, Feiertage 10 – 16 Uhr
April – Oktober: Di – So, Feiertage 10 – 17 Uhr
November – Februar: geschlossen (Gruppenbesuche nach vorheriger Terminvereinbarung)

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