Da wir uns ja eigentlich einig sind, dass eine Stadt weit mehr ist als nur feuerwerkende Events und lustige TV-Sendungen, scheint die Frage aufzubrechen, was eine Stadt denn überhaupt ausmacht. Volly Tanner meint: die Menschen. Und lässt diese zu Wort kommen. Bestenfalls Menschen, die Geschichten erzählen. Also weiter. Da sind noch viele zu befragen. Heute: Frank Baacke: Gästeführer, Ausstellungskurator, Leipziger.

Lieber Herr Baacke, schön Sie zu treffen. Die von Ihnen und Frau Annelis Tienelt kuratierte Ausstellung “Auf den Spuren der ehemaligen Verbindungsbahn Connewitz – Plagwitz (1888-1925) einst und heute” war ja im Stadtteilladen Leipziger Westen ein voller Erfolg. Nun hängen sie – also die Bilder der Ausstellung – im Schulbiologischen Zentrum Schleußiger Weg 1. Wie läuft es denn dort? Wissen Sie schon etwas?

Ja, wir sind sehr erfreut über den regen Zuspruch im Stadtteilladen Leipziger Westen. In der vergangenen Woche war ich im Schulbiologischen Zentrum, habe den Leiter, Herrn Rehm, besucht und konnte hören, dass die Ausstellung auch hier mit Interesse angenommen wird. Außerdem sind die Räumlichkeiten dort optimal.

Wie kommt man denn auf die Idee, sich mit ehemaligen Verbindungsbahnen auseinanderzusetzen?

Die Leipziger Verbindungsbahn begleitet mich bereits seit Kinderzeit, wo bei Spaziergängen durch die Auwälder immer wieder auf diese Anlage und deren bauliche Überbleibsel hingewiesen wurde. Nachdem ich die Ausbildung zum Gästeführer an der hiesigen IHK erfolgreich absolviert hatte, wollte ich mich in die Gilde der Gästeführer mit einem Gesellenstück einbringen. So griff ich die Erinnerung an die vergessene Bahnanlage auf, recherchierte bis hin zum Staatsarchiv und fand genügend Material, um eine Tour per Pedal anzubieten.

Genau, Herr Baacke. Sie machen auch geführte Fahrradtouren, sind IHK-zertifizierter Gästeführer, funktioniert das? Wie muss man sich solch eine Führung vorstellen? Und wo geht es lang?

Die Fahrradtour “Entlang der alten Verbindungsbahn Leipzig Connewitz – Leipzig Plagwitz” beginnt stets am Connewitzer Bahnhof, wo ich einleitende Worte finde. Dann geht es über die Prinz-Eugen-Straße, die Apitzschgasse hinein in den Connewitzer Wald. Verständlicherweise werde ich an dieser Stelle keine Anleitung zur Selbsttour geben. Neugier soll ja erhalten bleiben. Es gibt eine Menge zu erfahren im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Über den Stadtteil Schleußig führend endet die Tour dann nach etwa zwei Stunden am Plagwitzer Bahnhof.

Welche Ausstellung und vor allem auch wo gehangen würde Sie reizen? Was ist in der Pipeline? Schon neue Pläne?

Es gibt wage Vorstellungen bei mir, Leipziger Lebensläufe bildlich darzustellen, mit Geschichten zu unterfüttern und somit der heutigen Generation einen nachvollziehbaren Ausschnitt aus früherer Lebensart zu geben. Räumliche Vorstellung habe ich dazu noch nicht. Darüber hinaus wird es ab Ende Oktober monatlich Lesungen durch mich in der wunderschönen Mädler-Villa geben. Zu Gehör gebracht werden “Erinnerungen an das alte Leipzig in vergnüglicher Geschichtenfolge”, jeweils 19:30 Uhr, immer am letzten Donnerstag des Monats.
Wo und wie recherchieren Sie?

Meine Quellen sprudeln beinahe überall. Seit 42 Jahren bin ich treuer Leser und Nutzer der ehrwürdigen Deutschen Bücherei, die heute als Deutsche Nationalbibliothek agiert. Auch in der Bibliothek des Leipziger Stadtgeschichtlichen Museums bin ich häufig anzutreffen, wenn es gilt, neue Stadtführungen auf der Grundlage originaler Dokumente und schriftlichen Überlieferungen zu füttern. Notwendigkeitshalber gehören schließlich auch das Leipziger Stadtarchiv und das Sächsische Staatsarchiv zu meinen Fundgruben. Darüber hinaus umfasst meine Leipzig-Bibliothek mittlerweile etwa 1100 Titel. Ich glaube, dass dies eine über die Maßen solide Grundlage für die Wissens- und Geschichtenvermittlung für einen Gästeführer in Leipzig ist.

Ihre Familie ist eine alteingesessene Leibzscher-Räbchen-Truppe, wenn ich richtig informiert bin. Hat der Zuzug nach Leipzig in den letzten Jahren, all die Leute von außerhalb, auf Ihr Gästeführerkonzept Einfluss? Interessieren sich die Zugezogenen für die Geschichte ihrer Stadt? Wie ist Ihre Erfahrung?

Ja, das ist wohl wahr. Nach eigener Recherche reicht die Linie mütterlicherseits bis auf den Ranstädtischen Steinweg des ausgehenden 18. Jahrhundert in eine Buchhandlung zurück. Dann, etwa 1830, verschlug sie die Liebe in das Grenzgebiet zwischen Lindenau und Plagwitz an die via regia. Heute lebt unsere Mutter in der ältesten Straße von Plagwitz. Meine Kinder leben in Plagwitz und Schleußig. Ich habe meine Zelte wieder in Lindenau aufgestellt.

Pauschale Bewertungen kann ich zu den Interessengruppen nicht abgeben. Aber wie überall im Leben gibt es die verschiedensten Interessenkonstellationen. Es gibt außerordentlich interessierte Alt- und Neu-Leipziger; aber ebenso verhält es sich mit den Gästen unserer Stadt. Kommen solche zu einem ersten Besuch nach Leipzig, so sind sie überwiegend beeindruckt von der alle Bereiche umspannende Vielfalt, die unsere Stadt zu bieten hat. Sind es “Wiederholungstäter” dann ist eine Infektion mit dem Leipzig-Virus sehr wahrscheinlich und kann nicht beimpft werden.

Im Abschluss können Sie gerne noch einen Wunsch an die Hiesigen richten. Nutzen Sie die Chance. Bitte sehr.

Die Hiesigen sollen auch weiterhin diese Stadt als einen Schatz betrachten und demgemäß für diese Stadt und in dieser Stadt handeln und leben.

Danke für die Antworten.

That’s all and right. Grüße von Frank.

www.nameundart.de

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