Es war vielleicht nicht der richtige Vorschlag, den die SPD-Fraktion in Bezug auf die Wasserzufuhr in der Nordwestaue gemacht hat. Aber die Frage traf augenscheinlich den richtigen Punkt. Denn wenn es in Sachsen kein Konzept zum Schutz der Auen gibt, kann man auch keine Mini-Projekte wie das Projekt „Lebendige Luppe“ initiieren. Es macht schlicht keinen Sinn. Auch wenn Leipzigs Umweltdezernat sich hütet, das so offen zu sagen. Es steckt ja zwischen Baum und Borke.

Es hat jetzt so eine Art Alternativvorschlag zum SPD-Antrag geschrieben, wie man die Wassersteuerung in der Elsteraue verbessern kann. Im Grunde ist es kein Vorschlag, sondern das schlichte Eingeständnis, dass man von der Regierung des Freistaats starre Planken gesetzt bekommen hat, die (erst einmal) nicht zur Diskussion stehen.

„Für eine grundsätzliche Änderung der Steuerung des Gewässerknotens wird somit neben der Stadt Leipzig auch der Freistaat Sachsen mit seinen Anlagen und Gewässern betroffen. Die zentrale Steuerung des Gewässerknotens erfolgt am Palmengartenwehr in fachlicher Zuständigkeit des Freistaates Sachsen“, betont das Umweltdezernat. „Die Steuerung erfolgt durch die Landestalsperrenverwaltung wasserstandsabhängig so, dass vor dem Hintergrund der Umsetzung der Maßgaben der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der Hochwasserschutz, die Stadtentwässerung und die ökologischen Anforderungen unter Beachtung  des Wasserdargebotes gewährleistet sind. Diese Rahmenbedingungen der Steuerung sind bindend für Projekte der Stadt Leipzig und werden vom Freistaat Sachsen als nicht verhandelbare Randbedingungen eingefordert.“

Die Formel „nicht verhandelbar“ ist deutlich genug.

Trotzdem will man irgendwie versuchen, mit der Landestalsperrenverwaltung zu reden. Das steckt in diesem Alternativvorschlag: „Die Stadtverwaltung bringt die im Antrag geltend gemachten Belange in die laufenden Abstimmungen mit den Behörden des Freistaates Sachsen in Beachtung und im Rahmen ihrer Zuständigkeit in die dort laufenden Planungen ein.“

Was augenscheinlich richtig zäh ist. Wie will man Änderungen bewirken, wenn die Randbedingungen nicht verhandelbar sind?

Im Ergebnis weiß man bis heute nicht, wo wie viel Wasser in die Burgaue kommen soll. Möglicherweise kann man dazu jetzt im Frühjahr endlich eine Lösung finden. Eine Minimallösung.

„Im gegenwärtigen Steuerregime des Gewässerknotens können kleine Anpassungen grundsätzlich möglich werden. Die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer geringfügigen Anpassung sind im Rahmen des Projektes, insbesondere im Scopingtermin (Frühjahr 2017), zu klären“, teilt das Umweltdezernat mit. „Im Projekt Lebendige Luppe werden gegenwärtig alle gesetzten Randbedingungen betrachtet und eine maximale Wasserzufuhr in die Aue zum Erhalt des Auenwaldes ermittelt. Die Wasserzufuhr in die Aue wird technische Bauwerke erfordern, deren technische Lösungen sich den natürlichen Verhältnissen soweit möglich anpassen sollen. Die Vorgaben der WRRL und die Minimierung von Eingriffen in Natur und Landschaft sind hierfür selbstverständliche Planungsvoraussetzungen.“

Man handelt also mit der Landestalsperrenverwaltung nicht die minimale Wasserzufuhr aus, sondern das Maximum. Das wird das Projekt „Lebendige Luppe“ klar beschränken.

Und das zu einem Zeitpunkt, an dem alle Beteiligten eigentlich sagen müssten: Stopp! Das Projekt kommt vorerst auf Eis, weil sich die Rahmenbedingungen in Dresden gerade ändern. Denn nach Jahren des Zögerns und Zaudern hat das Sächsische Umweltministerium endlich die Rettung der noch existierenden Flussauen auf die Agenda gesetzt. Zumindest ein bisschen. Das muss zwangsläufig die Leipziger Elsteraue betreffen.

„Aktuell sieht das Land Sachsen zunehmend eigenständige vernetzte Planungen in den Auenbereichen als erforderlich an, die in einem Auenprogramm münden sollen. Diese werden aufgrund der Forderungen der Wasserrahmenrichtlinie, der Hochwasserrisikomanagementplanungen sowie in Bezug auf den Erhalt der Biologischen Vielfalt (Natura 2000) notwendig“, teilt das Umweltdezernat fast beiläufig mit, obwohl die SPD-Fraktion gar nicht danach gefragt hatte. Aber wenn es einmal ein richtiges Auenkonzept geben soll, dann braucht das eine nachhaltige Gesamtlösung für die gesamte Aue. Genau das betont das Umweltdezernat auch: „Diesem Auenprogramm, dessen Fachgrundlagen derzeitig im Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft erarbeitet werden, soll die  Aufgabe zukommen, projektbezogen noch vorhandene Auenlebensräume zu schützen, dynamisch zu entwickeln und in geeigneten Bereichen wiederherzustellen.“

Und die Leipziger Aue spielt da schon jetzt eine wichtige Rolle: „In diesem Kontext erfolgt durch das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und der  Landestalsperrenverwaltung eine (…) ‚Potentialanalyse zur naturschutzfachlich optimierten Hochwasserverteilung unterhalb des Leipziger Elsterbeckens (Nordwestaue)‘, um die Umsetzung des Managementplans ‚Leipziger Auensystem‘ zu verbessern und ein Leitbild für die Auenentwicklung zu entwickeln. Die Stadt Leipzig kooperiert mit den Institutionen des Landes bereits in diesem Zusammenhang und mit dem Blick auf die Projektinhalte des Projektes Lebendige Luppe intensiv.“

Wenn das Umweltministerium die Potenzialanalyse ernst nimmt, dann wird eine Entdeichung der Nordwestaue darin vorkommen. Nur so lässt sich die Elsteraue in diesem Bereich nachhaltig sichern. Pech für Leipzig ist nur, dass man hier nicht fertigbringt, wirklich eine nachhaltige Gesamtlösung für das Auensystem zu fordern. Was natürlich alle Handlungsoptionen beim Freistaat belässt, der das quasi mit sich selbst aushandelt, ob man lieber am straffen Deichsystem festhält oder vielleicht eine kleine Berieselung der Burgaue zulässt. Mehr aber auch nicht.

Entsprechend wenig kann das Umweltdezernat jetzt zur künftigen Wasserzufuhr sagen: „Aufgrund des aktuellen Planungsstandes und der bestehenden Planungsaufgaben im Projekt Lebendige Luppe können die gewünschten Prüfergebnisse bis April 2017 nicht benannt werden. Inwieweit kleinere Anpassungen notwendig werden, wird sich voraussichtlich im Rahmen der ersten formellen Planungsschritte (Scoping im Rahmen der Umweltprüfung) im 1. Halbjahr 2017 im Zuge der Projektbearbeitung der Stadt Leipzig klären. Darüber hinausgehende Ergebnisse wird die Potentialanalyse des Freistaates Sachsen liefern, mit dem Ziel, die Umsetzung des Managementplans ‚Leipziger Auensystem‘ zu verbessern. Eine enge Abstimmung mit dem Projekt Lebendige Luppe ist dabei sichergestellt. Allerdings kann zurzeit noch keine Aussage getroffen werden, wann durch den Freistaat Sachsen entsprechende Ergebnisse vorgelegt werden.“

Wie sehr sich Leipzigs Umweltdezernat dabei an den Katzentisch gesetzt fühlt, wird in der Stellungnahme zu den „Folgen der Ablehnung des Verwaltungsstandpunktes“ deutlich: „Der Schlüssel zum erfolgreichen Handeln liegt in einer engen Zusammenarbeit zwischen Freistaat Sachsen und Stadt Leipzig einschließlich aller Behörden. Die Stadt Leipzig könnte auch mit solch einem Beschluss nicht formal in die Zuständigkeit eingreifen. Folglich ist die gegenwärtige Zusammenarbeit einschließlich des Prüfens aller Möglichkeiten zur maximalen Wasserführung in die Aue die Verfahrensweise mit den größten ‚Erfolgsaussichten‘ für eine optimale Steuerung.“

Das ist ein überraschend deutlicher Kommentar. Denn das Wort Erfolgsaussichten haben nicht wir in Gänsefüßchen gesetzt, sondern das Leipziger Umweltdezernat.

Der Alternativvorschlag des Umweltdezernats.

Die möglichen Folgen einer Ablehnung.

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