Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hätte ja der AfD-Fraktion nur zu gern geholfen, richtig schnell mit Grüner Welle auf der Prager Straße aus der Stadt zu kommen. Nicht unbedingt, weil es die AfD beantragt hat, sondern weil so ziemlich alle Autofahrer solche Träume haben. Aber der Antrag der AfD-Fraktion macht nur zu deutlich, wie sehr Autofahrer im Tunnel leben, immer nur ihre Fahrtrichtung sehen und meinen, alle anderen müssten sich nach ihnen richten.

Und nicht nur in der Prager Straße beschäftigt sich das Planungsdezernat mit einer möglichst klugen Verflüssigung des Verkehrs.

„Das Anliegen des Antrages hinsichtlich einer ,grünen Welle‘ in der Prager Straße ist bereits Gegenstand des Verwaltungshandelns. Zwar sind die gewünschten Koordinierungsbeziehungen grundsätzlich Untersuchungsgegenstand jeglicher Planung für Lichtsignalanlagen, jedoch sind diese nicht immer realisierbar“, erklärt das Dezernat.

Und erklärt es diesmal sogar ausführlich, weil man wohl weiß, dass auch andere Autofahrer es nur ganz schwer begreifen: „Dies soll mit nachfolgend benannten generellen Zusammenhängen zur Koordinierung von Lichtsignalanlagen (LSA) begründet werden: Zunächst ist festzustellen, dass eine ideale Koordinierung nur bei idealen Knotenpunktsabständen und einer einheitlichen Umlaufzeit der einzelnen LSA zu erzielen ist. Dieser Abstand beträgt bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h und einer Umlaufzeit der Lichtsignalanlagen von 90 s etwa 625 m.“

Nur sind halt diese Knotenpunkte – die Kreuzungen – eben nicht alle in einem Zeichenbrettraster angelegt.

„Bei abweichenden Knotenpunktsabständen ist zumindest eine Fahrtrichtung in der Koordinierung beeinträchtigt. Wenn die übrigen, d. h. nicht koordinierten Signalphasen einen nur geringen Zeitbedarf aufweisen, also an kleineren Knotenpunkten, können ungünstige Knotenpunktsabstände in bestimmten Grenzen recht gut ausgeglichen werden. An größeren Knotenpunkten sind Koordinierungsbrüche aber oftmals nicht vermeidbar“, so das Planungsdezernat.

Und auch das Märchen, die Autokolonnen würden denselben Fluss haben wie die Straßenbahn, klärt das Dezernat in seiner Stellungnahme auf. Denn für Leipzig gilt: „Grundsätzlich zielt das Verwaltungshandeln bei der Planung von Lichtsignalanlagen auf eine hohe Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Fußgänger- und Radverkehrs ab. Aber auch die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs werden im Rahmen der Planungsabläufe weitgehend berücksichtigt. Die strategischen Ziele Nachhaltige Mobilität, Vorsorgende Klima- und Energiestrategie sowie Erhalt und Verbesserung der Umweltqualität werden so wirkungsvoll unterstützt.“

Die so gern beschworene „Grüne Welle“ für Kraftfahrer bedeutet nun mal für alle anderen Verkehrsteilnehmer, dass sich ihre Verkehrsbedingungen drastisch verschlechtern. Erst recht, wenn auch noch die von rechts und links einmündenden Verkehre berücksichtigt werden müssen.

Und dazu kommt noch: Auch auf der Prager Straße gibt es Stoßzeiten im Berufsverkehr und Flautezeiten dazwischen, die Verkehrsmengen ändern sich ständig. Das lässt sich mit einer „Grünen Welle“ nicht abbilden.

Die Praxis sieht eher so aus: „Aus Gründen der Leistungsfähigkeit müssen je nach Tageszeit oft unterschiedliche Umlaufzeiten zur Anwendung kommen, sodass die Qualität der Koordinierung auch tageszeitlich schwanken kann. Weitere Einflussfaktoren sind der Freigabebedarf der Nebenrichtungen und des ÖPNV, die Einhaltung bestimmter maximaler Wartezeiten oder die Gewährleistung einer vollständigen Querung der Straße für den Fußgängerverkehr.

Zur Reduzierung von Wartezeiten für alle Verkehrsteilnehmer und bei komplizierten Knotenpunkten werden einzelne Lichtsignalanlagen im Zuge der Prager Straße auch vollverkehrsabhängig mit variabler Umlaufzeit betrieben. In solchen Fällen ist dann überhaupt keine Koordinierung möglich.“

Da sieht man die ganzen Fußgänger sich an den Ampeln drängen, den Bus der Linie 70 in die Riebeckstraße abbiegen, Radfahrer der „Grünen Welle“ vergeblich hinterherhecheln, Linksabbieger gestresst auf dem Lenkrad trommeln. Und weil einer beim Einsteigen trödelt, verpasst die Linie 15 ihre Phase und steht zwei Minuten lang an der Kreuzung herum. Selbst die scheinbar so einfache Prager Straße ist ein Verkehrssystem mit lauter verschiedenen Verkehrsarten und Menschen, die gar nicht alle in dieselbe Richtung wollen.

„Nicht zuletzt muss noch angemerkt werden, dass sich Kfz-Koordinierung und Beschleunigung des öffentlichen Personennahverkehrs aufgrund der unterschiedlichen Reisegeschwindigkeit (z. B. durch Haltestellenaufenthalte bedingt) dem Grunde nach gegenseitig ausschließen, sodass manche Schaltungen eher auf Straßenbahn und Bus abgestimmt sein können, als eine perfekte Kfz-Koordinierung zu gewährleisten“, betont das Verkehrsdezernat noch.

„Aus oben genannten Gründen versteht die Verwaltung den Antrag als Auftrag, auch bei künftigen Planungen die Belange der einzelnen Verkehrsteilnehmer im Sinne des durch den Stadtrat beschlossenen Stadtentwicklungsplanes Verkehr und öffentlicher Raum sorgfältig gegeneinander abzuwägen.“

Schöner hätten wir es auch nicht formulieren können.

AfD will eine Grüne Welle, um möglichst schnell aus Leipzig rauszukommen

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